Mobilitätskommission:Wende auf der Straße

Die Bundesregierung beruft die neue Mobilitätskommission. Ex-SAP-Chef Henning Kagermann soll das Gremium leiten.

Von Markus Balser, Berlin

Dass der Job als Regierungsberater voller Frust sein kann, weiß Henning Kagermann nur zu gut. Im vergangenen Jahr hätte er fast aufgegeben. Der Chef der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) hatte Vorschläge gemacht, wie die Politik Elektroautos fördern könnte, doch die zog nicht mit. Kagermann griff zum Hörer und tat, was sich nur wenige Manager im Land trauen. Er rief die Bundeskanzlerin an und warnte sie vor dem Scheitern ihrer Verkehrspolitik. Der frühere SAP-Manager forderte mehr Ladestationen und eine Kaufprämie.

Die Prämie kam, das Ziel, eine Million E-Autos bis 2020 auf die deutschen Straßen zu bekommen, wird zwar fast sicher verfehlt. Kagermann aber genießt trotzdem weiter das Vertrauen der Kanzlerin als wichtigster Regierungsberater bei der Verkehrswende. Zwar wird er mit seiner nationalen Plattform Elektromobilität an diesem Mittwoch den Abschlussbericht vorlegen. Die Kommission wird damit aufgelöst. Doch Kagermann soll einen noch einflussreicheren Job bekommen. Nach Informationen der Süddeutchen Zeitung will das Kabinett am Mittwoch die Gründung eines neuen Beratergremiums für die Verkehrswende beschließen. Chef der neuen Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität ist: Henning Kagermann.

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(Foto: oh)

Die Bundesregierung steht gerade in der Verkehrspolitik vor wichtigen Entscheidungen, der Verkehrssektor wegen neuer Antriebsformen und immer stärkerer Digitalisierung vor einem radikalen Umbau. Deutschland will den Straßenverkehr bis 2050 weitestgehend dekarbonisieren, allein bis 2030 sollen Autos, Busse, Lkw, Bahnen, Schiffe und Flugzeuge 40 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Wie das gehen kann, soll die Kagermann-Kommission nun erarbeiten. Bis 2019 sollen die Instrumente vorliegen, die die Regierung in einem Klimaschutzgesetz festschreiben will. Die Zeit drängt also. Gerade mal bis Ende des Jahres bleibt der Kommission laut Koalitionsvertrag für Handlungsempfehlungen. Kagermann will offenbar keine Zeit verlieren. Schon am 26. September soll der Lenkungskreis der neuen Kommission die Arbeit aufnehmen. Ziemlich schnell, denn wer wirklich in der Kommission sitzt, ist erst seit einigen Tagen klar. Ihr wichtigstes Gremium besteht nach Angaben aus Regierungskreisen aus den Chefs der sechs Arbeitskreise sowie Vertretern der Ministerien für Verkehr, Wirtschaft, Finanzen, Umwelt sowie Arbeit und Soziales. Zu den führenden Köpfen zählen bekannte Gesichter, aber auch einige Überraschungen. Den wichtigsten Arbeitskreis für neue Klimaschutzinstrumente soll Franz Loogen leiten, der im Auftrag der baden-württembergischen Landesregierung mit einem Strategiedialog als Vermittler zwischen Autoherstellern und Politik gilt.

Den Vorsitz der Arbeitsgruppe für alternative Antriebe wird die Verkehrsforscherin Barbara Lenz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt übernehmen, die Arbeitsgruppe für Digitalisierung BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann soll die Arbeitsgruppe zur Zukunft der Arbeitsplätze leiten, BDEW-Chef Stefan Kapferer den für den Ausbau der Infrastruktur für Elektroautos liefern. Und der Chef des Zulieferers Phoenix Contract, Frank Stührenberg, soll sich um die Standardisierung etwa von Bezahlvorgängen des Stromtankens kümmmern.

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Ein Vertrauter der Bundeskanzlerin soll ab Mittwoch die Mobilitätskommission der Bundesregierung leiten. Ex-SAP-Chef Henning Kagermann muss mit dem neuen Gremium bis Jahresende einen Klimaschutzplan entwerfen.

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

In dem neuen Format soll es über den Ausbau der Elektromobilität auch um neue Mobilitätsformen gehen. Ziel sei es, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft Maßnahmen entwickeln zu lassen, die auch zukünftig eine bezahlbare, nachhaltige und klimafreundliche Mobilität sicherstellen, heißt es in Regierungskreisen.

Umweltverbände knüpfen ihre Teilnahme allerdings an Bedingungen. "Bevor die Arbeit einer Mobilitätskommission beginnt, müssen die grundsätzlichen Ziele klar sein", sagt BUND-Chef Hubert Weiger. Man erwarte zum Start ein Bekenntnis der Regierung zum Klimaziel für den Verkehr von minus 40 bis 42 Prozent CO2-Ausstoß bis 2030.

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