Wiedereinstieg ins Berufsleben:Mit Frauen gegen den Fachkräftemangel

Frauen technische Berufe

Elf Unternehmen werben damit, dass man bei ihnen Job und Familie besonders gut vereinbaren kann.

(Foto: Christian Vorhofer/imago)

In München und der Region fehlen 71 000 Fachkräfte. Manche Firmen fangen deswegen an, gezielter Frauen anzuwerben, die zurück in den Beruf wollen.

Von Pia Ratzesberger

Anna Kyeremeh hat um die zwanzig, dreißig Bewerbungen eingesammelt. Aber das wird nicht reichen. Die Personalreferentin steht an einem kleinen Tisch in der Kapuzinerstraße 30, hinter ihr die Zettel mit den Stellen. Vor ihr die Bewerberinnen. Ihre Firma hat gerade etwa 300 Stellen ausgeschrieben - und hinter diesen Stellen verbergen sich noch viel mehr Jobs, denn bei manchen Ausschreibungen werden gleich mehrere Leute gesucht. Sie brauche in allen Bereichen Mitarbeiter, sagt Kyeremeh, ob beim Kundenservice, bei den Finanzen oder im Management. Deshalb ist sie hergekommen. Sie hofft, dass einige der Frauen, die wieder anfangen wollen zu arbeiten, vielleicht bei ihrer Firma anfangen.

In München und der Region fehlten zuletzt 71 000 Fachkräfte, deshalb müssen sich die Unternehmen jetzt auch um Gruppen bemühen, die sie bisher vernachlässigt haben - zum Beispiel Frauen, die eine längere Pause gemacht haben. Eine halbe Million Frauen arbeiten in der Stadt und im Landkreis München, das sind fast 30 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Gleichzeitig aber suchen 18 300 Frauen derzeit eine Arbeit, und von ihnen sind etwa hundert an diesem Vormittag in die Arbeitsagentur gekommen, um sich Firmen vorzustellen. Manche haben ein Jahr pausiert, andere neun Jahre. Jetzt wollen sie wieder zurück ins Berufsleben.

Die elf Unternehmen im Foyer werben damit, dass man bei ihnen den Job und die Familie besonders gut vereinbaren könne. "Wir können es uns nicht mehr leisten, auf diese Gruppe der Rückkehrerinnen zu verzichten", sagt Anna Kyeremeh, die Personalreferentin von Check24, einem großen Vergleichsportal im Internet, das seine Zentrale an der Donnersbergerbrücke hat. Wie viele Leute dort arbeiten, will ein Sprecher des Unternehmens "aus Wettbewerbsgründen" nicht sagen. Nur so viel: In München seien kaum noch Mitarbeiter zu bekommen, auch deshalb habe man mittlerweile 13 Standorte im ganzen Land - weil man in der Stadt München leider kaum noch wachsen könne.

Ein paar Meter weiter hat die Firma Isarland einen Stand aufgebaut, sie sucht unter anderem Mitarbeiter zum Zusammenpacken ihrer Ökokisten. Gegenüber steht Thomas Seidl, er sucht Leute für seinen Schuhladen. Gerade hat eine alleinerziehende Mutter ihre Bewerbung abgegeben, die könne zwar nur vormittags, aber Seidl sagt, das sei dank des Onlinehandels kein Problem mehr. Viele Bestellungen kämen am Abend rein und dann sei am nächsten Morgen genug zu tun. "Die Chancen für die Berufsrückkehrer waren selten so gut wie heute", sagt Wilfried Hüntelmann, der Chef der Münchner Arbeitsagentur. Noch immer sind es vor allem Frauen, die ihre Arbeit unterbrechen, um sich um die Kinder zu kümmern oder um die Pflege der Eltern. Derzeit arbeiten in München 258 000 Menschen in Teilzeit. Mehr als 70 Prozent davon sind Frauen, weniger als 30 Prozent Männer.

An dem Stand von Check24 gibt gerade eine Frau ihre Bewerbungsmappe ab, die wie viele an diesem Tag ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie ist 39 Jahre alt, hat elf Jahre in London gelebt und zuletzt ein Team im Einkauf eines großen Kosmetikunternehmens geleitet. Sie hat zwei Töchter und wegen ihnen die vergangenen vier Jahre nicht mehr gearbeitet. Man verliere schnell sein Selbstbewusstsein, sagt sie. Man vergesse, dass man auch während der Zeit mit den Kindern lerne und sich weiterentwickele, da einem die Gesellschaft spiegele, dass man doch sowieso nur zu Hause sitze. Eine andere Frau, 43 Jahre alt, sagt, auch wenn sie gerne eine Vollzeitstelle hätte, könne sie nur eine in Teilzeit annehmen. Ihr Mann sei schon so viel beruflich unterwegs, sie kümmere sich deshalb vor allem um die zwei Kinder.

Am Stand von Check24 heißt es, das sei kein Problem, man biete Vollzeit und Teilzeit an. Am Stand vom Isarland, heißt es, man könne Stellen für 10,5 Stunden in der Woche anbieten oder für 35 Stunden. Auch das sei kein Problem.

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