Umweltschutz:Die meistfotografierten Mülleimer Thailands

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Mülltrennung in der Stadt Nan. (Foto: Monika Maier-Albang)

In allen Nationalparks des Landes ist Plastik künftig verboten. Im Norden des Landes üben die Einheimischen schon mal.

Von Monika Maier-Albang

Auf den Berg zu kommen, ist ganz leicht. Mit dem Auto die Serpentinen hoch. Die Ranger sind dann so nett und nehmen die Gäste im Jeep mit bis auf die Spitze zum Aussichtspunkt und zum Buddha. Europäer sehen sie hier selten, nur manchmal kommen Rucksackreisende in den Nationalpark Phu Ruea. Weil er abseits liegt im Norden Thailands, fast schon an der Grenze zu Laos. Und weil er wenig zu bieten hat aus Sicht des Ferngereisten. Keine goldverzierten Tempel, keine Elefanten, keine Bars. Und doch ist der Park an den Wochenenden überfüllt, in den Ferien sowieso. Die Thailänder machen hier Urlaub. Sie lieben die frische Luft auf 1300 Meter im Sommer, wo das große Gipfelthermometer gerade bei erfrischenden 33 Grad steht. Im Winter kriechen sie frühmorgens aus dem Zelt, um zu sehen, wie sich der Nebel als zarte Eisschicht übers Gras gelegt hat. Der Gipfel des Phu Ruea gilt als kältester Ort Thailands. Und bald wird er auch zu den saubersten zählen. Denn künftig darf in keinen der 154 Nationalparks des Landes Einweg-Plastik oder Styropor mitgebracht werden.

Wie die Anordnung tatsächlich umgesetzt wird, muss sich zeigen. Zumindest der Wille aber ist da - er kommt von ganz oben. Die Nationalpark-Verwaltung hatte den Plastik-Bann im Juni angekündigt. Damals war im Süden des Landes, nahe der Grenze zu Malaysia, ein Grindwal verendet. In seinem Magen fanden sich acht Kilo Plastik, allein 80 Einkaufstüten. Am 12. August trat das neue Gesetz in Kraft.

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(Foto: Monika Maier-Albang)

Essen ist wichtig in Thailand. Am Wochenende trifft sich halb Nan zum Picknick vor dem Wat Phumin. Plastiktüten sind hier noch nicht verboten, aber zumindest gibt es Sammelstellen.

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(Foto: Monika Maier-Albang)

Ploenchit Poungcharoen hat in der Provinzhauptstadt Nan eine Nachbarschaftsinitiative gegründet. Gebrauchtes Plastik wird hier zu Tempelschmuck verarbeitet.

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(Foto: Monika Maier-Albang)

Auch im Markt von Nan fangen die ersten Stände an, Müll zu trennen und Styropor zu vermeiden.

Nicht nur die Urlauber, auch die Thailänder werden sich also künftig umstellen müssen. In den hohen Norden kommen bislang vor allem Einheimische. Die Thailänder besuchen dort die wie Pilze mit Häubchen in den Himmel ragenden Sandsteinformationen von Phae Mueang, die Höhlenzeichnungen von Phu Phrabat oder das Vongburi House, ein rosa-weißer Traum vom europäisierten Luxusleben, wie ihn die Teakbarone im 19. Jahrhundert ausleben durften. Sie bestaunen die alten, aus Holz geschnitzten Geistermasken in Dan Sai. Und natürlich fahren sie nach Chiang Khan, dem Dorf, in dem die Menschen noch vor einer Generation davon gelebt haben, dass sie warme Bettdecken herstellten, die mit Samenfasern, Kapok, gefüllt wurden. Heute vermietet der Großteil Zimmer, ein paar der alten Holzhäuser gibt es noch, die meisten aber sind Boutique-Hotels gewichen, die im Stil der Holzbauten gehalten sind, nur eben jetzt designte Bäder haben - und ein Café dabei. Das ist wichtig. Wenn die jungen Leute aus Bangkok in den Norden fahren, aufs Land, dann wollen sie zwei Sachen: auf ihren vertrauten, unglaublich süßen Eiskaffee nicht verzichten müssen. Und den Mekong sehen, den Sehnsuchtsfluss.

Im Sommer ist der Grenzfluss ein braunes Monster, das nach jedem heftigen Regen in der Nacht Baumstämme und manchmal auch ertrunkenes Vieh mit sich führt. Der Kaffee schmeckt verlässlich das ganze Jahr über gleich. Und er kommt, auch das ist sicher, im Plastikbecher. Mit Plastikhäubchen. Mit Plastikstrohhalm. Und, wenn man ihn mitnehmen möchte, kommt er in einen Tragegurt. Aus Plastik. Beim Kaffee, das muss man sagen, sind sie in Chiang Khan so achtlos wie in Bangkok. Ihnen fehlt hier einfach jemand wie Ploenchit Poungcharoen, eine Macherin.

Frau Poungcharoen trifft man in Nan, einer Stadt noch weiter nördlich. Wie eine Aktivistin sieht die 66-Jährige nicht aus, wie eine feine Dame eher. Sie hatte einen Leitungsposten in der Bezirksverwaltung, bevor sie in Rente ging. "Es war ja ein Drama mit all dem Plastikmüll, der die Tonnen verstopft hat", sagt Ploenchit Poungcharoen. "Immer gab es Streit zwischen den Nachbarn." Müssen sich doch mehrere Familien die Tonne teilen, in die alles kommt. Mülltrennung, Wertstoffhöfe, das kennen sie hier nur vom Hörensagen. Es war also Selbsthilfe gefragt. Poungcharoen organisierte eine Bürgerversammlung: Was tun mit all dem Plastikmüll? Entstanden ist daraus eine Basis-Initiative, an der sich mittlerweile so gut wie alle Familien des Viertels Maha Pod beteiligen.

Sie haben eine Sammelstelle eingerichtet, freiwillige Helfer nehmen leere Wasserflaschen, Weichspülertüten, Milchverpackungen entgegen. "Der Müll ist eine Spende", sagt Poungcharoen. Die Helfer säubern ihn, verkaufen das Plastik an Recyclingunternehmen, die Einnahmen kommen auf die Bank - und der Gemeinschaft zugute, wenn jemand erkrankt oder die Beerdigung des Vaters nicht aus eigener Kraft finanzieren kann. Aus dem Aluminium der Flaschendeckel werden Prothesen hergestellt, aus besonders schönen bunten Tüten basteln die Rentnerinnen des Ortes Altarschmuck. Alte Lose werden gefaltet und an Räucherstäbchen gebunden. Sie sollen wenigstens den Toten noch Glück bringen.

Es ist sicher kein Zufall, dass die Mülltrennungsinitiative in der Provinzhauptstadt Nan entstanden ist. Die Stadt, in der in frühen Jahrhunderten Thailänder und Birmanen um die Vorherrschaft rangen, will heute ein Vorreiter sein in Sachen Umweltfreundlichkeit. Alle größeren Hotels verleihen kostenlos Räder. Es gibt Fahrradwege, was eine Seltenheit ist in Asien. Und auch hier nicht einfach umzusetzen - die hohen Herrschaften vom Militär, das in Nan stationiert ist, parken in der Altstadt ihr Auto gern nah am klimatisierten Restaurant. Da stören rot markierte Halteverbotszonen. Es gibt einen Shuttlebus, der Touristen durch die Stadt fährt, damit sie ihr Auto nicht benutzen. Wer mag, kann sich auch im Ochsenkarren durch die Reisfelder fahren lassen. Und man hat die Fahrradrikschas wiederbelebt. Denn was in Vietnam oder Laos alltäglich ist, dass die Menschen mit dem Rad zur Arbeit fahren, ist in Thailand mit dem Wohlstand aus der Mode gekommen. In Nan knubbeln sich zur Mittagszeit die Autos vor dem Schulgebäude genauso wie in München.

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"Radfahren gilt als altmodisch", sagt denn auch Suskun Pengdith, der regionale Leiter der Organisation Dasta. Die staatliche Agentur soll nachhaltigen Tourismus fördern; kein einfaches Unterfangen in dem Land, wo selbst im hohen Norden die Straßenränder gepflastert sind mit Autohändlern und modernen Tankstellen. Und wenn schon die Einheimischen es nicht mehr tun, will man doch zumindest die Touristen zurück aufs Rad locken. Nach Nan kommen viele Thailänder, das ganze Jahr über. In Nan steht praktisch an jeder Straßenkreuzung ein Wat, eine buddhistische Tempelanlage. Das ist praktisch, wenn man daran glaubt, dass der Besuch dreier Wats an einem Tag Glück bringt.

120 Hotels gibt es in der Stadt, fast alle haben sich der Dasta-Nachhaltigkeitsinitiative angeschlossen. Wer sich besonders bemüht, steigt in den Kategorien Bronze, Silber, Gold in die höchste auf. Juntira Chimsukserm rangiert mit ihrem Boutique-Hotel "Nan" hier schon lange. Vor zehn Jahren wurde das Hotel gebaut - gleich so, dass die großen Fenster Richtung Norden ausgerichtet sind. Nicht die Kälte, die Sonne ist hier das Problem. Damit die Gäste die Klimaanlage weniger benutzen, hat man Bäume gepflanzt, die mit ihrem Schatten verhindern, dass sich die Zimmer aufheizen. Wäsche wird prinzipiell luftgetrocknet, Müll akribisch getrennt, der organische Abfall kompostiert, das alte Fett zu Waschmittel aufbereitet. Alle Artikel fürs Bad - Shampoo, Seife, Duschgel - lässt Chimsukserm im Nachbardorf aus Pflanzen herstellen. Die Gäste füllen sich ihr Wasser an der Rezeption ab, Plastik wird vermieden, wo es geht. Sogar die Mülleimer im Bad sind nur mit Papier ausgekleidet. "Das war am Anfang das größte Problem", sagt Chimsukserm, "die Gäste dachten, dass sei unsauber." Inzwischen weise man auf der Webseite darauf hin, dass die Behältnisse akkurat gesäubert würden - und warum man sich so verhalte. "Die Gäste verstehen jetzt, dass wir die Umwelt schützen wollen. Und dass dazu gehört, Plastik zu vermeiden."

Selbst auf dem Markt findet man Stände, die sich der Anti-Plastik-Initiative angeschlossen haben. Gleich vorne lassen sich die Leute bei "Wandas Thaifood" Reis und Saté-Spieße einpacken - in Boxen, die aus Zuckerrohr-Fasern gefertigt sind. Und wenn am Wochenende halb Nan zum Abendmarkt auf die Phakong-Straße kommt, um nebenan zu picknicken, mit Blick auf das erleuchtete Wat Phumin, stehen Eimer zur Mülltrennung bereit, samt Helfern. Viele der thailändischen Urlauber blicken staunend auf die Anleitung zum Trennen von Essensabfällen, Glas und Plastik - und nehmen erst mal das Handy zur Hand. Vermutlich sind die Eimer von Nan die meistfotografierten Thailands.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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