SPD:Zwei Enttäuschte

Der Streit zwischen SPD-Parteichefin Nahles und der bayerischen Spitzenkandidatin Kohnen offenbart, wie verzweifelt beide - jede für sich - gegen den drohenden Untergang kämpfen.

Kommentar von Mike Szymanski, Berlin

Was die Neuauflage von Schwarz-Rot der SPD gebracht hat? Nichts als Ärger. Besonders in Bayern ist der Schaden beträchtlich und wenige Wochen vor der Landtagswahl für alle ungeschönt zu inspizieren. Die Spitzenkandidatin der Bayern-SPD, Natascha Kohnen, hat die Nerven verloren. Die 50-Jährige macht Wahlkampf gegen Andrea Nahles und die Genossen in Berlin: SPD gegen SPD - sie kann nur verlieren.

Der Streit wirft ein Schlaglicht auf das Verhältnis zweier Frauen zueinander, die - jede für sich - verzweifelt gegen den drohenden Untergang kämpfen. Im Fall der Beförderung des umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, die Andrea Nahles zwar für falsch hält, aber billigt, will Kohnen die Konfrontation mit den Koalitionspartnern und die SPD-Chefin lieber den Frieden. Nahles wie Kohnen geht es auch jetzt schon darum, möglichst viel Verantwortung für das drohende Debakel bei der Landtagswahl beim jeweils anderen abzuladen.

Die Bayernwahl am 14. Oktober ist der erste Entscheid, den Nahles nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden mitzuverantworten hat. Zwei Wochen später wird in Hessen gewählt. In Bayern kämpft die SPD dagegen an, nur noch viertstärkste Kraft im Land zu werden - hinter CSU, Grünen und AfD. In Hessen könnte sich die SPD immerhin als Partner in der großen Koalition in die Regierung retten. Die SPD kalkuliert eiskalt, wo es sich für die Bundesspitze überhaupt noch lohnt, richtig viel Kraft zu investieren. In Bayern offenbar nicht.

Für Nahles ist Kohnen eine Enttäuschung

Dass die Parteizentrale in Berlin die Bayernwahl insgeheim schon als verloren abgeschrieben hat, wurde neulich klar: Obwohl im Freistaat wie auch in Hessen gleichermaßen die Frage des bezahlbaren Wohnens im Mittelpunkt steht, wählte Nahles den Spitzenkandidaten in Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel, um gemeinsam mit ihm weiterreichende Initiativen wie etwa den Mietpreisstopp vorzustellen. Kohnen dürfte sich damals gleich doppelt brüskiert gefühlt haben, leitet sie doch die neue "Kommission für bezahlbaren Wohnraum und soziale Bodenpolitik" der Bundes-SPD.

Wenn Kohnen fehlenden Rückenwind aus Berlin für ihre Kampagne im Freistaat beklagt, dann liegt sie damit nicht ganz falsch. Mit dem Bruch der Regierung im Bund zu spielen, bringt wiederum Nahles in größte Not und fällt allemal leichter, wenn man nach Jahrzehnten in der Opposition vom Regieren regelrecht entwöhnt worden ist.

Dabei ist es keinesfalls so, dass die Welt in Bayern für die Sozialdemokraten in Ordnung wäre, wenn sie im Bund nicht an die CSU gefesselt wäre. Die Probleme liegen auch bei der Bayern-SPD selbst. Kohnen ist zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden befördert worden. Dies geschah in der Erwartung, dass sie dadurch bekannter wird. Wenn es aber nicht um Bayern geht, scheut Kohnen die Bühne. Für Nahles ist Kohnen eine Enttäuschung. Die SPD vermag aus der historischen Krise der CSU absolut keinen Profit zu ziehen. Das muss man erst einmal fertigbringen. Nahles kann auch wenig dafür, dass erfolgreiche Lokalpolitiker wie Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly sich nicht stärker von der Landespartei in die Pflicht nehmen lassen. Sie kann am wenigsten dafür, dass sich ihre Bayern entschieden haben, Wahlkampf für ein liberales Großstadtpublikum zu führen. Nur, dort kommen die Grünen besser an. Die haben auch begriffen: Streitende wählt niemand gern.

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