Frauen:Das Matilda-Problem

Frauen: Die Französin Sylvie Paycha lehrt Mathematik an der Universität Potsdam.

Die Französin Sylvie Paycha lehrt Mathematik an der Universität Potsdam.

(Foto: Annette Mück/Heidelberg Laureate Forum)

Mathematikerinnen sind immer noch eine Seltenheit. Viele scheuen die Unsicherheiten einer akademischen Karriere, Forschungsergebnisse werden oft den Männern zugerechnet. Dass es aber spannende Frauen in der Branche gibt, zeigt eine Ausstellung.

Von Johanna Pfund

Der Blick auf die Liste der 33 Laureaten, die diese Woche in Heidelberg zu Gast sind, ist ernüchternd: Keine einzige Frau ist darunter. Weder bei den Informatikern, noch bei den Mathematikern. Zwar gibt es preisgekrönte Frauen, aber nur sehr, sehr wenige. Ein Grund ist der, dass es an weiblichen Vorbildern fehlt. Zumindest in diesem Punkt schafft das Heidelberg Laureate Forum Abhilfe: Noch bis Donnerstag zeigt es in der Alten Universität die Ausstellung "Women of Mathematics Throughout Europa", eine beeindruckende Porträtgalerie von 13 Frauen, die in der Männerdomäne Mathe ihren Weg gegangen sind.

Die Initiatorin Sylvie Paycha ist selbst Mathematik-Professorin an der Universität Potsdam. Wie sie zu dem Projekt kam, berichtet sie bei der Eröffnung: Vor einigen Jahren wurde sie gefragt, ob sie bei einer Tagung nicht etwas zu Frauen und Mathematik erzählen könnte. "Ich zögerte, denn ich bin keine Soziologin", erzählt Paycha. Und dann kam ihr die Idee, einfach Kolleginnen anzumailen und deren subjektive Erfahrungen zu bündeln. Daraus wurde ein Vortrag - und letztlich die Ausstellung und ein Buch. Paycha und die Fotografin Noel Tovia Matoff haben dafür sehr persönliche Biografien zusammengetragen.

Da ist die Schweizerin Karin Baur, die in Graz lehrt. Ihre Einschätzung: "Viele Frauen haben das Gefühl, dass eine wissenschaftliche Karriere mit der Familie nicht machbar ist." Und wie Paycha sieht Baur auch, dass es jungen Wissenschaftlerinnen oft an Selbstvertrauen mangelt. "Mathematik ist ein sehr kompetitives Gebiet", sagt Paycha. Und viele Frauen wollten sich da nicht durchkämpfen. An mathematischem Verständnis fehle es hingegen nicht, da sind sich Baur und Paycha einig. "Jede Person denkt anders, und auf das Denken kommt es in der Mathematik an", sagt Paycha. Gleich, ob Frau oder Mann.

Mutig findet Dušanka Perišić aus Novi Sad, eine der porträtierten Frauen, die Ausstellung. Sie ist der Mathematik trotz der Kriegswirren in Serbien treu geblieben, hat geforscht, gelehrt, und versucht, die Familie im Krieg am Leben zu halten. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Aber, es hat sich etwas geändert, erzählt sie: Es gibt nun weniger Frauen im Lehrkörper.

Auch die Unsicherheiten einer akademischen Karriere halten Frauen oft von der Wissenschaft fern, berichtet Willi Jäger, emeritierter Professor für Angewandte Mathematik in Heidelberg. "Ich habe immer versucht ihnen Mut zu machen", erzählt er beim Rundgang. Aber auch die viel zitierte gläserne Decke habe die Karriere mancher Mathematikerinnen verhindert.

Die gläserne Decke ist das eine Problem, der Matilda-Effekt - das bewusste Verdrängen der Leistung von Wissenschaftlerinnen - das andere, wie Sylvie Paycha betont. Erst vor wenigen Wochen hat die britische Radioastronomin Jocelyn Bell Burnell den Special Fundamental Physics Prize erhalten. Ein später Lohn dafür, dass sie zwar 1967 zusammen mit Antony Hewish als erste einen Neutronenstern in Form des ersten beobachteten Pulsars entdeckt hat, aber beim Nobelpreis 1974 leer ausging. Hewish bekam ihn.

Und die Informatikerinnen? Eine Ausstellung soll folgen. Christine Regitz, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Informatik, kündigt an, dass sie schon mal nach Protagonistinnen suchen wird. Und vielleicht wird es in der Welt der Zahlen mal wieder eine neue Preisträgerin geben.

Weitere Info: http://womeninmath.net/

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