Lebensversicherung:Fitte Kunden, volle Kassen

Lifestyle photo of Fitbit Charge 3

Wer regelmäßig Sport treibt, muss bei einigen Versicherern weniger Beitrag zahlen – eine umstrittene Strategie.

(Foto: oh)
  • Der US-Lebensversicherer John Hancock nimmt von 2019 an alle Kunden, die eine Lebensversicherung bei ihm abschließen, automatisch in das "Vitality-Programm" auf.
  • Mithilfe einer App können sie dort bestimmte Fitnessziele verfolgen und so weniger zahlen.

Von Herbert Fromme, Köln

Die Daten sind beeindruckend. Die Kunden des US-Lebensversicherers John Hancock, die sich in das Gesundheitsförderprogramm Vitality eingeschrieben haben, gehen jeden Tag doppelt so viele Schritte wie der durchschnittliche Amerikaner. Vitality-Kunden leben angeblich 13 bis 21 Jahre länger als andere. Und die Kosten für Krankenhausaufenthalte sind bei ihnen 30 Prozent niedriger.

Diese Zahlen nennt der Lebensversicherer als Grund dafür, dass er ab 2019 alle Kunden, die eine Lebensversicherung bei ihm abschließen, automatisch in das Vitality-Programm aufnimmt. Sie haben damit Zugang zu speziellen Fitness- und Ernährungs-Webseiten und können mit Hilfe einer App Ziele verfolgen - wie das Erreichen einer bestimmten Schrittzahl. Bei Erfolg erhalten sie Rabatte bei Amazon und anderen Einzelhändlern. Wer zwei Dollar mehr im Monat ausgibt, kann sich mit der Plus-Variante des Programms bis zu 15 Prozent niedrigere Prämien erlaufen, eine Apple-Watch für 25 Dollar kaufen und viele Rabatte erzielen.

Belohnt werden Fitness-Aktivitäten, der Einkauf als gesund geltender Lebensmittel und reguläre Check-up-Termine beim Arzt. Daten sendet der Kunde per Apple Watch oder Fitbit-App digital, John Hancock ermittelt einen Punktestand. Dabei gehe es nicht darum, nur gesunde, fitte Kunden zu gewinnen, behauptet die Gesellschaft. Wer weniger gesund sei und im Jahr 2000 Dollar an Prämie zahlen müsse, könne 300 Dollar sparen, bei gesünderen Kunden seien es nur 120 Dollar bei einer Prämie von 800 Dollar.

"Vitality"-Programm

In Deutschland bietet Generali seit 2016 einen Vitality-Tarif an. Nutzerzahlen nennt das Unternehmen nicht. "Es läuft gut", sagt ein Sprecher nur. Damals gab es heftige Proteste. Politiker, Experten, Schriftsteller und andere Versicherer äußerten sich meistens negativ. Von Überwachung durch den Versicherer und Ausgrenzung von Kranken war die Rede.

Vitality wurde vom südafrikanischen Versicherer Discovery entwickelt, Generali und John Hancock nutzen das Programm unter Lizenz. Der Rückversicherer Hannover Rück vermarktet es weltweit. Die Gesellschaft sammelt auch Daten über die Wirkung. Der Haupteffekt: Vitality ist vor allem attraktiv für Kunden, die ohnehin gesünder leben. Auf diese Gruppe zielt John Hancock. Die Hannover Rück spricht von "positiver Antiselektion".

Vitality wirkt deshalb für den Versicherer schon, wenn ein Mitglied überhaupt keinen einzigen Fitnesspunkt sammelt. Wenn die normale Sterblichkeit einer Gruppe 100 ist, ist sie bei Vitality-Versicherten ohne jeden Punktestand nur 80 Prozent, hat der Rückversicherer aufgrund von Discovery-Daten errechnet. Denn es versichern sich in dem Programm eher Menschen, die ohnehin eine bessere durchschnittliche Sterblichkeit haben.

Für die Versicherten, die als Vitality-Mitglieder laufen, schwimmen und radfahren und sich so einen bestimmten Punktestand sichern, kann Discovery eine noch geringere Sterblichkeit nachweisen - für die höchsten Stufen der Mitgliedschaft liegt sie bei unter 50 Prozent des normalen Wertes. Wer sich also abstrampelt und 15 Prozent Beitragsnachlass erreicht, hat bestimmt viel für seine Gesundheit getan - der Versicherer verdient aber erst recht gut an ihm. Er kann 20 Prozent der Prämie als zusätzlichen Gewinn verbuchen. Discovery in Südafrika bietet die Policen für 90 Prozent des normalen Preises an und macht trotzdem noch einen zusätzlichen Gewinn von zehn Prozent der Prämie, hat die Hannover Rück errechnet. Fitness lohnt sich.

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