Landtagswahl in Bayern:Grillwürstel und Alltagssorgen

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Prominente Wahlkämpfer für die CSU: der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber (Mitte) mit Digitalminister Georg Eisenreich (links) und Münchens Bürgermeister Josef Schmid. (Foto: Stephan Rumpf)

Im südwestlichen Stimmkreis Hadern hat es die SPD-Kandidatin Micky Wenngatz schwer gegen CSU-Staatsminister Georg Eisenreich. Grüne und Freie Wähler schicken junge Bewerber ins Rennen, die sich auf größerer politischer Bühne präsentieren können.

Von Melanie Staudinger

Beim fünften Anlauf klappt es. Die Sonne scheint, die Kohlen bleiben trocken und Micky Wenngatz kann ihr Afterworkgrillen durchziehen. Dieses Mal hat die SPD-Politikerin auf eine Wiese an der Herterichstraße geladen. Und anders als die vier Mal zuvor wird es nicht regnen. Es ist kein großes Fest. Zwei Biertische mit Bänken, ein Grill, ein paar Dutzend Würstchen in der Semmel und ein paar Genossen und Sympathisanten, die Redebedarf haben. Dringenden sogar. Zu Herrn Maaßen, Parteichefin Nahles und Horst Seehofer, der der SPD immer den Schwarzen Peter zuschiebt, wie die Grillgesellschaft findet. Keine erfreulichen Themen in Zeiten, die wenig Gutes verheißen für eine Partei, die Umfragen zufolge nur elf oder zwölf Prozent holen könnte bei der Landtagswahl am 14. Oktober.

Wenngatz glaubt fest daran, dass sich Beharrlichkeit auszahlen wird, nicht nur beim Grillen, sondern auch beim Kampf um Wähler. Es geht aufwärts, da ist sich die Frau, die 1984 in die SPD eingetreten ist und nach einem Ausflug in die Computerbranche nun als Referentin von Münchens Dritter Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) arbeitet, ganz sicher. Einfach hat sie es in ihrem Stimmkreis allerdings nicht gerade. Wenngatz kandidiert in Hadern, Sendling-Westpark, Fürstenried, Forstenried und dem östlichen Teil Laims - also in eher konservativ geprägten Stadtrandlagen - gegen den CSU-Staatsminister Georg Eisenreich.

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(Foto: Robert Haas)

Wahlkampf draußen: Micky Wenngatz beim Afterworkgrillen (SPD)...

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(Foto: Robert Haas)

...sowie Florian Siekmann (Grüne),...

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(Foto: Catherina Hess)

...Sabrina Böcking (FDP) und ...

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(Foto: Florian Peljak)

... Linus Springer (Freie Wähler).

Der hat dort nicht nur am Ludwigsgymnasium sein Abitur gemacht, sondern in den vergangenen 28 Jahren auch seine politische Karriere aufgebaut. Die führte ihn vom Orts- und Kreisvorsitz der CSU über den Stadtrat und die dreimalige Direktwahl in den Landtag zum Amt des Bildungsstaatssekretärs. Und sie fand im März in der Ernennung zum Staatsminister für Digitales, Medien und Europa ihren vorläufigen Höhepunkt. Gleichzeitig ist Eisenreich Söders Mann für die Stadt: Als München-Beauftragter soll er sich um ihre Belange kümmern. Bei der Wahl 2013 setzte Eisenreich sich deutlich gegen den damaligen SPD-Kandidaten Andreas Lotte durch. Dieses Mal dürfte eine Änderung im Zuschnitt des Stimmkreises zusätzlich helfen: Die SPD-Hochburg Schwanthalerhöhe ist dem neuen Stimmkreis Mitte zugefallen - das ist genau der Bezirk, in dem die CSU sich schwer getan hat.

Dazu kommt eine Besonderheit in dem Stadtviertel, das neben dem Klinikum in Großhadern vor allem dafür bekannt ist, dass es von der A 96 durchschnitten ist: Es eignet sich für junge Kandidaten, die ihre ersten politischen Gehversuche auf größerer Bühne unternehmen wollen. Der Münchner Südwesten wächst zwar, wie alle anderen Teile der Stadt. Dabei ist er aber unaufgeregt geblieben, in manchen Bereichen kleinstädtisch bis ländlich. Die Grünen schicken den 23-jährigen Studenten Florian Siekmann ins Rennen, die Freien Wähler den ebenfalls 23 Jahre alten Sportjournalisten Linus Springer und die FDP die Juristin Sabrina Böcking, die eben ihren 32. Geburtstag gefeiert hat. Siekmann zieht mit seinem Team von Haustür zu Haustür, Böcking wirft Flyer ein, Springer will die Freien Wähler überhaupt bekannt machen.

Die Kandidaten präsentieren sich an Infoständen, vor allem an den Zentren im Stimmkreis, am Partnachplatz und am Haderner Stern. Die Jungen wollen ebenso wie die erfahrenen Politiker mit den Wählern ins Gespräch kommen, Vertrauen zurückgewinnen, den Menschen zeigen, dass es nicht nur um Flüchtlinge und die AfD geht, sondern auch um bezahlbares Wohnen, gerechte Bildung und genügend Kita-Plätze. Große Chancen werden ihnen allerdings nicht eingeräumt, noch nicht.

Eisenreich könnte sich also zurücklehnen und seinen Aufgaben als Neu-Minister nachgehen. Doch das würde nicht passen zu dem 47-Jährigen, der sich regelmäßig mit Vereinsvertretern, Ehrenamtlichen und Schulleitern aus seinem Viertel zusammensetzt. Der auch nach vielen Wahlkämpfen noch Plakate klebt und am Infostand steht, wenn die Zeit es zwischen der Arbeit in der Staatskanzlei und den Wahlkampfauftritten in ganz Bayern zulässt. Der sich in Diskussionsrunden der Kritik der Basis stellt. "Das ist es doch, was Bayern ausmacht: dass die Menschen hier gemeinsam das Land voranbringen", sagt er.

An diesem Mittwoch besucht Eisenreich das Familienzentrum in der Blumenau: ein Raum in einer Ladenzeile an der Rolf-Pinegger-Straße mit Bällebad für die Kinder, Sitzmöbeln für die Eltern und einer Küche. Für mehr ist kein Platz. 3000 Besucher zählt Leiterin Andrea Streifeneder jedes Jahr. 70 Prozent haben einen Migrationshintergrund, sie stammen aus 64 Nationen. Eisenreich kennt das Zentrum, er war schon öfter hier, seine Frau hat dort einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Mehr als eine Stunde nimmt der Minister sich Zeit für die alltäglichen Probleme: dass die Spülmaschine schnell kaputtgehe, weil sie so oft in Betrieb sei. Dass man jetzt die Ausweise der Kinder überprüfe, bevor man den Raum für einen Kindergeburtstag vermiete, weil sich öfter Erwachsene entgegen der Regeln für eine Feier einmieten wollten. Dass man seit Monaten nach einem größeren Zuhause suche, bisher aber an den Vermietern gescheitert sei. Eisenreich verspricht zu vermitteln.

Danach fährt er zur Frauenunion. Die Bezirkstagskandidatinnen Birgit Hainz und Beate Meyer haben auf die Dachterrasse des Kare-Kraftwerks an der Drygalski-Allee geladen, ein Heimspiel für Eisenreich, den hier alle kennen. Zwei Dutzend Frauen und zwei männliche Zuschauer sitzen um einen langen Tisch und hören dem Politiker bei dem zu, was er wirklich gut beherrscht: auf den Punkt genau reden. Keine 20 Minuten braucht er, um das komplette Wahlprogramm der CSU präzise zu erklären, sich in deutlichen Worten von der AfD abzugrenzen, den "vorgespielten Konservatismus" der Grünen anzuprangern und die Entwicklung Bayerns zu loben. Das überzeugt die Parteimitglieder, die sich von einer Sache jedoch nicht abbringen lassen wollen. Sie stört, dass Ministerpräsident Markus Söder so schlecht rüberkomme in der Öffentlichkeit. Da müsse man doch was daran ändern. "Ich mag Kontroversen", wird Eisenreich später sagen. Solange sie sachlich blieben. Geduldig lässt er ein Erinnerungsfoto machen. Auch wenn sie "den Georg" hier kennen - Staatsminister sind nicht ständig zu Gast bei der Frauenunion in Hadern.

Wenngatz steht am Samstag am Partnachplatz. Sie geht auf die Menschen zu: "Ich bin Ihre Landtagskandidatin", sagt sie und drückt den Passanten eine Breze in die Hand. Den Politikern von der AfD, die gegenüber ihren Stand bezogen haben, hat die Vorsitzende von "München ist bunt", einem Verein der sich gegen Rassismus engagiert, nichts zu sagen, deren potenziellen Wählern schon. Wenngatz will mit Bildungspolitik punkten, mit kleineren Klassen und kostenfreien Kitas - die Menschen können auf einem Plakat am Boden abstimmen, wie sie dazu stehen. Man müsse weg von emotionalen Debatten hin zu Sachthemen, sagt die 58-Jährige. Das aber gelinge nur, wenn man klare Kante zeige.

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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