Ausgleichszahlung:Raus aus der Abhängigkeit

Ausgleichszahlung: Gemeinsam alt werden – das gelingt nicht immer. Umso wichtiger ist es, schon früh an die Vorsorge zu denken.

Gemeinsam alt werden – das gelingt nicht immer. Umso wichtiger ist es, schon früh an die Vorsorge zu denken.

(Foto: Hannah L /mauritius images)

Viele Frauen bekommen nur wenig Rente. Das lässt sich verbessern - wenn ihr Partner ihnen hilft, zusätzlich vorzusorgen. Sich auf eine gerechte Lösung zu verständigen, ist aber nicht leicht.

Von Felicitas Wilke

Als vor drei Jahren ihre gemeinsame Tochter auf die Welt kam, wollten Sarah Gruber und ihr Mann beide im Job kürzertreten. Jeder arbeitet 30 Stunden und hat nach Feierabend viel Zeit für die Familie, das klang für sie nach einem fairen und zeitgemäßen Lebensentwurf. Doch dann wurde ihr Mann befördert - ein Schritt, der sich bei ihr nicht abzeichnete. Weil Karriere in Teilzeit in vielen Berufen noch immer nicht funktioniert, landeten die beiden doch wieder beim klassischen Modell: Der Mann arbeitet Vollzeit, und Gruber, die in Wirklichkeit anders heißt, ist für 20 Stunden pro Woche bei einem Konzern in der Personalentwicklung beschäftigt.

In Deutschland sind rund drei Viertel aller Mütter erwerbstätig. Allerdings zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts, dass 69 Prozent dieser Frauen in Teilzeit arbeiten, während nur sechs Prozent der Väter mit minderjährigen Kindern ihre Arbeitszeit reduziert haben. Viele treffen diese Entscheidung bewusst, manche auch, weil es schon immer so war. Doch wer gar nicht oder wie Sarah Gruber nur tageweise arbeitet, sammelt weniger Rentenpunkte. So kommt es, dass die Frauen in Deutschland im Schnitt nur 47 Prozent der Rente der Männer ausgezahlt bekommen.

Obwohl sie auch in Teilzeit gut verdient, sorgte sich Sarah Gruber um ihre spätere Rente, als sie ihre Arbeitszeit halbierte. "Ich bekam Angst, sehenden Auges in die Abhängigkeit von meinem Mann zu rennen", sagt die 34-Jährige. Zwar werden im Fall einer Scheidung die Rentenansprüche, die während der Ehe erworben wurden, geteilt. Wer nicht lange oder gar nicht verheiratet war und kaum gearbeitet hat, profitiert vom Versorgungsausgleich jedoch kaum oder gar nicht. Um einem finanziellen Ungleichgewicht vorzubeugen, gibt es mehrere Möglichkeiten: Paare können die Erwerbstätigkeit und die Erziehungsarbeit in gleichen Teilen aufschlüsseln - oder der Partner, der Vollzeit arbeitet, entlohnt den Partner, der lediglich in Teilzeit erwerbstätig ist, damit er oder sie besser privat für später vorsorgen kann.

Wie hoch dieser Betrag ist, müssen Paare selbst entscheiden. Ein Anhaltspunkt können die Entgeltpunkte sein, die man als Mann oder Frau erhält, wenn man sich überwiegend um die Kindererziehung kümmert. Bei Geburten ab dem Jahr 1992 erhält ein Elternteil für bis zu 36 Monate lang Entgeltpunkte für die Rente angerechnet. Sie orientieren sich am aktuellen Durchschnittsverdienst aller gesetzlich Rentenversicherten, der momentan bei 38 873 Euro im Jahr liegt. Hat der erziehende Elternteil vorher mehr verdient und nimmt durch die Kindererziehung Einbußen für die Rente in Kauf, kann der andere Partner die Differenz oder einen Teil davon ausgleichen.

Es gibt angenehmere Gesprächsthemen als Geld in einer Partnerschaft

Ähnlich können Paare vorgehen, wenn die Frau oder der Mann wieder anfängt, in Teilzeit zu arbeiten. Die Ausgleichszahlung orientiert sich dann an den Rentenpunkten, die ihr oder ihm durch die Teilzeit vorenthalten bleiben. Auskunft über die Summe können die Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung geben. Unberücksichtigt bleibt bei der Rechnung, welche Gehaltssprünge dem Partner entgehen, weil er oder sie in Teilzeit keine Karrieresprünge macht. "Ein Karriereknick lässt sich nicht wirklich monetarisieren", sagt Constanze Hintze, die in München die auf Frauen spezialisierte Finanzberatung Svea Kuschel und Kolleginnen leitet.

Bei verheirateten Paaren liefert das Ehegattensplitting eine weitere mögliche Berechnungsgrundlage für eine Ausgleichszahlung. Arbeitet die Frau oder auch der Mann nach der Geburt des gemeinsamen Kindes gar nicht mehr oder in Teilzeit, ändern sich die Steuerklassen der beiden. Da der Staat bis heute Familien begünstigt, in denen ein Partner deutlich mehr verdient als der andere, hat der Hauptverdiener nun mehr Netto vom Brutto auf dem Gehaltszettel. "Das Gehaltsplus kann der besser verdienende Partner per Dauerauftrag an den schlechter verdienenden überweisen", sagt Hintze. Dieser Betrag kann zum Beispiel dazu dienen, monatlich einen ETF-Sparplan zu bedienen oder in die Riesterrente einzuzahlen. Bei Riester-Produkten profitieren Mütter von einer Kinderförderung, die bei 300 Euro pro Jahr und Kind liegt.

Für den vollzeitbeschäftigten Partner, meist den Mann, bedeutet das Modell der Ausgleichszahlung, auf Geld verzichten zu müssen. Und nicht nur für ihn: Unter Umständen muss die ganze Familie finanziell zurückstecken, wenn ein Teil des Haushaltseinkommens nicht für aktuell anstehende Ausgaben verwendet werden kann, sondern in die Zukunft investiert wird. "Aber wenn beide etwas für die Familie leisten, haben auch beide Anspruch auf eine Absicherung im Alter", sagt Hintze. "Familie ist ein gemeinsames Projekt."

Das fand auch Sarah Gruber, doch ihr Mann verstand ihre Sorgen anfangs nur bedingt. Denn er hatte eigene Sorgen: Während sie ihre Unabhängigkeit nicht verlieren wollte, litt er unter der Last, von nun an finanziell weitgehend allein für eine Familie verantwortlich zu sein.

Sarah Gruber und ihr Mann führten "schreckliche Gespräche", wie sie im Nachhinein lachend erzählen kann. Es half ihnen, die Perspektive zu wechseln und darüber nachzudenken, was sie tun würden, wenn sie in der Situation des jeweils anderen wären. Schließlich fanden die beiden eine gemeinsame Lösung. Jeden Monat stecken sie ein knappes Drittel ihres Haushaltseinkommens in ein Wertpapierdepot, das zum Großteil passive Indexfonds (ETFs) enthält. Sollten sich die beiden trennen, erhält sie 70 Prozent der Anteile, ihm bleiben 30 Prozent. "Das wäre sozusagen mein Ausgleich dafür, dass ich den Großteil der Care-Arbeit übernommen habe", sagt Gruber.

Je nachdem, wie viele Stunden beide Partner erwerbstätig sind, je nach entgangenem Verdienst und entgangener Möglichkeit, privat vorzusorgen, lassen sich die Zahlen variieren.

Für Natascha Wegelin, die als Madame Moneypenny über die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen bloggt, ist die Ausgleichszahlung nicht nur sinnvoll, um Frauen für den Fall der Scheidung abzusichern. "Auch wenn die Beziehung hält, macht es für das eigene Wertgefühl einen großen Unterschied, ob ich später eine Rente von 500 Euro oder von 1500 Euro habe und ob ich meinen Mann nach Geld fragen muss oder nicht", sagt sie. Es gibt angenehmere Gesprächsthemen als Geld in einer Partnerschaft. Trotzdem rät Wegelin allen Frauen - oder auch Männern -, die beruflich zurückstecken, mit ihrem Partner über einen finanziellen Ausgleich zu sprechen. "Frauen sollten nicht darauf warten, dass ihr Mann ihnen einen solchen Ausgleich aktiv anbietet, sondern selbst das Gespräch suchen", sagt Wegelin. Sie rät, sich notfalls sogar professionelle Hilfe durch einen Coach zu suchen.

Und dann gibt es da auch noch eine weitere Möglichkeit: Beide Partner teilen sich Job und Familie gleichberechtigt auf. Wenn beide vorübergehend ihre Arbeitszeit reduzieren, entsteht ein finanzielles Ungleichgewicht gar nicht erst. Auch für Sarah Gruber ist es kein Naturgesetz, dass sie als Frau Teilzeit arbeitet. "Es ist realistisch, dass sich unser Modell in den nächsten Jahren umdrehen wird", sagt sie. Dann werden sie und ihr Mann aufs Neue verhandeln müssen, wem im Fall der Fälle welcher Prozentsatz der privaten Altersvorsorge zusteht. Doch inzwischen wissen die beiden, dass sie auch unangenehme Gespräche meistern können.

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