Bühne:Käthchen ist kein Mädchen

Bühne: Eigentlich wäre es doch viel schöner, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, statt sich mit 15 schon an einen Mann zu binden, merkt Inga Behring als "Käthchen von Heilbronn".

Eigentlich wäre es doch viel schöner, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, statt sich mit 15 schon an einen Mann zu binden, merkt Inga Behring als "Käthchen von Heilbronn".

(Foto: Jochen Quast)

Regisseurin Julia Prechsl entstaubt Kleists Klassiker am Theater Regensburg und macht aus der Ritterschmonzette einen kraftvollen, fast feministischen Abend

Von Andreas Eberhard

Was macht man bloß heute mit so einem Stück? Zwei junge Menschen, die sich nie begegnet sind, träumen den selben Traum und wissen fortan, dass sie füreinander gemacht sind. Aber wegen der Standesunterschiede denkt Graf Friedrich vom Strahl nicht daran, das engelsgleiche Käthchen von Heilbronn zu heiraten. Sie folgt ihm dennoch, schlafwandlerisch treu, überallhin, schläft im Stroh bei den Pferden, um an seiner Seite zu sein. Der Graf muss erst Schiffbruch - beziehungsweise Schlossbrand - mit der Falschen erleiden, bis die erlösende Nachricht kommt: Käthchen ist ein uneheliches Kind des Kaisers. Ein Glück! Der Heirat - dem Lauf des Schicksals - steht nichts mehr im Wege.

Nicht ganz ohne Grund schrieb der Schriftsteller Helmut Krausser in der FAZ über Kleists Ritterschauspiel, er habe nicht die leiseste Ahnung, warum man einem jungen Leser von heute empfehlen sollte, sich mit solch "durchgeknalltem Schund" zu befassen.

Die junge Regisseurin Julia Prechsl hat sich des Stücks dennoch angenommen und präsentiert ihre Inszenierung zur Spielzeiteröffnung des Theaters Regensburg. Ihr Weg, mit dem Gemisch aus Schauermärchen, vorgestriger Männerfantasie von weiblicher Reinheit und obskurer Esoterik umzugehen: Um Käthchens Liebe, die sie ernst nimmt, herum dreht sie das Stück auf links. Dadurch wird vor allem aus dem Ritterdrama eine Parodie, eine gelungene: Zum Lachen, wie unvermittelt sich der Graf in die Ritterbrust wirft, um - unwissentlich - das Fräulein Kunigunde, eigentlich seine politische Widersacherin, aus den Fängen des von Guido Wachter sympathisch-dumpfbackig gespielten Burggrafen von Freiburg zu befreien.

Jonas Hackmann spielt die männliche Hauptrolle mal ernsthaft verzweifelt, mal als Jammerlappen im strassbesetzten Einteiler, mal donquijotehaft verblendet. Wie Strahls treuer Diener Gottschalk (Thomas Weber) mit einem wabbeligen Blech auf der Bühne für dramatischen Donner sorgt, erinnert an die Ritter der Kokosnuss. Und Käthchens alter Vater (Gerhard Hermann) wirkt in seiner Sorge um die Tochter vor allem wehleidig.

Dass Käthchen selbst eine wirklich aktive Rolle spielt, gibt Kleists Vorlage allerdings schlicht kaum her. Daher hat Schauspielerin Inga Behring keine ganz leichte Aufgabe, die Figur gegen den Strich zu bürsten. Sie kommt dem mit einer zuweilen fast komisch breitbeinigen Präsenz nach, spricht ihren Text mal trotzig ironisch, mal wütend, manchmal auch prollig. Trotzdem berührt die kompromisslose Liebe ihres Käthchens. So macht sie ihre Bühnenfigur zu einer Mischung, die einem aus der Gegenwart gar nicht unbekannt vorkommt: Ein Mädchen in der Pubertät - Kleists Figur ist ja auch gerade einmal 15 - das eine moderne, gleichberechtigte, erwachsene Beziehung will, in der aber auch ein heimliches Stück Prinzessin-Sehnsucht steckt. Dass sie, prägnant geschminkt, mit Halskrause und meterlangem Zopf, aussieht wie eine halb futuristische, halb mittelalterliche Ninja-Pop-Fee, passt dazu ziemlich gut.

Ernst nimmt die Inszenierung auch die in Kleists Stück angelegte Verachtung für alles Papierne, wo einzig die schicksalhafte Liebe zählt. Die Briefe, Verträge und Konventionen der Politik helfen hier nicht weiter. Das wird auch im Bühnenbild (Birgit Leitzinger) sichtbar: Der ganze Boden ist bedeckt mit schwarzen, wie verkohlt wirkenden Lappen. Der Graf leidet und wälzt sich gequält auf der abschüssigen Fläche, zu der der Bühnenbild-Krater aufgeklappt wird, als er sich und dem Käthchen seine verbotene Liebe eingesteht. Dennoch bleibt sie die einzige, die hier auf ihr Herz hören kann.

Prechsls Inszenierung zeigt: Angesichts der Komödie, die um sie herum gespielt wird, kann Käthchens Liebe nicht ins gemeinsame Glück mit dem Grafen führen. Nicht nur der Strahl-Graf, auch der Kaiser und das restliche Bühnenpersonal, das sich als Hochzeitsgesellschaft erwartungsfroh versammelt, schauen blöd, als Käthchen es sich anders überlegt. Ihr wütender Schlussmonolog, in dem sie noch mal alles los wird, was sie während des Stückes herunterschlucken musste, wirkt wie ein, wenn auch etwas nachträgliches, aber reinigendes Donnerwetter.

Das Käthchen von Heilbronn, Donnerstag, 27. September, 19.30 Uhr, Theater Regensburg, Velodrom

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