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Anfängerfehler sollte man dem Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck nachsehen, sein neuer Film "Werk ohne Autor" ist ja schließlich erst sein dritter. Er wird von vielen für einen großen Regisseur gehalten. Ist er aber nicht.

Von Johanna Adorján

Man muss Florian Henckel von Donnersmarck zugutehalten, dass er natürlich nichts dafür kann, grotesk überschätzt zu werden. Und ganz falsch ist es ja nicht, ihn für einen großen Regisseur zu halten bei immerhin 2 Meter 5. Doch irrerweise scheint dieser Regisseur, der seit 2007 in der Filmstadt Los Angeles lebt, überhaupt nicht mitgekriegt zu haben, wie man heutzutage Filme macht.

Dass Frauen beispielsweise, selbst wenn sie jung und hübsch sind, gar nicht mehr ständig oben ohne durchs Bild hüpfen müssen. Dass Filmmusik dem Zuschauer nicht mehr jedes Gefühl vorbuchstabiert. Dass sich inzwischen eigentlich herumgesprochen hat, dass nicht alles, was in der Vergangenheit spielt, auch verstaubt auszusehen hat, weil damals, zur Spielzeit ja alles noch neu und belebt war.

Oder dass es außerhalb von Soaps inzwischen unüblich ist, in jedem Dialogsatz Information zu transportieren: "Tante Elisabeth, du Schwester meiner Mutter." "Mein sechsjähriger Neffe, fehlt dir deine Geburtsstadt Dresden, wo ihr vor drei Monaten in ein 45 Kilometer entferntes Dorf gezogen seid?"

Doch all das sind natürlich Anfängerfehler, die einem im Vergleich zur Ewigkeit noch jungen Filmemacher nachgesehen werden können. Ist ja auch erst sein drittes Werk.

Doch dann gibt es da eben diese Szene in einer Gaskammer. Und dafür bräuchte es dann doch Sensibilität. Und bringt ein Regisseur die halt nicht mit, wäre es Aufgabe der Produzenten, dafür zu sorgen, dass so eine Szene um Himmels willen nicht obszön wird vor lauter, jetzt mal Gutwilligkeit unterstellt, Nichtkönnen. Zumal 2018. Zumal in einem deutschen Film.

Jedoch: Ansehnlich und friedlich sinken bei Donnersmarck die schönen oder jedenfalls durchweg charmanten jungen Frauen, die für diese Szene gecastet wurden, mit ihren langen (also ungeschorenen) Engels-Haaren zu Boden, begleitet von sanft klagender Barockmusik. Als Tante Elisabeth, wieder oder immer noch nackt, vom Zyklon B vergiftet in die Knie geht, sieht es aus, als falle Schneewittchen in einen tiefen, erholsamen Schlaf. Ein schöner, ein friedlicher Tod, denkt der Zuschauer ergriffen, während die Kamera in Großaufnahme ihr Gesicht zeigt, völlig unentstellt, nicht mal eine Spur Schaum vor dem Mund.

Dabei kam der Tod durch Vergasung keineswegs leise und schnell. Es dauerte zehn bis zwölf Minuten, bis aus einer Gaskammer keine Schreie mehr drangen. Vor Eintreten des Todes schieden die Sterbenden Urin und Exkremente aus. Die Leichen waren oft ineinandergeklammert, kaum möglich, sie auseinanderzubekommen. In größeren Gaskammern waren ihre Gesichter schwarz, wie verbrannt, ihre Körper aufgedunsen und blau. Um ihnen den Mund öffnen zu können und an die Goldzähne zu kommen, musste man die fest aufeinandergebissenen Zähne oft herausbrechen. Menschen, die wie die Film-Elisabeth im Rahmen der "Tötung unwerten Lebens" vergast wurden, brach man die Goldzähne schon vorher heraus.

"Sieh niemals weg" lautet der Untertitel dieses unerträglichen Films, der unter Garantie niemals einen Oscar gewinnen wird. Gemeint ist wohl, dass man auch bei grausam schlimmen Dingen nicht wegsehen darf. Für einen Erfolg dieses Films wäre dies tatsächlich Voraussetzung.

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