Artenschutz:Erstmals Vogelgrippe bei Seeadlern nachgewiesen

Greifvogelstation ´Oppelhainer Pechhütte"

Seeadler gehören zu den bedrohten Arten.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Im Winter 2016/17 waren in Norddeutschland 17 Seeadler verendet. Biologen weisen nun die Vogelgrippe als Todesursache nach.
  • Es sind die ersten bekannten Fälle einer Vogelgrippe bei der bedrohten Greifvogelart.
  • Für den Schutz der Art sind die Folgen noch nicht absehbar, ein Risiko für Menschen sehen die Wissenschaftler aber nicht.

Von Sebastian Kirschner

Mehr als ein Dutzend rätselhafter Todesfälle unter Seeadlern hatten Artenschützer im Winter 2016/17 beunruhigt. 17 Greifvögel waren innerhalb kurzer Zeit gestorben. Nun konnten Forscher die Ursache ermitteln. Die Vögel hatten sich mit einem aggressiven Stamm des Vogelgrippevirus H5N8 infiziert. Es handelt sich um die ersten bekannten Fälle der Vogelgrippe bei Seeadlern, schreiben die Biologen in einer Studie in der Fachzeitschrift Viruses. Die Infektionen erschwerten den Schutz der bedrohten Tierart.

Schon seit Jahren setzt die Vogelgrippe Wildvögeln und Hausgeflügel zu. Besonders Hühner, Gänse und Enten stecken sich immer wieder mit verschiedenen Stämmen des Influenza-Erregers an. Mehrfach kam es bereits zu Epidemien: 2006 und 2007 mussten in Deutschland Tausende Vögel notgeschlachtet werden, weil sie von dem H5N1-Virus befallen waren, 2014 verbreitete sich der Virustyp H7N9 in China. Auch wenn bei manchen Greifvögeln wie dem Wanderfalken oder dem Mäusebussard bereits Infektionen nachgewiesen wurden: Seeadler (Haliaeetus albicilla) schienen sich bisher nicht mit der Vogelgrippe anzustecken.

Der Grund, warum sie sich nun infizierten, könnte den Studienautoren zufolge an Unterschieden zwischen einzelnen Stämmen der Viren liegen: "Der Virenstamm 2.3.4.4b scheint deutlich aggressiver für viele Vogelarten zu sein als früher aufgetretene Stämme, weshalb es jetzt möglicherweise auch die großen Seeadler getroffen hat", sagt Franz Conraths vom Friedrich-Loeffler-Institut.

Angesteckt haben sich die Greifvögel nach Ansicht der Wissenschaftler wahrscheinlich über ihre Nahrung: "Seeadler ernähren sich vor allem im Winter von Aas und, wenn verfügbar, auch von Wasservögeln", sagt Oliver Krone vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. "Natürlich sind kranke und schwache Tiere eine leichte Beute für den Seeadler. Das führt dazu, dass sich diese Greifvögel immer wieder Viren und anderen Krankheitserregern aussetzen." Daneben ergab die Studie aber auch, dass die Tiere das Virus über ihren Kot verbreiten.

Die Folgen für den Bestand der vom Aussterben bedrohten Art können die Forscher derzeit noch nicht absehen. Nachdem Seeadler in Europa durch Jagd und Einsatz des Insektizids DDT fast ausgerottet waren, nehmen ihre Bestände seit den 1980er Jahren zwar wieder zu. Trotzdem leben in Deutschland derzeit nur rund 750 Brutpaare, die meisten davon in der norddeutschen Tiefebene und an der Ostseeküste.

Unklar ist außerdem, ob der Befall mit H5N8 für Seeadler in jedem Fall tödlich endet. Möglicherweise könnten Tiere die Infektion überleben, wenn einzelne Stämme des Virus nicht so aggressiv sind. "Wenn diese Tiere die Infektion überstehen, sind sie möglicherweise für weitere Infektionen gerüstet", hofft Krone.

Ein Risiko für Menschen sehen die Wissenschaftler derzeit nicht. Bisher seien keine Fälle bekannt, in denen das Virus vom Tier auf den Menschen übertragen wurde - anders als bei seinen Verwandten H5N1 und H7N9.

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