Weltwirtschaft:Die Rückkehr der Zinsen

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Für die Vereinigten Staaten sind die höheren Zinsen genau richtig, für andere Länder könnten sie gefährlich werden. (Foto: Lee Jae Won/Reuters)

Die Politik des US-Präsidenten könnte die Zeit des billigen Geldes schnell beenden - mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft.

Kommentar von Nikolaus Piper

Sparer, Versicherungen und viele Ökonomen beklagen seit Jahren die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank und fordern eine Umkehr. Gut möglich, dass diese Umkehr schneller kommt, als es allen Beteiligten recht ist, und sich das Thema Zinsen plötzlich ganz anders stellt.

Es lohnt sich jedenfalls, in diesen Tagen die Kurse und Renditen amerikanischer Staatsanleihen genauer anzusehen. Wer der Regierung in Washington auf zehn Jahre sein Geld leiht, erzielt damit eine Rendite von 3,20 Prozent; das ist so viel wie seit über sieben Jahren nicht mehr. Da in den Vereinigten Staaten eine Inflationsrate von 2,0 Prozent erwartet wird, erzielen Anleger einen Realzins von einem Prozent. Deutsche Sparer können davon nur träumen. Wer in deutsche Bundesanleihen investiert, verliert bei 0,5 Prozent Rendite real immer noch Geld.

Wenn die Finanzminister und Notenbankchefs der Welt diese Woche auf Bali zur Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank zusammenkommen, werden sie sich mit dem Thema Zinsen zu befassen haben. Die gestiegenen Anleiherenditen sind Ausdruck der ungewöhnlichen Stärke der amerikanischen Wirtschaft, und die hat, so überraschend das für europäische Ohren auch klingen mag, viel mit Donald Trump zu tun. Der populistische Präsident finanziert seine überaus großzügige Steuerreform im Wesentlichen auf Pump. Das wirkt wie ein gigantisches Konjunkturprogramm auf dem Höhepunkt eines langen Aufschwungs. Das Ergebnis ist ein künstlich erzeugter Boom, der fast zwingend höhere Preise und höhere Zinsen nach sich zieht, mit widersprüchlichen Folgen für die ganze Welt.

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Das Gutachten eines hohen EuGH-Juristen ist ein deutliches Signal an das Bundesverfassungsgericht. Das hatte mehrfach die Politik der Europäischen Zentralbank kritisiert.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Für die Vereinigten Staaten sind die höheren Zinsen genau richtig, sie sind die logische Konsequenz aus guter Konjunktur und Steuersenkung. Die Notenbank Federal Reserve wird wohl noch schneller als geplant die kurzfristigen Zinsen erhöhen und so zur Normalität zurückkehren. Ganz anders stellt sich die Zinsfrage, wenn man zwar Schuldner ist, nicht aber über die Macht und Bonität des amerikanischen Staates verfügt. Da verschärft die Zinswende bestehende Krisen mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft.

Als Spätfolge der Finanzkrise sind die privaten und staatlichen Schulden in der Welt so hoch wie noch nie in der Geschichte. Wird der Schuldendienst teurer, kann dies für einige Schuldner existenzbedrohend werden. Die gestiegenen Zinsen beschleunigen den "ökonomischen Wetterumschwung", von dem IWF-Direktorin Christine Lagarde sprach. Besonders die prekäre Lage einiger Schwellenländer, die sich in der Vergangenheit im Ausland hoch verschuldet hatten, und wo notwendige Reformen unterblieben, verschlimmert sich.

Der Fall der Türkei machte bereits weltweit Schlagzeilen. Der Verfall der Türkischen Lira hatte das Land schon an den Rand einer Zahlungsbilanzkrise gebracht. Wenn ein türkischer Bürger der Aufforderung seines Präsidenten Erdoğan folgt und Staatsanleihen in heimischer Währung kauft, bekommt er fast 20 Prozent Zinsen - ein dramatisches Krisensignal. Ernst ist die Lage auch in Indien, Südafrika, Argentinien und Brasilien. Die meisten Auslandskredite in der Welt lauten auf Dollar, entsprechend teuer wird es für die Betroffenen, ihre Schulden zu bedienen. Die Probleme dieser Länder wurden zwar ursprünglich durch die eigene Politik verursacht, die Zinswende führt jedoch zu einem gefährlichen Abfluss von Kapital. Hier könnte eine neue Finanzkrise, diesmal der Schwellenländer, entstehen.

Das Festhalten an der schwarzen Null war aus heutiger Sicht weise

Der IWF hat seine Wachstumsprognose für die Welt in dieser Woche bereits herabgesetzt. Die Risiken der Weltwirtschaft nehmen weiter zu, besonders die politischen Risiken, in erster Linie die populistische Welle in vielen Ländern und der neue Protektionismus in der größten Volkswirtschaft der Welt. Bisher ist es Trump gelungen, die Kosten seiner aggressiven Handelspolitik zu exportieren, weil es niemanden gibt, der den riesigen amerikanischen Markt freiwillig aufgeben möchte. Für den Rest der Welt bedeutet das zunehmende Unsicherheit, die Wachstum kostet. Auch für Deutschland sinken die Wachstumsaussichten. Das Land steht immer noch vergleichsweise sehr gut da, aber es kann sich als Exportnation dem verdüsterten Klima im Rest der Welt nicht entziehen. Aus heutiger Sicht war es weise, auch gegen internationale Kritik an der schwarzen Null im Staatshaushalt und an der Schuldenbremse festzuhalten. Das macht das Land weniger verletzlich, wenn die Zeiten härter werden. Diese Zeiten könnten jetzt kommen.

Was Amerika betrifft, ist die mittelfristige Perspektive ebenfalls unsicher. Was passiert, wenn der Wachstumsschub aus der Steuerreform ausläuft und die Regierung in Washington auf einem noch höheren Schuldenberg sitzt als heute? Werden die Gläubiger dann noch an die Bonität des tief gespaltenen Landes glauben?

© SZ vom 08.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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