Apolda:Gereizt und gewalttätig

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Vor Beginn des Rechtsrock-Konzerts auf dem Marktplatz in Apolda wird ein Besucher von Beamten durchsucht. (Foto: Sebastian Haak/dpa)

In Thüringen wird ein Rechtsrock-Konzert nach Angriffen auf Polizisten abgebrochen.

Acht Polizisten sind bei Ausschreitungen während eines Konzerts im thüringischen Apolda verletzt worden. 700 Rechte hatten sich dort am Samstagabend auf dem Marktplatz versammelt, mehrere Tausend waren erwartet worden. Die Neonazis kamen aus der ganzen Bundesrepublik, Österreich, der Schweiz und aus Schweden. Nach Polizeiangaben warfen Teilnehmer der Versammlung Steine und Flaschen auf Beamte. Die Polizisten waren aber weiter dienstfähig, wie die Polizei mitteilte.

Thüringen hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg für Rechtsrock-Konzerte entwickelt. 2017 wurden im Freistaat 59 derartige Veranstaltungen registriert. Im Juni 2018 waren 6000 Neonazis aus ganz Europa zum Konzert im südthüringischen Themar gekommen. Ende August war es den Behörden gelungen, ein Konzert mit 3000 erwarteten Teilnehmern wegen unklarer Besitzverhältnisse des dafür ausgewählten Grundstücks in Mattstedt bei Apolda zu unterbinden.

Dem Konzert auf dem Marktplatz von Apolda war ein Katz-und-Maus-Spiel mit Behörden, Polizei und Gegendemonstranten vorausgegangen. Am Freitag war die Veranstaltung von Magdala, einer Kleinstadt nahe Weimar und Jena, nach Apolda verlegt worden. Das Amtsgericht Weimar hatte den Organisatoren in Magdala den Zugang zum privaten Veranstaltungsgelände auf einem Feld nahe der Kleinstadt über einen kommunalen Weg untersagt. Der Veranstalter, ein Neonazi aus Ostthüringen, hatte das Konzert im Vorfeld parallel in Apolda angemeldet. Weil sie die in Magdala bereits aufgebauten Bühne, Technik und Toiletten nicht mehr abbauen durften, stand den Rechten in Apolda nur eingeschränkte Technik zur Verfügung. Die Polizei räumte ihnen einen schmalen Streifen auf dem Marktplatz frei. Der Rest war für ein Bürgerfest reserviert. Parteien und Verbände hatten Informationsstände aufgebaut. Zu einem ökumenischen Gottesdienst waren am Vormittag etwa 150 Menschen gekommen, darunter auch Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke)

sowie weitere Vertreter der Thüringer Landesregierung. Die Pufferzone, die die Polizei mit Gittern zwischen Rechten und der Gegendemo mit etwa 500 Teilnehmern eingerichtet hatte, war nur etwa drei Meter breit ,die Stimmung gereizt. Die Rechtsextremisten skandierten "Frei, sozial und national", einige hoben den Arm zum Hitlergruß. Zuvor hatten die Organisatoren, teils von Gelächter begleitet, die Auflagen mit folgenden Worten verlesen: "Keine verfassungsfeindlichen Symbole und passt auf eure Arme auf!" Gerade als die Polizei damit begonnen hatte, das Konzert aufzulösen, erklärte der Veranstalter es am Abend eigenständig für beendet. Zuvor war es laut Polizei auch an einer Sicherheitsschleuse zu einem Durchbruchsversuch von Rechten gekommen, die Beamten setzten Pfefferspray ein.

Ein großes Polizeiaufgebot eskortierte die angereisten Besucher nach dem vorzeitigen Konzertende zu ihren Autos.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hat die gewalttätigen Ausschreitungen während des Konzerts verurteilt. Die Gewalt habe sich zwar unmittelbar gegen Polizisten gerichtet, sagte Maier am Sonntag in Erfurt. "Aber das war auch ein Angriff auf den öffentlichen Raum, auf die Zivilgesellschaft, die wollten diesen Platz stürmen." Die Ausschreitungen auf dem Apoldaer Markt machten deutlich, dass das Gewaltpotenzial der rechten Szene nicht zu unterschätzen sei.

Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer hat vor einer wachsenden Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Szene gewarnt. Offenbar bereite man sich dort "gezielt auf gewalttätige Aktionen, Einschüchterungen und vor allem Konfrontationen vor", sagte Kramer der Welt am Sonntag. Er warnte: "Wir registrieren, dass es Aufrufe gibt, Kampfsportarten und Überlebenstechniken zu erlernen und gezielte körperliche Ertüchtigung zu betreiben."

© SZ vom 08.10.2018 / SZ, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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