Gericht:Diebstahl aus dem Müllcontainer

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Zwei Studentinnen haben Lebensmittel aus dem Abfall eines Supermarktes entwendet. Für die Waren mit 100 Euro Verkaufswert will die Staatsanwaltschaft 2400 Euro Geldstrafe. Nun geht das Verfahren vor Gericht

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

313 Kilogramm Lebensmittel werfen die Deutschen laut einer Studie der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF weg. Pro Sekunde. Mit dem Wissen im Hinterkopf wirkt eine Klage gegen zwei junge Frauen wegen besonders schweren Diebstahls ein kleines bisschen abstrus: Die Studentinnen müssen sich in einem Monat vor dem hiesigen Amtsgericht verantworten, weil sie, wie sie selbst einräumen, bereits weggeworfene Lebensmittel aus dem Container eines Supermarkts in Olching entwendet haben. Ihre Motivation ist freilich weniger finanzieller denn ideeller Natur.

"Wir finden es absurd wie viel Aufwand einerseits betrieben wird, um Lebensmittel zu produzieren - und wie viele Lebensmittel andererseits weggeschmissen werden." Diese in den Industrienationen ganz alltägliche Situation nennt Karla M. als Motiv für ihr Verhalten, das sie nun auf die Anklagebank des Amtsgerichts bringt. Denn die 27-jährige Studentin zieht abends los, um aus in der Regel abgesperrten Müllcontainern von Supermarktketten noch verwertbare Lebensmittel zu holen. Das könnte man als sinnvolle Verwertung genießbarer Nahrung interpretieren. In den Augen der Justiz ist es zunächst einmal nichts anderes als besonders schwerer Diebstahl.

Im Fall von Karla M. und ihrer Freundin Sabine N. (Namen geändert), ebenfalls Studentin, geht es um "Paprikas, Zucchinis, ein bisschen Obst, ein paar Äpfel, aber hauptsächlich abgepackte Lebensmittel", berichtet die 27-Jährige. Die beiden wurden zufällig von Polizeibeamten erwischt, als sie in Olching die bereits entsorgen Lebensmittel aus dem Müllcontainer geholt hatten und zur Weiterverwertung mit nach Hause nehmen wollten. Der Warenwert betrug laut Polizei 100 Euro.

Die juristische Konsequenz für die beiden jungen Frauen: Die Staatsanwaltschaft beantragte für jede einen Strafbefehl wegen besonders schweren Diebstahls über je 40 Tagessätze zu je 30 Euro. Das heißt, die Studentinnen sollen für den Diebstahl aus dem Müllcontainer insgesamt 2400 Euro Geldstrafe bezahlen. Dagegen haben sie nun Einspruch eingelegt. Das sich daraus unweigerlich ergebende Gerichtsverfahren, ursprünglich auf den gestrigen Montag anberaumt, soll nun am 12. November um 8.30 Uhr vor dem Amtsgericht stattfinden. Am Mittwoch, 17. Oktober, 19.30 Uhr, gibt es für Unterstützer, Interessierte und Ideengeber ein Vernetzungstreffen im Eine-Welt-Haus in München.

"Unserer Meinung nach ist diese Einschätzung nicht haltbar, denn die Lebensmittel wurden zur Entsorgung freigegeben und sind allerhöchstens noch ihrem Brennwert nach zu beurteilen." Das schreiben die Studentinnen in ihrem Internet-Blog. Und weiter: "Wir positionieren uns klar gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und die Kriminalisierung der Lebensmittelrettung: Containern ist kein Verbrechen! Vielmehr sollte hinterfragt werden, dass diese großen Mengen an Lebensmitteln weggeschmissen werden."

Der Straftatbestand des besonders schweren Diebstahls ist gegeben, "wenn man aus einem Behältnis etwas entnimmt, das besonders gesichert ist", erläutert Karin Jung. Der zuständigen Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München II zufolge wäre "ein Tresor ein ganz klassischer Fall, es kann aber auch ein Container sein". Entscheidend für den Paragraf 243 des Strafgesetzbuchs sei, dass das zu entwendende Objekt nicht einfach so mitgenommen werden könne, sondern zusätzlich gesichert sei, etwa indem es in einem abgesperrten Raum lagere. "Und diese Container sind in der Regel auch besonders gesichert", betont Jung. Allerdings bleibe dem zuständigen Richter durchaus ein Ermessensspielraum. Die Definition des besonders schweren Diebstahls im Strafgesetzbuch wird nämlich mit der Floskel "in der Regel" eingeleitet. "Insofern hat das Gericht schon einen Spielraum." Hingegen spielt es für die Strafverfolgung keine Rolle, ob der Bestohlene selbst einen Strafantrag gestellt har. Laut Karin Jung werden Eigentumsdelikte unabhängig davon verfolgt.

Ein erfolgreiches Mittel gegen riesige Lebensmittel-Müllberge sind laut Udo Klotz die Foodsharing-Kühlschränke in den Amper-Einkaufs-Zentren. "Das hat sich bestens bewährt." Seit der Einführung habe sich der Abfall mit Sicherheit mehr als halbiert, berichtet der AEZ-Geschäftsführer: "Es wundert mich, dass das nicht mehr Supermärkte machen."

© SZ vom 09.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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