Reaktionen auf den IPCC-Bericht:"Die Welt wird ihren Ehrgeiz verstärken müssen"

Der ausgetrocknete Edersee in Hessen

Ausgetrocknete Seen könnte es in Zukunft häufiger geben, wenn die Weltgemeinschaft es nicht schafft, den Klimawandel einzudämmen.

(Foto: dpa)
  • Der jüngste Bericht des Weltklimarates liest sich wie eine letzte Warnung: Die über 90 Autorinnen und Autoren betonen darin, dass die international vereinbarten Klimaziele nur noch erreichbar seien, wenn die Menschen jetzt energisch handeln.
  • Vertreter aus Politik und Verbänden fordern, den Bericht ernst zu nehmen.
  • Die EU-Kommission kündigt weitere Anstrengungen an.

Der am Montag veröffentlichte Sonderbericht des Weltklimarates IPCC zeigt, dass bereits bei einer globalen Erwärmung von nur anderthalb Grad Celsius weltweit hohe Risiken für Mensch und Natur durch die Klimafolgen bestehen. Dem Bericht zufolge liegt die globale Erwärmung aktuell bereits bei etwa einem Grad Celsius und die bisherigen Bemühungen reichen bei Weitem nicht aus, um die internationalen Klimaziele zu erreichen. Im Pariser Klimaabkommen hatte die Staatengemeinschaft im Jahr 2015 beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu beschränken und wenn möglich sogar unter 1,5 Grad zu bleiben. In dem Bericht des Weltklimarates IPCC heißt es jetzt, dass die angestrebte Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau nur noch durch "schnelles und weitreichendes" Handeln erreichbar sei.

In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) den Bericht am Montag als "einen weiteren Beleg für die Dringlichkeit der Bekämpfung des Klimawandels". Schulze sagte: "Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren. Das ist die Kernbotschaft des Berichts. Die nächsten Jahre sind entscheidend, damit unser Planet nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Dafür trägt gerade unsere Generation eine herausragende Verantwortung."

Die Bundesumweltministerin sagte weiter: "Wir müssen den Abschied von Kohle, Öl und Gas hinbekommen. Jede vermiedene Tonne CO2, jedes vermiedene Zehntelgrad Erderwärmung zählt." Dieser Umbau bringe viele Veränderungen mit sich aber auch die große Chance, "unsere Wirtschaft zukunftsfähiger und unsere Gesellschaft lebenswerter zu machen".

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte die Bundesregierung als Konsequenz aus dem neuen Bericht auf, schnellstmöglich die Stromerzeugung aus Kohle zu beenden. "Hitzesommer, Extremwetter, Ernteausfälle - alle Alarmzeichen stehen auf Rot", sagte er in Berlin. "Kein einziges europäisches Land ist auf Kurs für die Einhaltung der Pariser Klimaziele - auch Deutschland nicht." Hofreiter mahnte bei der Bundesregierung einen klimapolitischen Kurswechsel an. Trotz des Ernstes der Lage seien "gefährliche Rückschritte" beim Klimaschutz zu beobachten.

Die EU-Kommission hat nach der Mahnung des Weltklimarats weitere Anstrengungen angekündigt. "Die EU wird daran arbeiten, diese Herausforderung anzugehen, und erwartet, dass andere dies ebenfalls tun", erklärten die Kommissare Miguel Arias Cañete und Carlos Moedas am Montag in Brüssel. "Alle Beteiligten müssen die Bemühungen gegenüber den Zusagen im Pariser Abkommen erhöhen." Die Kommissare erklärten weiter: "Die Welt wird ihren gemeinsamen Ehrgeiz verstärken müssen, wir müssen unsere Ziele erreichen und wir müssen uns darauf vorbereiten, so schnell wie möglich in diesem Jahrhundert eine Kohlenstoff-neutrale Wirtschaft zu erreichen."

Der Generalsekretär der Weltwetterorganisation, Petteri Taalas, hat den neuesten Bericht des Weltklimarates als nötigen Weckruf für die Menschheit gelobt. Ohne ein energisches Umsteuern drohe der Klimawandel immer größere Schäden anzurichten, sagte Taalas am Montag in Genf. Der Finne betonte, dass die Temperaturen bereits um ein Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gestiegen seien. Das führe zu mehr Extremwetter, dem Abschmelzen des Eises an den Polen und einem Anstieg des Meeresspiegels. Im Jahr 2016 zählte die Organisation alleine 23,5 Millionen Menschen, die wegen wetterbedingten Katastrophen aus ihren Heimatregionen flohen.

Die Entwicklungsorganisationen "Brot für die Welt" und Germanwatch sehen in dem Bericht einen "wichtigen Wegweiser aus der Klimakrise". Es sei eine gute Nachricht, dass eine Begrenzung der Erderwärmung bei zügigem und entschiedenem Handeln erreichbar sei, teilten die Organisationen mit. "Die Botschaft des Weltklimarates ist eindeutig: Jetzt muss gehandelt werden, und alle müssen an einem Strang ziehen", erklärte "Brot für die Welt"-Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Dabei müssten arme Länder finanziell unterstützt werden, damit sie ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten.

Vor einer wachsenden Zahl klimabedingter Katastrophen warnt auch das Rote Kreuz. "Mehr als die Hälfte unserer Operationen sind inzwischen wetterbedingt, viele weitere werden vom Klima beeinflusst oder zusätzlich verschärft", sagte der Präsident der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), Francesco Rocca, laut einer Mitteilung in Genf. "In einer 1,5 Grad wärmeren Welt werden mehr Ereignisse mit extremem Wetter alle Menschen betreffen. Besonders grausam wird es dann für Gemeinschaften, die schon jetzt wegen Konflikten, Unsicherheit und Armut ums Überleben kämpfen."

Ein halbes Grad mehr würde einen großen Unterschied machen

Greenpeace-Experte Benjamin Stephan erklärte, der politische Auftrag für die Bundesregierung sei "glasklar": "Es gibt keine Entschuldigung für ein reiches Industrieland wie Deutschland, seine CO2-Bilanz weiterhin mit alten, schmutzigen Kohlekraftwerken zu ruinieren." Der Klimaexperte der Entwicklungsorganisation Care, Sven Harmeling, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, "die Blockade für höhere EU-Klimaziele" umgehend zu beenden. Alles andere laufe auf einen Bruch des Pariser Klimaschutzabkommens hinaus.

Ein halbes Grad mehr - also eine Erwärmung von 1,5 auf zwei Grad würde laut IPCC einen großen Unterschied machen. Der Meeresspiegel würde bis Ende des Jahrhunderts deutlich höher steigen, gut 40 Prozent der Weltbevölkerung würden durchschnittlich mindestens einmal in fünf Jahren von extremer Hitze heimgesucht werden. 20 Prozent der Insektenarten wären vom Aussterben bedroht, Ernten könnten häufiger ausbleiben, nahezu alle Korallenriffe würden kollabieren. Aber auch eine Erwärmung um 1,5 Grad wird bereits vielerorts katastrophale Folgen haben. Hitze- und Dürrewellen oder Überschwemmungen, die in den vergangenen Jahrzehnten höchste selten waren, könnten regelmäßig auftreten.

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