Börsengänge:Der Nächste könnte der Letzte sein

Lesezeit: 2 min

2018 ist bisher ein gutes Jahr für Aktiendebüts. Das könnte sich bald ändern.

Von Simone Boehringer, München

Einer geht noch, einer kommt noch 'raus, zwei wären super, drei die Sensation. So oder ähnlich könnte man den Fansong aus den Fußballarenen gerade umdichten für den Aktienmarkt. Deutschland steuert bislang auf ein Rekordvolumen an Börsengängen zu. Seit dem Jahr 2000 hat es kein vergleichbares Emissionsvolumen mehr an deutschen Handelsplätzen gegeben. Inklusive des für Freitag angekündigten Börsenstarts des Autozulieferers Knorr Bremse dürfte sich das Gesamtvolumen der platzierten Aktien dann allein am regulierten Segment Prime Standard der Deutschen Börse auf mehr als 13 Milliarden Euro belaufen.

Mit Möbeln an die Börse: Das Aktiendebüt des internationalen Händlers Westwing verlief holprig: Die Aktie fiel deutlich unter ihren Ausgabepreis. (Foto: oh)

Mit der Siemens-Abspaltung Healthineers, die im März an die Börse ging, und sehr bald mit Knorr Bremse sind zwei der insgesamt 14 Erstnotizen in diesem Jahr damit für mehr als die Hälfte des bisherigen Ausgabevolumens verantwortlich. Allein Knorr Bremse will bis zu 30 Prozent seiner Anteile für voraussichtlich knapp vier Milliarden Euro an den Markt bringen.

Aber wird es noch mehr Kandidaten geben, die sich dieses Jahr noch aufs Parkett wagen? "Die Aufnahmebereitschaft der Investoren am Markt lässt gerade nach", heißt es schon bei einigen Emissionsexperten, die lieber anonym bleiben wollen. Klar, keiner will dazu beitragen, die zuletzt positive Entwicklung durch zu viel Schwarzmalerei abzuwürgen. Aber ob ein Börsengang gelingt, hängt auch von der Großwetterlage am Kapitalmarkt ab. Und hier machen Zinserhöhungen in den USA und Italien, Ängste vor einer neuen Bankenkrise in Südeuropa sowie der Handelskonflikt zwischen China und den USA derzeit sogar Profi-Anleger nervös. Newcomer sind in solchen Situationen oft das letzte Glied der Kette, da über sie oft keine verlässlichen Marktdaten vorliegen. Es wird also nicht vorbehaltlos gekauft, was neu an die Börse kommt. So notieren die Aktien von acht der bisher 13 Debütanten in diesem Jahr verglichen mit ihrem Ausgabekurs im Minus.

Während Knorr Bremse die Zeichnungsfrist wegen des großen Interesses an den Papieren an diesem Mittwoch sogar vorzeitig beendet, legte der Online-Möbelhändler Westwing am Dienstag ein sehr durchwachsenes Aktiendebüt ab: Nach anfänglichem Plus rutschte die Aktie um 13 Prozent unter den Ausgabepreis, erst zu Handelsende erholte sich der Kurs.

Nun kann es ein Branchenführer wie Knorr Bremse bald in den M-Dax schaffen, während Westwing kaum ein Zehntel des Börsenwerts mitbringt und erst seit 2011 existiert. Dass jedoch mit dem Chip-Anlagenbauer Exyte gerade eine Firma den Börsengang abgesagt hat und bei der Elektroroller-Firma Govecs erst die Erstnotiz verschoben und jetzt die Zeichnungsfrist verlängert wird (8. November), zeigt, wie hart um Preise und Timing gerungen wird.

Europaweit nimmt der deutsche Markt ohnehin eine Sonderstellung ein, den insgesamt sind die Emissionsvolumina in Europa nach einer Studie der Beratungsgesellschaft EY zuletzt stark zurückgegangen. "Der bevorstehende Brexit führt derzeit zu Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten und dämpft das Klima für Börsengänge in Europa", beobachtet Martin Steinbach, Leiter des Finanzmarkt-Consultings bei EY.

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: