Dokumentarfilm:Nein!

Filmstills

Wo Kinder wieder Grenzen erfahren – Szene aus dem Dokumentarfilm „Elternschule“.

(Foto: Verleih)

In der filmischen Erziehungs-Studie "Elternschule" zeigen Ärzte, wie man Kinder zähmt, wenn sie zu kleinen Tyrannen geworden sind.

Von Doris Kuhn

Die Kinder schreien wie am Spieß. Sie wüten, sie kotzen, sie weinen. Die Eltern weinen auch - aus anderen Gründen. Sie sind hier, in der Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik der Gelsenkirchener Kinder- und Jugendklinik, weil sie mit ihrem Alltag nicht mehr weiterkommen, mit ihren Nerven auch nicht. Tag und Nacht sind sie unter Druck, denn ihre Kinder schlafen nicht, essen nicht, bleiben nie allein. Diese Kinder haben die Macht über ihre Eltern ergriffen.

Was aber nicht dazu führt, dass ihr Heranwachsen besser funktioniert. Im Alter zwischen ein paar Monaten und etwa fünf Jahren fehlt halt doch noch der Überblick, auch wenn manche dieser Tyrannen immerhin wissen, dass sie sich ausschließlich von Bratwurst ernähren wollen.

Das ist einer der vielen Fälle, die in Jörg Adolphs und Ralf Büchelers Dokumentation gezeigt werden. Die beiden Regisseure begleiten Mütter, Väter und ihre Kinder bei einer dreiwöchigen Therapie in der Gelsenkirchener Klinik, und was man dabei über Verhaltensschulung erfährt, ist spannend wie ein Thriller. Wenn ein Junge seine Eltern dazu bringen kann, dass sie ihn nur noch mit Bratwurst füttern, dann geht es um Erpressung auf der einen und Rückzugsgefechte auf der anderen Seite, das will man wissen. Denn eigentlich sollte klar sein, wer die besseren Handlungsmöglichkeiten hat - aber hier erfährt man eben, dass das manchmal nicht reicht.

Wobei der Film, sehr sympathisch, die Fehler der Eltern gar nicht demonstrativ vorführt. Er hört stattdessen zu, wenn sie dem Arzt gegenüber ihre Situation beschreiben, und er konzentriert sich darauf, wie diese Situation in der Klinik verändert wird. Dabei trifft man hauptsächlich die Kinder. Sie versuchen zu Beginn der Therapie, sich in gewohnter Manier durchzusetzen, bis sie feststellen, dass ihre Betreuer gewechselt haben: Es sind nicht mehr die Eltern, sondern Ärzte und Pfleger der Klinik. Die wiederum halten konsequent einen strukturierten Tages- und einen ruhigen Nachtablauf ein.

Dagegen ziehen die Kinder alle möglichen Register. Mit Wut, mit Verweigerung, mit demonstrativer Hilflosigkeit versuchen sie, der Umgebung ihren Willen aufzuzwingen. Das kann dauern, sie haben eine zermürbende Energie. Aber genau darum geht es, hier lässt sich davon niemand beirren. Und der Moment, in dem die Therapie fruchtet, wirkt dann fast wie Zauberei, obwohl es simple Dinge sind, die dann passieren. Die Kinder nehmen eine Mahlzeit zu sich, ohne sofort auszuspucken. Sie krabbeln ins Spielzimmer und beschäftigen sich selbst. Sie schlafen, ungestresst.

Ihr Training wird begleitet von Ärzten, die sehr anschaulich erklären, was gerade passiert. Für die Eltern ist es notwendig, das Verhalten ihrer Kinder zu verstehen, um nicht panisch oder emotional zu reagieren. Für die Kinder sind Grenzen, Regeln und Strukturen hilfreicher als bloß die Liebe allein. Neu ist das nicht, aber trotzdem schwierig, denn das ist das Thema der Elternschule - hier lernen die Erwachsenen Autorität. Sobald sie anfangen, damit sinnvoll umzugehen, wird für beide Seiten die Erziehung klarer. Dann sehen nicht nur die Eltern glücklicher aus, sondern die Kinder auch.

Elternschule, D 2018 - Regie: Jörg Adolph, Ralf Bücheler. Schnitt: Anja Pohl. Mit: Dietmar Langer. Verleih: Zorro Film. 120 Minuten.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise die Kinder- und Jugendklinik nach Tübingen verlegt. Richtig ist jedoch Gelsenkirchen.

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