Alter Bahnhof Oberschleißheim:Der Zug ist abgefahren

Alter Bahnhof Oberschleißheim: Hier hält schon lange kein Zug mehr. Jetzt entscheidet ein Privatinvestor über die Zukunft des historischen Schleißheimer Bahnhofs.

Hier hält schon lange kein Zug mehr. Jetzt entscheidet ein Privatinvestor über die Zukunft des historischen Schleißheimer Bahnhofs.

(Foto: Robert Haas)

Ein unbekannter Privatbieter erhält den Zuschlag für den historischen Bahnhof. Die Gemeinde und der Verein "Verrückter alter Bahnhof Oberschleißheim" hadern mit dem Geschäftsgebaren der Deutschen Bahn.

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Der historische Schleißheimer Bahnhof ist jetzt in Privatbesitz. Die Bahn AG hat das seit 46 Jahren ausrangierte Kleinod nun verkauft, allerdings nicht an die Gemeinde Oberschleißheim.

Das Rathaus hatte sich zusammen mit dem Verein "Verrückter alter Bahnhof Oberschleißheim (Vabosh)" vergeblich um den Erhalt des Gebäudes als öffentliches Begegnungszentrum bemüht. Der neue Eigentümer ist nicht bekannt, sodass die Zukunft der Immobilie vollkommen offen ist. Bürgermeister Christian Kuchlbauer (FW) hat angekündigt, dass eine öffentliche Nutzung, "zumindest in Teilbereichen angestrebt werden" müsse.

Nach jahrelangem Hin und Her hatte die DB Immobilien Region Süd, eine Tochter der Bahn, die Immobilie im Sommer urplötzlich doch zum Verkauf angeboten, nach Vereinsangaben mit sieben Tagen Angebotsfrist. Auf Anfrage teilte die Bahn AG nun mit, dass der Zuschlag erfolgt sei und die notarielle Beurkundung unmittelbar bevorstehe. Der Käufer wurde nicht genannt, die Gemeinde sei es aber nicht, teilte die Bahn mit.

Nach Jahren des Kampfes sprachlos und leer

Stinksauer sind die engagierten Enthusiasten von "Vabosh", die sich teilweise seit Jahrzehnten, weit vor der offiziellen Vereinsgründung, schon um das historische Kleinod bemüht hatten. "Wie Don Quichotte nach zehn Jahren Kampf gegen die Windmühlen", fühle er sich, sagte "Vabosh"-Initiator und Vorstandsmitglied Walter Klar, "sprachlos, leer".

Der Verein werde sich nun "über eine inhaltliche Neuausrichtung beraten", sagte Vorsitzender Andreas Hofmann. Dazu muss erst ermittelt werden, wem der Bahnhof nun gehört und ob der neue Eigentümer einer teilweisen öffentlichen Nutzung aufgeschlossen wäre, erst dann werde es eine formale Stellungnahme des Vereins geben. Hofmann sagte, er "wünsche ihm eine glückliche Hand dabei, die historische Bedeutung dieses Gebäudes in die Zukunft zu tragen". Obwohl "Vabosh" seit Jahren mit der Deutschen Bahn in Kontakt bezüglich eines beabsichtigten Ankaufs stand, hat man von dort noch keinerlei Information über die Verkaufsentscheidung erhalten.

Das Vorgehen der Bahn entspreche "nicht einem modernen, bürgerfreundlichen Infrastrukturunternehmen des 21. Jahrhunderts, sondern erinnert mich vielmehr an eine überhebliche Obrigkeit aus früheren Zeiten", klagt Vereinschef Hofmann. Der Verein habe nun fünf Jahre lang intensiv Zeit, Geld, und Nerven investiert, um den Alten Bahnhof zu erhalten und für die Öffentlichkeit nutzen zu können. Dass die Bahn diese Initiative, gestützt durch das offizielle Kaufinteresse der Gemeinde, völlig ignoriert hat, ist für Hofmann ein Armutszeugnis.

"Eine Institution mit einer fast 200-jährigen Tradition sollte die gesellschaftspolitische Verantwortung für ihr eigenes Erbe deutlicher erkennen", moniert er. Auch Kuchlbauer zeigte sich "stark enttäuscht über die Informationspolitik zum Verkauf des Bahnhofes". Trotz der eindeutigen Interessensbekundung durch das Rathaus und einer Vereinbarung, rechtzeitig informiert zu werden, habe man "mehr als kurzfristig davon Kenntnis bekommen", so dass auch die Gemeinde nur improvisiert reagieren konnte. Auch der Käufer sei der Gemeinde "trotz Rückfrage noch nicht mitgeteilt worden". Der alte Bahnhof wurde 1858 beim Bau der Königlich-Bayerischen Ostbahn über Landshut und Regensburg errichtet. Allein dieses Gründungsdatum macht ihn schon zu einer Pretiose. Vollends ein historisches Unikat wurde der Bahnhof dann aber 1898, als er aus Platzgründen komplett um sechs Meter nach Osten verschoben wurde. Das ganze Gebäude wurde in einer damals revolutionären Technik auf Walzen gehoben und in Gänze und unbeschädigt verrückt - daher der Vereinsname von "Vabosh".

Viele Initiativen lässt die Bahn abprallen

Im Olympiajahr 1972, mit der Eröffnung der S-Bahn und des S-Bahn-Halts einige hundert Meter weiter ostwärts, wurde der Bahnhof stillgelegt. Seither verfällt das Gebäude mehr oder weniger ungebremst. Zuletzt wurde es nun als Lagerfläche vermietet. Wiederholte Initiativen der Gemeinde, die Immobilie zumindest in Schuss zu halten, sind über Jahrzehnte an der Bahn abgeprallt. Alle privaten Vorstöße, die Immobilie zu kaufen, scheiterten ebenfalls, weil ihn die Bahn aus betrieblichen Gründen nicht hergeben wollte. 2014 gründete sich "Vabosh" als Verein und inszenierte seither eine Vielfalt von Aktionen zum Erhalt des Gebäudes und für eine potenzielle Nutzung als öffentliches Gebäude mit Kulturcafé, Ausstellungsräumen und eventuell sogar einem Heimatmuseum. Als die Bahn dann urplötzlich ihr Verkaufsangebot auf den Markt warf, konnte der Verein nicht rasch genug die nötigen Mittel akquirieren. In Vertretung bot die Gemeinde, scheiterte aber jetzt.

Vor Jahren wurde unmittelbar nebenan ein ebenfalls historisches Gebäude am Ort verkauft, die alte Post. Das Gebäude wurde zwar nach allgemeiner Einschätzung mustergültig restauriert, beherbergt aber nur Wohnungen und dient keinerlei öffentlichem Interesse. Eine ähnliche Zukunft liegt nun auch für den Bahnhof nahe.

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