Kurzkritik:Ekstatisch

Die BR-Symphoniker unter Daniele Gatti

Von Klaus P. Richter, München

Wäre es nach dem begeisterten Publikumsapplaus gegangen, dann hätte Anton Webern so weiterkomponieren sollen wie in seinem "Langsamen Satz" von 1905. Das schwelgerische Stück, in einem ähnlichen Idiom wie Schönbergs "Verklärte Nacht", ursprünglich für Streichquartett komponiert, dann als Jugendwerk verworfen, schließlich 1991 für Orchester transkribiert, veranlasste auch den Gastdirigenten beim BR-Symphonieorchester, Daniele Gatti, zu schwelgerischer Dirigier-Ekstase.

Bei den "Fünf Sätzen" op. 5 von Webern konnte man dann, leider durch die Pause getrennt, seine weiteren Schritte ins eigene, atonale Idiom verfolgen. Kristallgeschliffene Aphorismen, oft kaum eine Minute lang, fesselten sie gleichwohl nicht nur als irisierende Konzentrate, sondern auch durch die Instrumentierung. So war es interessant, diese Evolution zu hören, auch wenn man nicht ganz verstand, was sie mit den beiden Schubert-Sinfonien zu tun hat, die Gatti ganz anders dirigierte. In der dritten D-Dur (D 200), wie in der "kleinen" C-Dur, der sechsten (D 589), überließ er oft die sinfonischen Musiker so vertrauensvoll wie demonstrativ ihrem eigen Musizieren - was aber wunderbar gelang. Berückend der Anklang an die Rosamunde-Musik im Allegretto der dritten, so delikat wie poetisch die Bläserspiele mit Klarinette, Flöte und Oboe zwischen naturhaften Pastelltönen und Kantilene vor allem in den Schlusssätzen der sechsten Sinfonie.

Dort, im hinreißenden Finale, drängte Gatti, wie überhaupt in den schnellen Sätzen, zu einem ostentativen Schubert. Das war womöglich ein Konzept, dessen viel weniger bezwingende sinfonische Logik, wie beim Vorbild Beethoven, zu großem Format aufzuladen.

© SZ vom 13.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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