Landtagswahl:Alles für die Kandidaten

Emmering: NACH DER WAHL IST VOR DER WAHL - Helfer plakatiert Schrodi (SPD)

Plakate zu kleben ist ein Haufen Arbeit.

(Foto: Johannes Simon)

Sie kleben Plakate, verteilen Präsente oder steuern das Faktomobil. Ohne fleißige Helfer wären die Wahlkämpfer aufgeschmissen

Von Iris Hilberth, Landkreis

Dass sie mal mit einem gelben Lastwagen mit der Aufschrift "Fakten in den Landtag" durch den Landkreis München kurven würde, hat sich Ursula Gresser vor einem halben Jahr nicht vorstellen können. "Dieses Faktomobil ist schon richtig sperrig, es besitzt keine Automatik und einen Schminkspiegel hat es auch nicht", sagt sie.

Für die FDP setzt sich die Ärztin trotzdem gerne hinters Steuer. Um Platz für das Wahlkampfmaterial ihres Kandidaten Helmut Markwort zu schaffen, räumt sie ihren Wintergarten in Sauerlach frei, in der Hoffnung, dass die Pflanzen draußen bis zum Wahltag am Sonntag durchhalten.

Die Professorin Gresser ist einer von vielen ehrenamtlichen Wahlkampfhelfern, die seit Monaten für ihre Parteien im Einsatz sind. Die Plakate kleben, Infostände organisieren, Kugelschreiber verteilen und Termine koordinieren. Die ihre Kandidaten begleiten, Grillpartys schmeißen, Einladungen verschicken und in der heißen Wahlkampfphase beruflich kürzer treten, weil das Team sie braucht. "Meine Praxis ist zur Zeit nur eingeschränkt geöffnet", sagt Gresser und schiebt schnell hinterher: "Aber es macht Spaß."

Edmund Stoiber musste noch ins Solarium

Landtagswahl: Wohl dem, der Helfer im Wahlkampf hat. Ursula Gresser fährt sogar den FDP-Laster.

Wohl dem, der Helfer im Wahlkampf hat. Ursula Gresser fährt sogar den FDP-Laster.

(Foto: Claus Schunk)

Man darf sich die Organisation eines Wahlkampfs im Stimmkreis nicht so vorstellen wie die Arbeit eines Managers von außerhalb. Hier wird keiner engagiert wie Michael Spreng, der einst Edmund Stoiber beriet, als der Bundeskanzler werden wollte. Der versuchte, den einstigen CSU-Chef talkshowtauglich zu machen, und schickte ihn ins Solarium.

Im Landkreis München sind es in Nord und Süd vielmehr die vielen Ortsvereine und -verbände, aus denen sich die Teams rund um die Kandidaten rekrutieren. Hinzu kommen oft Familienangehörige, Freunde und Bekannte, die sagen: "Ich helfe dir."

Grüne Köhler Unterhaching

Evi Karbaumer und Steffi Bessler helfen am Grünen-Stand.

(Foto: privat)

Zwar hat Claudia Köhler, die Grüne aus Unterhaching, die im nördlichen Stimmkreis kandidiert, tatsächlich einen Coach an ihrer Seite, "aber das ist eine gute Freundin von mir", stellt sie klar. Ansonsten setzt sie auf den Kreisvorstand und die vielen grünen Helfer in den Gemeinden. Dass die meisten aus ihrem Heimatort kommen, verwundert nicht, dort ist sie schließlich gut vernetzt.

"Viele haben ihre Hilfe angeboten, obwohl sie selbst nicht bei den Grünen sind", sagt Köhler und bericht von einem Ehepaar aus der Kirchengemeinde, das spontan die Betreuung des Internetauftritts übernommen habe. Auch Familie Köhler ist mit eingespannt. Die Söhne haben am Küchentisch Visitenkarten an Kochlöffel gebunden und grüne Windräder gefaltet, Freunde haben Honig aus dem Krautgarten in kleine Gläschen gefüllt. Schließlich braucht ihre Wahlkämpferin am Infostand Werbegeschenke.

So viel Auswahl wie nie zuvor

Die Unterschleißheimer sind so etwas wie die Digital-Meister, wenn es ums Wählen geht. Stand Freitag haben bereits mehr als 3000 der etwa 19 000 Wahlberechtigten in der einwohnerstärksten Stadt des Landkreises online ihre Wahlunterlagen bestellt und von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Insgesamt 240 050 Wahlberechtigte sind im nach Einwohnern größten Landkreis des Freistaats aufgerufen, in zwei Stimmkreisen zwei Direktkandidaten ins Maximilianeum zu entsenden - das sind so viele Wähler wie nie zuvor. Und sie haben so viel Auswahl wie noch nie. Im Stimmkreis München-Land Nord werben 13 Direktkandidaten um die Gunst der insgesamt 122 960 Wahlberechtigten - im Stimmkreis München-Land Süd haben 117 090 Wahlberechtigte die Wahl zwischen 14 Kandidaten. Vor fünf Jahren konnte sich im Norden der CSU-Bewerber Ernst Weidenbusch mit 43,0 Prozentpunkten durchsetzen; den Stimmkreis Süd gewann seine Parteifreundin Kerstin Schreyer mit 46,4 Prozentpunkten.

Die ersten Ergebnisse dürften gegen 20 Uhr im Landratsamt am Mariahilfplatz eintrudeln - wenn alles glatt läuft, sagt Landratsamtssprecherin Christina Walzner "könnte" gegen 22 Uhr mit einem vorläufigen Endergebnis gerechnet werden. Das sei aber eine sehr optimistische Schätzung. In Unterhaching etwa könnte es bei der Auszählung der Briefwähler besonders lang dauern. Dort haben weit mehr als 5000 der 17 050 Wahlberechtigten bereits von ihrem Recht gebrauch gemacht, sagt Rathaussprecher Simon Hötzl.

Die wichtigsten Informationen, Trends und Ergebnisse zur Wahl im Landkreis München gibt es am Sonntag, 14. Oktober, von 17 Uhr an auf der Seite www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen und auf Facebook (www.facebook.com/SZLandkreisMuenchen).

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Neben einer Agentur und den Helfern in der Ortsverbänden setzt Ernst Weidenbusch, der CSU-Kandidat im Stimmkreis München-Land Nord, im Wahlkampf stets auf seine Frau, und das schon seit 2003. Claudia Weidenbusch verteilt die Plakate und Flyer an die Ortsverbände und koordiniert die Termine mit dem Büro im Landtag. Dort sitzt seit sieben Jahren das "Team Weidenbusch", das aber nichts mit dem Wahlkampf zu tun habe, wie Weidenbusch betont.

Constanza Swoboda und Verena Facius sind zwar öfter dabei, wenn ihr Chef auf Tour geht, "aber nur, damit wir außerhalb des Büros auf aktuelle Ereignisse reagieren können", so Weidenbusch. Auch die Auswahl der Werbemittel obliegt seiner Frau, bis auf eine Ausnahme habe sie die Give-aways festgelegt: "Der vegane Lippenbalsam stammt von der Frauen-Union."

Ein bewährtes Duo begleitet seine Parteikollegin Kerstin Schreyer im Süden. Seit die Unterhachingerin vor 15 Jahren zum ersten Mal für den Bezirkstag kandidierte, verlässt sie sich auf Hartmut Wiehle aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Michael Unterberger aus Unterhaching. Beide kennt sie seit gemeinsamen Zeiten in der Jungen Union.

Insgesamt kümmere sich ein Team von zehn bis zwölf Ehrenamtlichen um den Wahlkampf der Sozialministerin, wie der Leiter ihres Stimmkreisbüros, Christian Fürst, berichtet. Eine wichtige Rolle komme dabei Gerlinde Koch-Dörringer, Kreis-Vorsitzende der Frauen-Union, zu, die die Hausbesuche bei den Wählern in sämtlichen Gemeinden des Stimmkreises organisiert.

Auf einen alt bewährten Strategen verlässt sich auch Annette Ganssmüller-Maluche, SPD-Kandidatin im Norden. Thomas Roy aus Gräfelfing hat bereits ihre Kandidatur um den Landratsposten im Jahr 2014 gemanagt. "Er ist ein toller Ideengeber und jemand, der zupackt", sagt die Ismaningerin.

"Der Wahlkampf ist zu 99 Prozent perfekt gelaufen."

Zudem ist Ganssmüller-Maluche glücklich über die Unterstützung der Grafikerin Andrea Langenfass aus Aschheim. Vor allem habe sie große Unterstützung aus den Ortsvereinen erfahren. 20 Parteifreunde hatten sich direkt nach ihrer Nominierung in ihrem Wohnzimmer eingefunden und ihre Mitarbeit im Team angeboten. "Der Wahlkampf ist zu 99 Prozent perfekt gelaufen", findet sie.

Ein wenig anders läuft es, wenn man wie Natascha Kohnen Spitzenkandidatin seiner Partei ist. Für Veranstaltungen im Stimmkreis München-Land Süd sind zwar neben den SPD-Mitgliedern aus den Ortsvereinen allein Sabine Heberlein im Neubiberger Stimmkreisbüro sowie eine wissenschaftliche Mitarbeiterin im Landtag zuständig.

Doch wenn Kohnen durch Bayern tourt, hat sie ein Team von etwa zehn Leuten aus der Landesgeschäftsstelle am Münchner Oberanger um sich, vom persönlichen Referenten über den Pressesprecher bis zur Social-Media-Beauftragten. Für Facebook und Co. ist Julia Kerzl zuständig, die sagt: "Normalerweise kommen immer ein bis zwei von uns mit zu den Terminen." Am Anfang sei Natascha Kohnen noch selbst gefahren, "später haben wir das dann übernommen".

Von einer solchen Betreuung ist Ilse Ertl, Kandidatin der Freien Wähler, weit entfernt. "Im südlichen Landkreis sind wir schwach vertreten, da mache ich vieles alleine", sagt sie. Und weil so ein Wahlkampf viel Geld kostet, teilt sie sich die Plakate mit dem Nord-Kandidaten. Allerdings schafft sie es gar nicht, die überall in den Gemeinden aufzuhängen. Umso erfreuter war sie über einen überraschenden Anruf aus Planegg: "Ein Richter im Ruhestand hat gefragt, warum in seiner Gemeinde keine Plakate von mir zu sehen sind. Dann hat er sich angeboten, welche aufzuhängen."

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