Landtagswahl in Bayern:Wer muss in der CSU seinen Posten räumen?

Horst Seehofer Markus Söder CSU

CSU-Chef Horst Seehofer wird für die schlechten Umfragewerte verantwortlich gemacht. Aber hätte Ministerpräsident Markus Söder überhaupt ein Interesse an einem Rücktritt Seehofers?

(Foto: dpa)
  • Kurz vor der Landtagswahl in Bayern scheint sich CSU-Chef Horst Seehofer an Markus Söder zu ketten, um seine Ämter nicht zu verlieren.
  • In der Partei wird vor allem Seehofer für die schlechten Umfragewerte der CSU verantwortlich gemacht - Söder scheint fest im Sattel zu sitzen. Aber so sicher, wie Seehofers Rücktritt erwartet wird, ist er längst nicht.
  • Europapolitiker Manfred Weber und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sollen allerdings Ambitionen auf das Amt des Parteivorsitzenden haben.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Vor dem Theaterausgang ist schon die Limousine vorgefahren, doch der Bundesinnenminister macht keine Anstalten einzusteigen. Hier in Ingolstadt ist Horst Seehofer daheim, er plaudert noch fröhlich mit Bekannten. Es ist der Montagabend vor der bayerischen Landtagswahl, die laut Umfragen der CSU ein historisches Desaster bescheren dürfte. Der Parteichef Seehofer ist dennoch aufreizend gut gelaunt.

Neben ihm stehen CSU-Sprecher Jürgen Fischer und Geschäftsführer Hans Michael Strepp. Seehofer gibt den beiden noch eine Botschaft an die aufgeregten Wahlkämpfer in der Parteizentrale mit. Er legt Strepp die Hand auf die Schulter und sagt: "Verteilt's noch ein bisserl Valium bis Sonntag. Oder, wie heißt das: Ingwertee?" Dann wendet er sich an die Runde, die sich vor seinem Auto versammelt hat. "Es passiert gar nichts." Kein Putsch gegen ihn, kein Rücktritt. "Da sind wir uns einig." Mit "wir" meint er auch den Ministerpräsidenten Markus Söder. Die Frage ist nur: Weiß Söder von der Einigkeit?

Richtig ist, dass Seehofer sich seinem alten Widersacher Söder beim gemeinsamen Auftritt in Ingolstadt geradezu mit Anlauf an den Hals geworfen hat: "Lieber Markus", "fulminante Rede", "danke für die gute Zusammenarbeit". Ist das die von der CSU gern beschworene Geschlossenheit im Endspurt? Oder zeigt sich da schon die Strategie, mit der Seehofer in den Tagen nach der Wahl seine Jobs als Parteichef und Innenminister retten will?

Zunächst ist es bemerkenswert, dass in der CSU in diesen Tagen praktisch nur über die Personalie Seehofer diskutiert wird. Söder, als Spitzenkandidat immerhin direkt verantwortlich für das Abschneiden bei der Landtagswahl, scheint fest im Sattel zu sitzen - wahrscheinlich könnte ihn nur ein Ergebnis unter 30 Prozent ins Wanken bringen. Vor dem Hintergrund der grausamen CSU-Tradition im Umgang mit strauchelnden Anführern ist das unglaublich. Zumal Söder in Teilen der Partei immer noch eher unbeliebt ist. Die Mitglieder danken ihm jedoch seinen enormen Einsatz im Wahlkampf, sie scharen sich um den Jüngeren ihres Führungsduos.

Die Schuld an der Misere weisen Basis und Funktionäre mehrheitlich dem Älteren zu. Seehofers Berliner Störfeuer beim Thema Flüchtlinge oder Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen haben auch seine verbliebenen Unterstützer irritiert und geärgert. Seehofer kapselt sich ab, er ist selbst für hochrangige CSU-Leute kaum zu erreichen. Man hört von SMS an ihn, die ins Leere laufen, auch die von Markus Söder. In Ingolstadt haben die beiden zum ersten Mal seit langer Zeit kurz gesprochen, zwangsweise. Frage an einen Söder-Vertrauten: Warum ruft Söder Seehofer nicht einfach mal an? Der Mann sagt: "Irgendwo hat der Markus auch seinen Stolz."

Landtagswahl in Bayern

Seehofer reagiert gerade zwar nicht auf Söders SMS, aber kettet sich trotzdem an ihn.

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Früher führte Seehofer die CSU ebenso launisch wie geschickt mit Zuckerbrot und Peitsche. Das ist vorbei. Im Machtkampf mit Söder nach der Bundestagswahl 2017 hatte er den Parteivorstand noch fest auf seiner Seite - Söder setzte sich nur mit Hilfe der Landtagsfraktion durch. Jetzt rücken auch viele Vorständler von Seehofer ab. Und trotzdem: So sicher, wie sein Rücktritt von vielen erwartet wird, ist er nicht.

Seehofer will sich nicht zum Sündenbock machen lassen. Ein Ergebnis, das über den jüngsten Umfragen liegt, vielleicht 37 Prozent aufwärts, würde seine Chancen verbessern. Denn dann würde Erleichterung herrschen in der CSU, sie würde versuchen, das Ganze als Erfolg zu verkaufen. Ein Rücktritt würde da nicht ins Bild passen. "Was wir nach der Wahl brauchen, ist Stabilität", haben die ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und Günther Beckstein der Zeit gesagt. "Und Personalquerelen sind das Gegenteil davon." Stoibers und Becksteins Loyalität gilt vor allem Söder. Aber sie würden das Ventil des Dampfkessels CSU lieber nicht öffnen, womöglich weil sie fürchten, dass ein stürzender Seehofer Söder mitreißen könnte.

Söder, so heißt es, habe Vorkehrungen getroffen für den Tag der Abrechnung. Am Sonntagabend wird ihn sein erster Weg im Landtag zur eigenen Fraktion führen. Auf die kommt es an: Sie wählt den Ministerpräsidenten. Auch Seehofer wird im Landtag erwartet - ob Söder sich mit ihm Seite an Seite zeigt? CSU-Veteranen rechnen bereits am Sonntag mit ersten Rücktrittsforderungen an Seehofer. Die Frage ist nur, wer den Anfang macht. Hoch gehandelt wird der frühere Parteichef Erwin Huber (Lesen Sie hier mit SZ Plus das große Porträt über Erwin Huber).

Nur ein Sonderparteitag könnte Seehofer abwählen

Am Montagvormittag trifft sich dann der Parteivorstand. Sollte es wirklich zu einer offenen Aussprache kommen, dürfte es eine lange Sitzung werden. Ebenfalls für Montag hat sich der alte Fraktionsvorstand verabredet, er bereitet die erste Fraktionssitzung am Dienstag vor. Die wesentlichen Verabredungen sollen bereits stehen: Der intern umstrittene Thomas Kreuzer soll Fraktionschef bleiben. Er hat Söders Segen und wird ihn dafür im Gegenzug als Ministerpräsidenten und Verhandlungsführer für Sondierungsgespräche vorschlagen. Ilse Aigner soll Landtagspräsidentin werden. Damit wäre die Macht auch gemäß dem Regionalproporz aufgeteilt: zwischen dem Franken Söder, der Oberbayerin Aigner und dem Schwaben Kreuzer.

Die Weichenstellung in der Partei dürfte abseits von München in den Bezirksvorständen vorgenommen werden. Die zehn Bezirksverbände sind ein Machtfaktor in der CSU, 2008 hatten sie großen Anteil am Sturz des damaligen Ministerpräsidenten Beckstein. Die Oberbayern waren damals als Erste vorgeprescht. Sie treffen sich diesmal am Montagabend, wie einige andere Vorstände auch. Freunde raten Seehofer, die Sitzung der Oberbayern aus Eigeninteresse auf keinen Fall zu verpassen.

So gerne sich viele von Seehofer verabschieden würden, so schwierig wäre es formal. Nur ein Sonderparteitag könnte ihn abwählen, aber auch nur dann, wenn der bis 2019 gewählte Parteichef dies selbst auf die Tagesordnung setzen würde. Davon ist nicht auszugehen. Seehofer werde um seine Ämter kämpfen, sagen Vertraute. Einen Sonderparteitag müsste der Vorstand beschließen - oder drei Bezirksverbände müssten ihn umständlich beantragen. Womöglich kann sich Seehofer so sogar Entlastung verschaffen: Wenn er am Montag einen Sonderparteitag vorschlägt, etwa um in ein paar Wochen über eine Koalition abstimmen zu lassen, könnte er Druck rausnehmen. Die Partei wäre beschäftigt, Seehofer hätte Zeit gewonnen. Bis zu diesem Sonderparteitag dürfte Seehofer dann um Ruhe bitten für Verhandlungen. "Wir wissen um unsere Verantwortung", sagte er in Ingolstadt mit Blick auf Söder und sich. Das klingt nach dem Kernelement seiner Strategie: Seehofer kettet sich an Söder - ob der will oder nicht.

Söder dürfte zwar als Ministerpräsident ungefährdet sein, aber gleichzeitig hätte er mit einem Ergebnis unter 40 Prozent wohl nicht die Stärke, zusätzlich den Parteivorsitz beanspruchen zu können. Deshalb könnte ein vorläufiger Verbleib Seehofers in Söders Interesse sein: So würde anderen Interessenten am CSU-Chefsessel der Weg verbaut, er müsste die Macht nicht auf Dauer teilen. Die Ambitionen des Europapolitikers Manfred Weber sind gut verbürgt, auch dem Berliner Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wird dies nachgesagt. Der liberale, im Ton eher milde Weber oder der konservative, oft scharfe Dobrindt: Das wäre eine Richtungswahl für die CSU.

Söder will sich aus all dem raushalten. In seinem Umfeld heißt es aber, dass er eher mit Weber leben könnte als mit Dobrindt. Dass Söder und Weber am Dienstag gemeinsam auftraten, wird als symbolischer Akt gewertet. Die Herausforderung für Weber wäre, die Partei zu überzeugen, dass sich die Berliner Pflichten eines Parteichefs mit dem Dienstort Brüssel verbinden lassen. Weber bräuchte in Berlin einen Statthalter, dem er vertrauen kann. Sein Rivale Dobrindt kann es nicht sein. Viele haben Joachim Herrmann im Auge, den Landesinnenminister. Wenn Seehofer als Parteichef geht, wird er auch kaum Bundesinnenminister bleiben wollen - Herrmann wäre der logische Nachfolger.

Die möglichen Koalitionspartner der CSU - Grüne, Freie Wähler und die FDP - pflegen übrigens die leise Hoffnung, dass sie am Ende mit einer CSU-Chefin und Ministerpräsidentin verhandeln dürfen: Ilse Aigner. Diese allerdings hat in der CSU kaum mehr einer auf der Rechnung. Bei der Hoffnung wird es bleiben.

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