Landtagswahl:Eine typisch bayerische Revolution

Die CSU regiert auch die nächsten fünf Jahre. Von einer "linken" Mehrheit ist der Freistaat so weit entfernt wie eh und je. Die Zukunft der SPD ist düster, egal ob sie in der großen Koalition bleibt oder nicht.

Kommentar von Kurt Kister

In Bayern ist am Wahlsonntag viel passiert - und dann aber doch wieder nicht so viel. Ja, die CSU ist abgestürzt. Das hatte nicht nur mit dem grundsätzlichen Trend gegen die Volksparteien zu tun, sondern auch damit, dass diese Partei gegenwärtig vom wahrscheinlich schlechtesten Führungsteam in ihrer jüngeren Geschichte geleitet wird. Den Zick-Zack-Kurs, den Markus Söder im Land fuhr, verstärkte Horst Seehofer mit seiner AfD-ähnlichen Ich-bin-dagegen-Attitüde noch in Berlin.

Und trotzdem: Die CSU liegt mit 37 Prozent immer noch da, wo viele Landesverbände der CDU gerne liegen würden. Demnächst wird in Bayern wohl eine CSU-Freie-Wähler-Regierung vereidigt werden, die manches anders machen wird als bisher, die aber grundsätzlich nichts anderes ist. Gewiss, die Grünen haben stark zugelegt. Aber sie sind nicht einmal so stark, wie es die schwache SPD noch bei der Landtagswahl 2013 war. Bayern ist so weit wie immer von einer irgendwie "linken" Mehrheit entfernt. Grüne und SPD haben zusammen zehn Prozent weniger als die gerupfte CSU alleine.

Die Zukunft der SPD ist düster, egal ob sie in der großen Koalition bleibt oder nicht

Die Wahl also war eine typisch bayerische Revolution. Böllerschüsse, viel Rauch, Träume in Schwabing, die sich in der Nacht so anfühlen, als könnten sie Wirklichkeit werden. Am Tag danach stehen die Alpen noch, und die CSU regiert auch die nächsten fünf Jahre.

Dennoch finden die alten Volksparteien aus der westdeutschen Vergangenheit keine grundlegende Antwort darauf, dass Politikinteresse sich immer weniger auf Parteien konzentriert. Der strategisch unbedarfte Markus Söder, der übrigens keinen Schimmer von "Demut" zeigt, sagte nach einer von mehreren Großdemonstrationen in München, da sei nicht "die Mitte der Gesellschaft" unterwegs gewesen. Leute wie er verstehen nicht, dass Zehn- oder gar Hunderttausende, die in München, Berlin oder am Hambacher Forst demonstrieren, die Gesellschaft besser abbilden als Bezirksparteitage dies tun.

Die Bindewirkung von Parteien nimmt stark ab. In der alten Bundesrepublik haben sich viele über das politische Lager definiert, dem sie sich zugehörig fühlten; für das Lager stand meist eine Partei. 20 Jahre nach dem wirklichen Ende der alten Bundesrepublik, also nach der Abwahl Helmut Kohls, spielen diese Lager eine viel geringere Rolle. Wechselwähler sind die Normalität geworden, und - um eine Alpenvereinsphrase zu benutzen - bei der Wählerwanderung ist der Weg das Ziel.

In der Wirtschaft wird oft über nachlassende "Markentreue" der Kunden geklagt. Wenn das Angebot groß und ähnlich ist, wenn sich die eigenen Bedürfnisse ändern, kauft man nicht mehr das, was man seit Jahrzehnten kennt. In der Politik ist das nicht anders, zumal dann nicht, wenn die einst favorisierte "Marke" immer weniger von dem hat, weswegen man sie früher mal mochte. Mit diesem Problem lebt die SPD, und sie schwebt in manchen Gegenden Deutschlands sogar in der Gefahr, dass sie das Schicksal der FDP erleidet - also zu einer Partei wird, die immer wieder bangen muss, ob sie überhaupt in Landtage einzieht.

Die SPD war im Bund zweimal eine wirkliche Alternative für Deutschland. Unter Willy Brandt bot sie ein Gegenmodell zum innen- wie außenpolitisch verknöcherten CDU-Staat. Und 1998 hatte die Mehrheit der Wähler so sehr genug von Kohls Dauer-Regierung, dass Rot-Grün nicht nur die Ablösung, sondern auch eine gewisse ökologisch-soziale Erneuerung bedeutete. Heute ist das anders. Angela Merkel ist zu einer Variante von Helmut Kohl geworden, so dass sich "Politik" im Bund bald darauf konzentrieren wird, wann und wie Merkel aufhören wird. (Die Rechtspartei, die sich "Alternative für Deutschland" nennt, lebt zu erheblichen Teilen vom Anti-Merkel-Ressentiment.)

Die SPD wird weder als eine Alternative zu Merkel noch als eine Alternative für Deutschland wahrgenommen. Einerseits sitzt sie seit 1998 mit Ausnahme der vier schwarz-gelben Jahre selbst in der Regierung. Andererseits hat sie, auch wegen des Wandels der Union, ihren klassischen Gegner verloren; außerdem ist die "Markentreue" ihres einst angestammten Milieus gering. Wer früher sozialdemokratisch wählte, wandert munter zu den Grünen, den Schwarzen, ja sogar zu den Blaubraunen. Selbst das nicht mehr sehr ausgeprägte Bedürfnis nach einer linken Partei kann die SPD kaum erfüllen; versuchte sie es, würde sie ihren Status als strukturelle Kleinpartei eher festigen. Und über die Konkurrenz linke gegen rechte Mitte, die einst die Republik prägte, ist die Zeit hinweggegangen. Egal, ob die SPD in der großen Koalition bleibt oder nicht: Die viel beschworene "Erneuerung" wird in absehbarer Zeit nicht stattfinden.

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