Oper:Sehnsucht nach Freiheit

Oper: Flammende Anklägerin: die Sopranistin Sally du Randt als Milada in Roland Schwabs Inszenierung von "Dalibor" in Augsburg.

Flammende Anklägerin: die Sopranistin Sally du Randt als Milada in Roland Schwabs Inszenierung von "Dalibor" in Augsburg.

(Foto: Jan-Pieter Fuhr)

Bedřich Smetanas "Dalibor" am Staatstheater in Augsburg

Von Klaus Kalchschmid, Augsburg

Was für eine herrliche Musik: Bedřich Smetanas "Dalibor" mag seine dra-maturgischen und textlichen Schwächen haben, aber es klingt grandios vielschichtig, mit welcher lyrischen Emphase, Melodienseligkeit und harmonischen Raffinesse das Orchester seine Protagonisten unterstützt. Es verleiht dieser vermeintlichen Freiheitsoper eine ungeheure Dringlichkeit, in der doch eher von Machtwillkür, mutiger Zivilcourage bis hin zu Selbstjustiz, unstillbarer Sehnsucht und einer schließlich nicht von Erfolg gekrönten Befreiungsaktion erzählt wird.

Kein Wunder, dass der Komponist das Werk weit über seine ungleich populärere "Verkaufte Braut" stellte. Und die Augsburger Philharmoniker gehören zu Recht seit Kurzem einem Staatstheater an. Denn was sie an diesem Abend in der Ausweichspielstätte am Martinipark, wo es keinen Orchestergraben gibt, unter ihrem Generalmusikdirektor Domonkos Héja leisten, klingt so traumhaft schön, intensiv und warm, fein gestaffelt und präzise, dass man beseligt in die Pause geht.

Danach ist das Glück dann ganz vollkommen. Denn Milada, anfangs mit Sonnenbrille und schwarzem Trauergewand (Kostüme: Renée Listerdal) flammende Anklägerin Dalibors, der mit ihrem Bruder, wie sie schließlich erfährt, einen diktatorisch verbrecherischen Herrscher tötete, hat sich in den Täter verliebt und will ihn - als Junge verkleidet - retten. Sally du Randt, die im ersten Akt vor allem in der Tiefe einige Probleme hatte, kann nun mit leuchtenden dramatischen Spitzentönen aufwarten und im langen, fast modern in sich kreisenden Liebesduett mit Dalibor, den Scott MacAllister mit biegsamer, schöner, fein vibrierender Heldentenor-Stimme singt, auch zu innigsten Tönen finden. Roland Schwabs Idee, in einem faszinierend kalt-metallischen Einheitsraum (Alfred Peter) mit Dalibor von Anfang an einen Gezeichneten, einen gefolterten und hinkenden Antihelden zu zeigen, der seinem Geige spielenden besten Freund Zdenko wie einem Geliebten nachtrauert, geht nun auf. Im Gefängnis trägt der angekettete Dalibor im gleißenden Licht ein Schild mit der Aufschrift "Ecce Homo", was durchaus doppeldeutig zu verstehen ist.

Auch die Musik spricht immer wieder von dieser Liebe, die Schwab andeutet, wenn plötzlich ein tot am Boden liegender schöner, junger Mann mit lockigen Haaren zum Geigensolo im Orchester sein Instrument in die Höhe reckt. Dieser Zdenko ist es auch, der am Ende halbnackt aufsteht und in Zeitlupe barfuß auf das Publikum zugeht und anstelle von Dalibor erschossen zusammenbricht, während sich dieser in einem Weinkrampf schüttelt. Andererseits zeigt Schwab mit dem Kerkermeister Beneš, den Stanislav Sergeev fulminant singt und spielt, einen Getriebenen, der zwischen Überwachungsvideos und den Verhaltensregeln des Kanzlers (Wiard Witholt) via TV-Schirm Aufnahmen von Kindern auf dem Spielplatz beobachtet und der als Junge verkleideten Milada körperlich gefährlich nahekommt. Alejandro Marco-Burmester als König Vladislav, Jihyun Cecilia Lee als Jitka und Roman Poboiynyi als ihr Verlobter Vitek ergänzen das exzellente Augsburger Ensemble. Wie immer in Schwabs Inszenierungen spielt das Licht eine große Rolle, hier von Marco Vitale wie ein zusätzlicher Darsteller eingesetzt. Immer wieder entwickeln die "Moving Lights" genannten Scheinwerfer ein Eigenleben und bilden auf der Bühne und im Zuschauerraum die Utopie eines Sternenhimmels, wenn der mehrfach von Schüssen niedergestreckte Chor sich einmal mehr als Symbol für Befreiung erhebt und mit seligem Ausdruck die Arme zum Himmel reckt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: