Mutmaßlicher Journalisten-Mord:Trump verteidigt den saudischen Kronprinzen

  • US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag gleich mehrfach den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman verteidigt.
  • Indes soll es im Fall des verschwundenen Journalisten Jamal Khashoggi Audio-Aufnahmen von dessen Ermordung geben.
  • Die New York Times bringt Personenschützer des Kronprinzen mit dem mutmaßlichen Mord in Verbindung.

Von Johannes Kuhn, Austin

Was hat das saudische Königreich von der amerikanischen Regierung zu befürchten? Diese Frage rückt nach dem mutmaßlichen Tod des Journalisten Jamal Khashoggi in den diplomatischen Mittelpunkt. Der Dienstag hat weitere Anhaltspunkte geliefert, wie die Antwort lauten könnte.

Angesichts wachsenden öffentlichen Drucks hatte US-Präsident Donald Trump seinen Außenminister Mike Pompeo in die saudi-arabische Hauptstadt Riad geschickt, um dort mehrere Regierungsmitglieder zu treffen. Zu Pompeos Gesprächspartnern gehörte auch Kronprinz Mohammed bin Salman. Der 33-Jährige, der als starker Mann im Königreich gilt, wird verdächtigt, für das Verschwinden des im US-Exil lebenden Regierungskritikers verantwortlich zu sein. Khashoggi war am 2. Oktober nicht von einem Besuch in der saudi-arabischen Botschaft zurückgekehrt.

Am Nachmittag Washingtoner Ortszeit twitterte Trump dann, er habe mit dem Kronprinzen in Pompeos Anwesenheit telefoniert. Der Königssohn habe "komplett bestritten", etwas von den Vorgängen im türkischen Konsulat gewusst zu haben. Der Prinz habe bereits eine Untersuchung in dem Fall angeordnet und werde diese rasch ausweiten. "Es wird bald Antworten geben", so Trump.

Bereits am Montag hatte der US-Präsident gemutmaßt, "unabhängige Killer" (englisch: "rogue killers") könnten für die Tat verantwortlich sein. Die US-Geheimdienste hatten dagegen durchgestochen, dass ihnen zumindest Pläne des Kronprinzen bekannt gewesen seien, Khashoggi entführen zu lassen.

Grausame Details

Mit Trumps Tweet war der Dienstag allerdings noch nicht vorbei. Wenig später ging die Nachrichtenseite Middle East Eye mit weiteren Details zum mutmaßlichen Tathergang online. Sie bezog sich dabei auf eine türkische Quelle, die angeblich existierende Audioaufnahmen angehört haben soll.

Demnach sei Khashoggi in ein Nebenzimmer geschleift und dort auf einen Tisch gepresst worden. Es habe keine Verhörversuche gegeben, stattdessen habe man Khashoggi unter dessen Schreien ermordet und unter anderem bereits mit dem Zersägen des Körpers begonnen, als dieser noch gelebt habe. Khashoggis Todeskampf habe sieben Minuten gedauert, er sei schließlich durch eine Injektion mit einer unbekannten Substanz getötet worden. Einer der Mörder habe während des Vorgangs Kopfhörer aufgesetzt und dies auch den anderen Anwesenden geraten.

Wie seriös die türkische Quelle ist, lässt sich nicht nachprüfen. CNN hatte bereits vergangene Woche berichtet, dass die türkischen Behörden im Besitz von Audio- und Bildmaterial seien - sich dabei aber nur auf indirekte Informationen bezogen.

Die Londoner Nachrichtenseite Middle East Eye wiederum war ihrerseits Teil diplomatischer Streitigkeiten: Saudi-Arabien warf dem Medium in der Vergangenheit vor, dem Emirat Katar nahe zu stehen, einem Gegenspieler in der Region. Die Verantwortlichen bestreiten ihrerseits, von Katar Geld zu erhalten.

Sollten Audioaufnahmen existieren, könnten diese bald an die Öffentlichkeit gelangen und so über Khashoggis Schicksal Klarheit schaffen. In den USA wächst der öffentliche Druck täglich und Senatoren beider Parteien fordern Maßnahmen gegen Saudi-Arabien. Trump dagegen signalisiert, seine Verbündeten zu stützen.

"Ich mag das nicht", sagt Trump

Diesen Eindruck verstärkt ein Interview mit Trump, das die Nachrichtenagentur AP am späten Nachmittag veröffentlichte: "Schon wieder dieses 'schuldig bis zum Beweis der Unschuld'. Ich mag das nicht", erklärt Trump dort. "Wir haben das gerade mit Richter Kavanaugh durchgemacht und er war völlig unschuldig meiner Meinung nach. Wir müssen also herausfinden, was passiert ist." Brett Kavanaugh war von Trump für den Supreme Court nominiert worden und trotz Vorwürfen sexuellen Fehlverhaltens als Jugendlicher und Student vom Senat bestätigt worden.

Wenige Minuten nach der AP ging die New York Times mit einer eigenen Enthüllung an die Öffentlichkeit. Demnach gehörten vier der fünf Männer, die vor dem mutmaßlichen Mord an Khashoggi in die Türkei geflogen und türkischen Ermittlern zufolge am 2. Oktober im Istanbuler Konsulat anwesend waren, zu den Personenschützern des saudischen Kronprinzen. Bei dem fünften Mann handele es sich um einen Forensiker, der für das Innenministerium in Saudi-Arabien arbeite. Dies widerspricht der Theorie, es könne sich um einen Alleingang saudi-arabischer Sicherheitskreise ohne Wissen Mohammed bin Salmans gehandelt haben.

Die US-Regierung macht sich international zunehmend unglaubwürdig, wenn sie trotz eines wachsenden Stapels an Indizien dem Narrativ "wilder Killer" offiziell Glauben schenkt. Im eigenen Land jedoch kann Trump seinen Anhängern mit dem Schlagwort "Fake News" erfolgreich signalisieren, unliebsame Fakten und Medienberichte zu ignorieren - wenn sie das Thema überhaupt interessiert. Und auch die Republikaner haben sich bislang noch nach jeder rhetorischen Empörung handzahm gezeigt.

Trump prahlte mit Geschäftsbeziehungen

Der US-Präsident hatte vor Tagen zwar eine "schwere Bestrafung" angekündigt, sollte es Beweise für die Verantwortung Saudi-Arabiens geben. Gleichzeitig schloss er aber aus, Waffenexporte an Riad auszusetzen. Trump hat das Königreich zu einem Kern-Verbündeten gegen Iran erklärt. In der Zeit vor seiner Präsidentschaft prahlte er mit besten Geschäftsverbindungen dorthin. Saudi-Arabien war auch das erste Land, das er als US-Präsident besuchte.

"Trump, der härter mit Justin Trudeau und Angela Merkel umspringt als mit Wladimir Putin und Mohammed bin Salman, hat sich dazu entschlossen hervorzuheben, dass Khashoggi kein amerikanischer Staatsbürger ist, und betont stattdessen die Investitionen der Saudis in die amerikanische Wirtschaft", schreibt Ben Rhodes, ein ehemaliger Sicherheitsberater Barack Obamas, im Magazin Atlantic. "Als würde ihn das aus jeglicher Verantwortung entlassen, etwas zu tun."

Journalisten aus aller Welt könnten sich darauf einstellen, vom mächtigsten Land der Erde keine Unterstützung mehr zu erfahren, so Rhodes. Das Königshaus in Riad dagegen werde innenpolitisch gestärkt aus der Angelegenheit hervorgehen und habe am Ende erfolgreich ein Warnsignal an seine Kritiker gesendet. Sein Fazit: "Einmal mehr erleben wir, was passiert, wenn die älteste Demokratie der Welt ihre Rolle aufgibt, demokratische Werte rund um die Welt zu unterstützen."

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