Berge:Zapfenstreich

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Möbel, Likör oder Kissenfüllung: In den Alpen ist die Zirbe allgegenwärtig. Zeit, ein paar Begriffe zu erklären.

Von Dominik Prantl

Arve, die: Neben Arbe, Zirbe oder Zirbelkiefer einer von diversen Namen im deutschsprachigen Raum. Wird deshalb von Botanikern und allen, die Verwechslungen vermeiden oder einfach nur wichtig tun wollen, Pinus cembra genannt.

Balsam, der: zur äußeren Anwendung geeignete Paste, die gemeinhin kosmetische oder pharmazeutische Wirkung besitzt. Kommt in Zeiten der Renaissance von Naturheilmitteln gerne mit dem Öl der Pinus cembra auf den Markt. Hilft dann laut Verkäufern gegen Nackenbeschwerden, Muskel- und Gelenkschmerzen. So etwas wie die vegane Variante des Murmeltier-Balsams.

Duft, der: ganz spezielle olfaktorische Wahrnehmung, die sicher auch noch in Zirbenzimmern aus dem Paläozoikum festzustellen wäre. Zieht unbedingt eine wohlwollende Äußerung wie "Oooh, Zirbe" oder "Aaah, Arve" nach sich.

Elfenbeinröhrling, der: weißbeiges Schwammerl (hochdeutsch: Pilz, österreichisch: liebevolles Schimpfwort), das alleine wegen seines Namens ein eigenes Glossar wert wäre. Lebt wie diverse andere Röhrlinge gerne in Gesellschaft mit der Zirbe. Erinnert daran, dass nicht nur Likörtrinker, Schreiner, Holzschnitzer oder Bergbahnmenschen eine lebenswichtige Symbiose mit dem Baum eingehen.

Frost, der: Temperatur unterhalb des Gefrierpunkts, bei der jede Zirbe nur müde mit ihren in Fünfer-Cliquen gruppierten Nadeln zuckt. Hat selbst in beständiger Zusammenarbeit mit Schnee und Eis oder als Spätfrost kaum eine Chance; macht sämtliche andere Bäume der Alpen platt, bevor er die Zirbe zermürbt.

Graukogel, der: mit Bahnen verkabelter Berg oberhalb von Bad Gastein. Außerdem Kulisse für einen von alpenweit inzwischen mehreren Zirbenwegen, in deren Zusammenhang stets die Bullshitbingo-Begriffe "Zauber", "Königin der Alpen" und "Herzfrequenz" zu lesen sind. Gut gemeint.

Die Zirbe ist längst nicht mehr nur ein Fall für alte Bestimmungsbücher, sondern auch für Schreiner, Hoteliers und Schnapsbrenner. (Foto: imago)

Herzfrequenz, die: senkt sich laut einer von seriösen Medien inzwischen angezweifelten Studie in Schlafzimmern mit Zirbenholzausstattung angeblich um 3600 Schläge pro Nacht, was etwa zehn Prozent entspricht und insbesondere der Zirbenschreinerzunft in die Karten spielt.

Hochzeiger, der: mit Bahnen verkabelter Berg oberhalb des Pitztals. Außerdem Heimat des Zirbenparks mit Zirbenzapfen-Erlebnisturm, Zirbenwasserspielplatz, Zirbenkugelbahnen und Zirbencarts, wobei die Bergbahnbetreiber den Zirben sicher mehr zu verdanken haben als die Zirben den Bergbahnen. Auch gut gemeint.

Holzschnitzer, die: Holzveredelungstechniker von meist sehr unterschiedlichem Geschick. Haben ihr Hauptverbreitungsgebiet traditionell in Südtiroler Tälern. Schwören auf die Zirbe wegen deren weichem Charakter. Müssten angesichts der etlichen positiven Eigenschaften der Zirbe (Herzfrequenz, Balsam) theoretisch allesamt kerngesund sein.

Kleidermotte, die: kleines, Wolle fressendes Miststück aus der Ordnung der Schmetterlinge. Hat laut einer Studie des Instituts für Nichtinvasive Diagnostik am Joanneum Research Graz auf Zirbe wegen deren ätherischer Öle weit weniger Verbreitungschancen als beispielsweise auf Fichte, Birke oder selbst Spanplatte. Würde sich wohl eher kein Kopfkissen mit Zirbenspänen zulegen.

Kopfkissen, das: mit verschiedenen Materialien sowie viel Esoterik ausgestopftes Polster zur Bettung des Hauptes. Wird immer häufiger mit Zirbenspänen gefüllt, was laut Verkäufern den Schlaf verbessern, die Nerven beruhigen, Migräne vorbeugen und früher oder später garantiert auch bei der Herstellung des Weltfriedens helfen soll.

Likör, der: pappsüßer, traditionsreicher Alkopop für Menschen jeglichen Alters. Wird insbesondere auf Almhütten und in anderen Gastronomiebetrieben des alpinen Raums gerne mit Zirbenzapfen aromatisiert. Kann bei übermäßigem Genuss üble Folgen nach sich ziehen, gegen die alle Zirbenmöbel, Balsame oder Kopfkissen der Welt nicht mehr helfen.

Lawine, die: große, an Berghängen in Bewegung geratene Schneemasse. Wird unter anderem durch einen guten Zirbenbestand eingebremst, sofern dieser gute Bestand nicht beim Schreiner oder Holzschnitzer liegt.

Patscherkofel, der: einigermaßen hässlicher, aber sporthistorisch wichtiger Innsbrucker Hausberg mit einem sehr dominanten Sendemasten, der auch die schönste Zirbe in den Schatten stellt. Besitzt einen touristisch gut vermarkteten Zirbenweg hinüber zum weniger hässlichen und sporthistorisch auch gänzlich unwichtigen Glungezer. Das ist angesichts einer neuen millionenteuren, jedoch konstruktionsbedingt häufig stillstehenden Seilbahn eine der besseren Initiativen am Berg seit Jahrzehnten.

Schreiner, die: Holzveredelungstechniker, die heute vielerorts von Ikea abgelöst wurden. Schwören auf die Zirbe wegen der starken Nachfrage nach Zirbenmöbeln. Müssen Medienberichten zufolge für das Holz allerdings auch dreimal so viel wie noch vor 15 Jahren hinlegen. Sind dafür aber mindestens so kerngesund wie die Holzschnitzer.

Tannenhäher, der: weiß getüpfelter, kerngesunder Vogel aus der Gattung der Nussknacker. Legt im Erdboden eichhörnchengleich Depots aus Zirbensamen für den Winter an. Findet sie trotz wissenschaftlich unerklärlich gutem Erinnerungsvermögen nicht alle wieder. Hilft der Zirbe in ihrem Fortbestehen. Hat es damit als nicht einmal taubengroßer Vogel trotz namhafter Konkurrenz durch Hirsch, Steinbock und Bartgeier ins Logo des arvenreichen Schweizer Nationalparks geschafft. Hat bei Elfenbeinröhrlingen, Holzschnitzern und Schreinern mehr als nur einen Stein im Brett.

Wuchsform, die: variiert bei der Zirbe beinahe so stark wie die Herzfrequenz nach einer Nacht im Zirbenzimmer beim Anblick der Kleidermotte. Ist stark abhängig von diversen Größen wie Alter, Standort, Blitzeinschlagfrequenz und Windausgesetztheit. Erzählt einiges über den Lebenslauf des jeweiligen Baumes. Generell gilt: Je oller, desto doller.

Wallis, das: laut einigen Quellen die Region mit der höchstgelegenen, also am höchsten wachsenden Zirbe der Alpen, was irgendwo zwischen 2500 und 3000 Meter sein müsste. Da andere Quellen die höchste Zirbe der Alpen anderswo in den Westalpen oder gar im Sarntal in Südtirol verorten, könnte hier zumindest ganz sicher oder zumindest vielleicht auch die mit annähernd 1000 Jahren älteste und krummste zu finden sein.

Zapfen, der: Wunderwerk der Natur. Beliebt in Zirbenparks, bei Likörproduzenten und Tannenhähern.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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