Kabarettist Wolfgang Krebs:"Jeder Freie Wähler ist ein verhinderter CSUler"

Wolfgang Krebs

Er ist Stoiber, aber auch Seehofer und Beckstein: Kabarettist Wolfgang Krebs in der Germeringer Stadthalle

(Foto: Günther Reger)

Der Kabarettist Wolfgang Krebs spricht über den Humor-Graben zwischen Stadt und Provinz - und wie man einem niederbayerischen Wirtshaussaal die Angst vor Flüchtlingen nimmt.

Interview von Rudolf Neumaier

Wolfgang Krebs, 52, war mal bei der CSU und ist ein gefragter Kabarettist in Bayern. Er parodiert Horst Seehofer, Edmund Stoiber, Markus Söder und andere Politiker so, dass ihnen das Publikum ausnahmsweise gern zuhört. Auf einer Autofahrt von einem Auftritt zum nächsten hörte er sich gerade eine Rede von Hubert Aiwanger an. Zum Üben. Aiwanger hatte in der Rede seinen künftigen Koalitionspartner Markus Söder so wüst beschimpft, dass sich Krebs nur noch wundern konnte. Dann gab er ein Interview zur Lage im Freistaat. Das Telefonieren war wegen der Funklöcher im Hightech-Land Bayern ganz schön schwierig.

SZ: Herr Krebs, die CSU hat im Landtag wieder ihre absolute Mehrheit eingebüßt, und Grüne haben Direktmandate gewonnen. Was ist denn in die Bayern gefahren?

Wolfgang Krebs: Wenn man sich die Wahlen in Bayern über einen längeren Zeitraum anschaut, ist eigentlich alles beim Alten geblieben. Schauen Sie sich mal den Landtag von 1978 an: Da hatten wir 59 Prozent CSU und sechs Prozent FDP auf der bürgerlichen Seite und 31 Prozent SPD. An diesem Zwei-zu-eins-Verhältnis zwischen Konservativen und eher Linken hat sich nullkommanull verschoben. Nur sind die beiden Wählergruppen in sich zerfasert. Die CSU-Klientel wählt Freie Wähler oder FDP oder eben AfD. Ich sage immer, jeder Freie Wähler ist ein verhinderter CSUler. Und auf der anderen Seite tendieren die Leute heute mehr zu den Grünen als zur SPD, was sicher auch am Personal liegt.

Die Grünen sind in den größeren Städten sehr erfolgreich. In München zum Beispiel. Je weiter man von München aus aufs Land geht, desto stärker werden CSU, Freie Wähler und AfD. Besonders homogen wirkt dieses Bundesland nicht.

Das ist es auch nicht! Die Menschen auf dem Land treiben ganz andere Sorgen um als die Stadtbewohner. Es gibt ganz deutliche Unterschiede, da braucht man sich nur das vollkommen unterschiedliche Einkommensniveau anschauen. Es zeigen ja auch die Wahlanalysen, dass zu den konservativen Parteien eher Leute neigen, die keinen Hochschulabschluss haben. Und die hat man eben eher auf dem Land, weil Akademiker in die Stadt gehen.

Ein Bayern - zwei Mentalitäten? Und zwei Welten?

Definitiv. Ich spüre das auch ganz deutlich auf der Bühne. Da gibt es Stellen in meinem Programm, die kann ich auf dem Land gar nicht bringen, weil sie den Menschen einfach fremd sind. Wenn ich ihnen zum Beispiel mit Starbucks komme, da sind sie ratlos. Das fängt schon damit an, dass man auf dem Land nicht versteht, dass es einen Kaffee geben kann, der mit seinen Zutaten preismäßig an eine Mass Bier rankommt. Die ganze Hektik, die Echauffiertheit in der Stadt, die Hysterie - all das kennen die Menschen auf dem Land nicht. Sie werden sehen, welche Panik in München wieder ausbrechen wird, wenn der erste Schnee fällt - da kriechen sie mit 25 km/h durch die Straßen. Da reagieren Landmenschen gelassener, die ziehen Winterreifen auf und brettern weiterhin mit 100 durch die Gegend. Andererseits kann ich bei Auftritten in der Stadt viel schneller spielen. Auf dem Land käme das Publikum mit dem Sprechtempo kaum mit.

Heißt das, Sie haben zwei Programme - eines für die Stadt, eines für Landbühnen?

Nicht ganz. Aber einzelne Nummern muss ich je nach Größe der Stadt anpassen, sonst kann es vorkommen, dass ich in ratlose Gesichter schaue. Eine typische Figur, die zum Beispiel auf dem Land funktioniert, ist der Scheberl Schorsch aus Untergamskobenzeißgrubengernhaferlverdimmering. Der ist in seinem Dorf in 30 Vereinen engagiert und gern angeschickert. Er tritt mit dem Satz auf: "Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber bei uns machen das Ehrenamt immer dieselben und nie die aus dem Neubaugebiet." Auf dem Land ist das immer ein Riesenbrüller. Wenn ich das im Münchner Lustspielhaus bringe, passiert da nichts. Da lacht keiner, weil das niemand versteht. Dieses Bayern ist eine vollkommen andere Welt für die Münchner.

Wolfgang Krebs (Kabarettist)

Kabarettist Wolfgang Krebs

(Foto: wolfgangkrebs.com / CC BY-SA 3.0)

Die Diskrepanz zwischen Stadt und Land spiegelt sich in den Wahlergebnissen.

Und wie! Man braucht sich nur die Freien Wähler anschauen. Die haben mit klassischen Landthemen ihre Stimmen geholt, da waren sie sensibler als die CSU, die auch auf die Stadt geschielt hat. Ich sage nur Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung. Dieses Thema kann für Menschen auf dem Land von existenzieller Bedeutung sein. Wenn ich in den großen niederbayerischen Wirtshaussälen spiele, wird bei diesem Thema gejubelt. Stadtmenschen ist das wurscht.

Was lässt sich denn ein vollbesetzter niederbayerischer Wirtshaussaal von einem Kabarettisten über Flüchtlinge erzählen?

Ich versuche, den Leuten die Angst zu nehmen. Mit Satire geht das, darauf lassen sie sich ein. Wenn man ihnen klarmacht, dass jeder Autofahrer, der am Steuer SMS tippt, gefährlicher ist als ein Flüchtling aus Afghanistan, überzeugt sie das.

Ihr Rezept gegen die Landflucht, für die Belebung der Provinz und für eine Angleichung der Lebensverhältnisse?

Seehofers Idee mit dem Heimatministerium, so sehr sie belächelt wurde, ging in die richtige Richtung. Auf jeden Fall braucht es eine bessere Infrastruktur, digital und im Nahverkehr. Wenn man sich überlegt, dass Konstrukteure ganze Maschinen über Skype mit Indien entwickeln, ist es ja fast absurd, dass bei uns noch so gut wie kein Homeoffice praktiziert wird - und das leider auch, weil Führungskräfte immer noch den archaischen Drang ausleben, ihre Schützlinge um sich zu scharen. Wenn man bezahlbaren Wohnraum will: Auf dem Land gibt es ihn. Ich selbst wohne im Allgäu, habe lange in München gearbeitet und bin überzeugter Kleinstädter. Hören Sie mich noch? Jetzt kommt gleich wieder ein Funkloch. Immer bei Landsberg.

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