Ruhestand:Wer länger lebt, kann auch länger arbeiten

DGB: Rente mit 67 wäre jetzt gesetzeswidrig

Viele Ältere können länger arbeiten - und wollen es auch. Man sollte ihren Ruhestand nicht erzwingen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Deutschen werden im Schnitt künftig 90 Jahre alt. Wie illusionär zu glauben, dass sie alle mit 67 in Rente gehen können! Sie müssen länger arbeiten - alles andere wäre unsozial gegenüber den Jungen.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Als der Lehrer Hubertus John 65 Jahre alt wurde, wollte er Lehrer bleiben. Die Stadt Bremen sagte Nein, weil staatliche Arbeitgeber genau wie private Firmen Mitarbeiter einheitlich in Ruhestand schicken. Dabei wollte John einfach ausnutzen, dass die Deutschen heute 20 Jahre länger leben als nach dem Krieg, und dass sie länger gesund sind. Viele können länger arbeiten - und wollen es auch. Der Lehrer klagte 2017 bis vor den Europäischen Gerichtshof. Er verlor. Die Ironie der Geschichte: Bremen, der unflexible Arbeitgeber, klagt heute über Lehrermangel. Genau wie private Firmen über Fachkräftemangel.

Der Forscher Bert Rürup schlägt nun vor, das Ruhestandsalter schrittweise auf mehr als 67 Jahre zu erhöhen. Der frühere Wirtschaftsweise hat recht. In einer alternden, schrumpfenden Gesellschaft sollten die Menschen länger arbeiten. Sonst schrumpft mangels Personal die Wirtschaft und damit der Wohlstand. Sonst kippt das Rentensystem, dem die Bürger bereits misstrauen. In Umfragen fürchten bis zu 80 Prozent, dass ihre Rente nicht reichen wird.

Diese Ängste lassen sich nur durch eine große Reform bannen, die Verschiedenes kombiniert: Sie verbessert die gefloppte Riester-Vorsorge. Sie befreit Arbeitnehmerinnen aus der Teilzeitfalle, die altersarm macht. Sie streicht Privilegien der Beamten, die kaum für ihre Pension einzahlen. Und sie bewegt die Bürger, länger zu arbeiten. Die meisten können das: Mit Ende 60 bewerten drei Viertel der Menschen ihre Gesundheit als gut bis ausgezeichnet.

Aber was ist mit dem Maurer, der nicht so lange arbeiten kann? Wer körperlich am Ende ist, verdient eine ausreichende Frührente. Seltsamerweise kümmern sich die Politiker, die gegen ein späteres Ruhestandsalter wettern, bisher kaum darum. Wer krankheitsbedingt aufhören muss, hat ein Armutsrisiko von bis zu 50 Prozent. Erst seit Kurzem geht die Regierung dieses Problem an. Menschen, deren Gesundheit durch die Arbeit ruiniert wurde, sind in der Minderheit. Und sie werden in der digitalen Ära noch deutlicher in der Minderheit sein. Maschinen übernehmen immer mehr von der Plackerei. Es wird Zeit, einer Realität ins Auge zu blicken, in der die Deutschen bald im Schnitt 90 werden. Wie schön! Aber auch wie illusionär zu glauben, die Menschen könnten 30 bis 40 Jahre lang arbeiten und danach 20 bis 30 Jahre lang hohe Altersbezüge finanziert bekommen!

Das Ruhestandsalter muss jede Dekade um etwa ein Jahr steigen

Bald werden die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Beruf ausscheiden, die Rente kann dann nur stabil bleiben, wenn das Ruhestandsalter jede Dekade um etwa ein Jahr steigt. Das ist nicht unsozial. Unsozial ist vielmehr: einseitig Arbeitnehmer unter 50 zahlen zu lassen. Darauf läuft hinaus, was Union und SPD gerade tun. Sie überhäufen die meist gut versorgten Senioren von heute, die viel seltener arm sind als andere Altersgruppen, mit Wahlgeschenken wie der Frührente mit 63. Und jetzt verspricht die SPD auch noch, das Rentenniveau die nächsten 20 Jahre zu garantieren. Dazu müsste der Steuerzuschuss in die Alterskasse verdoppelt werden - auf mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr.

Statt die Bürger für dumm zu verkaufen, sollten die Regierungsparteien ihnen erklären, dass länger arbeiten kann, wer immer länger lebt.

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