Bayern-SPD:Renate Schmidt kritisiert Natascha Kohnen scharf

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Da unterstützte Renate Schmidt (li.) Natascha Kohnen noch im Wahlkampf, nun macht sie ihr harsche Vorwürfe. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • SPD-Urgestein Renate Schmidt hat Landeschefin Natascha Kohnen wegen ihres Wahlkampfstils angegriffen.
  • Kohnen selbst hatte angekündigt, diesen Sonntag im Landesvorstand "über alles" reden zu wollen.

Von Lisa Schnell, München

SPD-Urgestein Renate Schmidt kritisiert Landeschefin Natascha Kohnen scharf für ihren Wahlkampfstil. Vom Landesvorstand, der diesen Sonntag in Nürnberg auch über Kohnens Zukunft diskutieren will, erwartet sie Selbstkritik. "Der Landesvorstand würde es sich zu einfach machen, wenn er für das schlechte Ergebnis nur die große Koalition verantwortlich machen würde", sagt Schmidt, die von 1991 bis 2000 die Bayern-SPD führte und für sie 1994 ein - aus heutiger Sicht - Traumergebnis von 30 Prozent holte.

Natascha Kohnen habe sehr fleißig und intensiv Wahlkampf betrieben, sagt Schmidt, insgesamt sei sie aber "zu still und zurückgezogen" gewesen. "Wenn man wie Kohnen einen Bekanntheitsgrad hat, der deutlich unter dem des politischen Gegners liegt, muss man jeden Medientermin wahrnehmen. Da ist kein Termin wichtiger", sagt Schmidt. Kohnen hatte im Wahlkampf öfters Interviewanfragen an sich vorbeiziehen lassen. Auch ihre Kampagne, die auf "Anstand" und "Stil" setzte, kritisiert Schmidt: "Die Frage des politischen Stils ist eine Frage, wie man Politik macht.

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Die Antwort, was man eigentlich tun will, ist ein großes Stück auf der Strecke geblieben." Das gelte auch für das Thema Wohnen, das Kohnen in den Mittelpunkt ihrer Kampagne stellte. "Ich selbst würde mich sehr schwer tun, zu argumentieren, warum unser Wohnbaukonzept besser ist als das der Grünen", sagt Schmidt. Ebenso gehe es ihr mit der Bildungspolitik. Und ähnlich bei der Flüchtlingspolitik, die den Wahlkampf dank der CSU beherrschte. "Wir haben auch in der Flüchtlingsfrage keine Position, die erkennbar ist", sagt Schmidt. "Das Motto kann nicht sein: Ich rede nicht darüber, dann interessiert es die Leute nicht mehr."

Kohnen vertrat im Wahlkampf die Auffassung, dass die Menschen sich in erster Linie für soziale Themen interessieren und die Flüchtlingsthematik vor allem von den Medien und der CSU hochgespielt werde. Ist sie also noch die Richtige an der Spitze der SPD? Natürlich hätten auch die große Koalition und die Bundes-SPD zu dem schlechten Ergebnis beigetragen, sagt Schmidt. Kohnen habe auch ihre Verdienste, sie sei eine "intelligente und sympathische Frau". Sie sagt aber auch: "Es muss eine Einsicht in eigene Fehler geben und dann ein verändertes Verhalten. Wenn das überzeugend ist, kann man selbstverständlich in seiner Position bleiben."

Kohnen selbst hatte angekündigt, diesen Sonntag im Landesvorstand "über alles" reden zu wollen. Drei Szenarien sind denkbar: Dass der Vorstand Kohnen offen die Vertrauensfrage stellt, gilt eher als unwahrscheinlich. Die Mehrheit des Vorstands steht hinter Kohnen. Stürzt sie, stürzen nicht wenige von ihnen mit ihr. In der Partei brachten ihr die klaren Worte im Fall Maaßen viel Zuspruch ein. Dass ihre Kritiker schon kurz nach den ersten Prognosen personelle Konsequenzen forderten, könnte die Solidarität zu Kohnen eher erhöht haben.

Szenario zwei scheint realistischer zu sein: ein vorgezogener Parteitag, auf dem sich der Vorstand erneut zur Wahl stellt. Viele der Bezirkschefs zeigen sich offen für diese Idee, auch solche, die als Kohnens Unterstützer gelten wie etwa Florian Ritter, Bezirkschef von Oberbayern oder sein Kollege aus Mittelfranken, Carsten Träger. Einige rechnen damit, dass Kohnen selbst den Vorschlag macht, ansonsten ist mit einem Antrag zu rechnen. Spannend wird es, wenn sich noch weitere Bewerber für den Landesvorsitz finden. Manche könnten sich den Landtagsabgeordneten Arif Tasdelen vorstellen, der am Freitag nicht erreichbar war.

Szenario Nummer drei: Der Vorstand spricht Kohnen das Vertrauen aus. Es gibt Regionalkonferenzen oder andere Foren, in denen das Wahlergebnis analysiert wird. Es scheint der unspektakulärste Ausgang zu sein, bei einigen aber würde er für schiere Empörung sorgen.

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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