Von SZ-Autoren:Das Protokoll des NSU-Prozesses

Man mag es kaum glauben: Es gibt kein offizielles Protokoll des NSU-Prozesses. Vier SZ-Autoren haben alle 438 Tage mitgeschrieben.

Das glaubt erst mal niemand: Es gibt kein offizielles Protokoll des wichtigsten Prozesses seit der Wiedervereinigung. Keine Homepage, auf der man nachlesen kann, was in den fünf Jahren des NSU-Prozesses geschah, keine Tonaufnahme, und auch kein Stenograf hat mitgeschrieben. Der Richter hat das abgelehnt. Deswegen haben die vier SZ-Autoren Annette Ramelsberger, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz und Rainer Stadler die Mühe auf sich genommen und jeden einzelnen der 438 Tage mitgeschrieben, im Wortlaut.

Daraus ist ein Werk von 2020 Seiten entstanden, das mehr ist als eine Prozessdokumentation. Es ist eine Tiefenbohrung in die Gesellschaft, ein Lehrstück deutscher Geschichte. Es erklärt, warum Verfassungsschützer 13 Jahre lang nicht erkannten, wer da mordend durch das Land zog, und warum in Chemnitz heute Neonazis Seit an Seit mit besorgten Bürgern marschieren. Dieses Werk zeigt, wie tief der Hass des NSU in die Gesellschaft eingedrungen ist. Es erhellt nicht nur die Vergangenheit, es zeigt, von welchen Kräften die Zukunft geprägt ist. Man hört die Demokratieverächter und ihre Opfer im Originalton. Danach kann keiner mehr sagen, er hätte nicht gewusst, was da passiert.

Annette Ramelsberger, Tanjev Schultz, Rainer Stadler, Wiebke Ramm: Der NSU-Prozess. Das Protokoll. Verlag Antje Kunstmann, München 2018. Fünf Bände, zus. 2020 Seiten, 80 Euro.

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