Fall Khashoggi:Zweifel an der Version aus Riad

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Ein Wachmann steht vor dem saudi-arabischen Konsulat in Istanbul, in dem der Journalist Jamal Khashoggi ums Leben kam. (Foto: AP)
  • Die saudi-arabische Regierung hat eingeräumt, dass der regimekritische Journalist Anfang Oktober in den Räumen des Konsulats in Instanbul getötet wurde.
  • Die Version des Regimes, Khashoggi sei bei einem Faustkampf mit Mitarbeitern des Konsulats zu Tode gekommen, wird international jedoch bezweifelt.
  • Die Bundesregierung fordert eine lückenlose Aufklärung. Mehrere Politiker wollen nun Rüstungsexporte in das Land überdenken.

Der Westen erhöht im Fall des getöteten Journalisten Jamal Khashoggi den Druck auf Saudi-Arabien. Mehrere Politiker haben große Zweifel an der saudi-arabischen Version zum Tod des Regimekritikers geäußert. Erst auf massiven internationalen Druck hin hatte die Regierung in Riad am Freitagabend eingeräumt, dass Khashoggi am 2. Oktober im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul gewaltsam zu Tode kam.

Die offizielle Version, verbreitet von Staatsfernsehen und staatlicher Nachrichtenagentur, lautet: Zwischen Khashoggi und mehreren Konsulatsmitarbeitern sei es zu einem Streit gekommen, aus dem sich ein Faustkampf entwickelt habe. Dabei sei der Journalist gestorben.

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Von Malte Conradi

Kanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Heiko Maas veröffentlichten am Samstagnachmittag eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Tötung Khashoggis "in aller Schärfe" verurteilen. "Von Saudi-Arabien erwarten wir Transparenz im Hinblick auf die Todesumstände und die Hintergründe. Verantwortliche müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die vorliegenden Angaben zu den Abläufen im Konsulat in Istanbul sind nicht ausreichend", schrieben Merkel und Maas.

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Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderten eine umfassende Untersuchung. Die Ermittlungen müssten "rasch, gründlich und transparent" durchgeführt werden, teilte Guterres' Sprecher mit.

Türkischen Medienberichten zufolge, die sich auf Audioaufnahmen aus dem Konsulat stützen, wurde Kashoggi gefoltert und getötet, sein Leichnam zerstückelt. Das hatte die Regierung Saudi-Arabiens vehement bestritten.

Khashoggi wollte am 2. Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul Papiere abholen und ist seitdem verschwunden. Die türkischen Behörden gehen davon aus, dass er von einem aus Saudi-Arabien angereisten 15-köpfigen Spezialkommando getötet wurde. Ermittler durchsuchen derzeit einen Wald nördlich von Istanbul und Gebäude in der Stadt Yalova im Süden. Sie vermuten, dass sich an einem der Orte die Leiche des Journalisten befindet.

Die türkische Regierungspartei AKP verspicht die Aufklärung des Falles. "Wir beschuldigen niemanden im Voraus, aber wir sind nicht dazu bereit, etwas zu verbergen", sagte Parteisprecher Ömer Celik. Das sei auch der Wille von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Vize-Parteichef Numan Kurtulmus betonte, man werde sämtliche Beweise für ein mögliches Verbrechen veröffentlichen. Es handele sich um eine "außerordentlich scheußliche und entsetzliche Angelegenheit", sagte er der Nachrichtenagentur Andolu. "Es ist nicht möglich für die saudische Regierung, sich aus diesem Verbrechen herauszuwinden, wenn es bestätigt wird."

Anders als zahlreiche europäische Politiker hielt US-Präsident Donald Trump die von Saudi-Arabien gegebene Erklärung für Khashoggis Tod zunächst für glaubwürdig. Später sagte er, er sei nicht zufrieden. Saudi-Arabien habe einen ersten großen Schritt getan. "Aber ich will die Antwort bekommen." Gleichzeitig warnte Trump vor dem Stopp eines milliardenschweren Rüstungsgeschäfts mit Riad. "Es ist nicht hilfreich für uns, so eine Bestellung zu streichen. Das tut uns sehr viel mehr weh als es ihnen wehtut", sagte er. Es gebe aber "andere Dinge, die getan werden könnten, dazu gehören auch Sanktionen".

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), forderte in der Welt am Sonntag einen Stopp aller Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, "falls es nicht ganz kurzfristig zu entscheidenden, auch machtpolitischen Konsequenzen" in dem Land komme.

Nach so einem unfassbaren Vorgang gehöre das deutsche Verhältnis zu Saudi-Arabien auf den Prüfstand, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe die klare Verabredung in der großen Koalition, Die Richtlinien für Waffenexporte künftig viel restriktiver zu gestalten.

Saudi-Arabien ist in diesem Jahr bisher nach Algerien der zweitgrößte Kunde der deutschen Rüstungsindustrie: Bis zum 30. September erteilte die Regierung Exportgenehmigungen im Wert von fast 420 Millionen Euro.

"Freifahrtschein aus Washington"

Röttgen fordert außerdem einen Boykott der bevorstehenden Investorenkonferenz in Saudi-Arabien. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, hatte ihre Teilnahme vor einigen Tagen bereits abgesagt. Zu der Konferenz, die als "das Davos des Nahen Ostens" vermarktet wird, sind auch zahlreiche Vorstände großer Unternehmen geladen, etwa Siemens-Chef Jo Kaeser.

Zusätzlich, so Röttgen weiter, sollte die Bundesregierung "mit den Partnern in der EU und der Nato koordinieren, dass auch diplomatisch abgestimmte Schritte wie die Ausweisung von Botschaftsangehörigen beschlossen werden, falls Saudi-Arabien nicht umfassende Konsequenzen zieht".

Das Verhalten von Trump "nach dem mutmaßlichen Foltermord" sei die "Fortsetzung einer Politik, die den Saudis den Eindruck vermittelt, sie hätten aus Washington einen Freifahrtschein", sagte Röttgen. Die Bundesregierung solle nun zusammen mit allen europäischen Regierungen "zunächst den USA und dem amerikanischen Präsidenten klarmachen, dass es sich hier um einen absoluten Testfall der moralischen internationalen Führungsrolle der USA handelt".

© dpa/AFP/Reuters/olkl/tba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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