Dauerausstellung:Geschichte im Zeitraffer

Dauerausstellung: Nicht nur Fotos, Schautafeln und Videos werden in der Dauerausstellung gezeigt. Auch viele Alltagsgegenstände aus vergangenen Zeiten sind zu sehen.

Nicht nur Fotos, Schautafeln und Videos werden in der Dauerausstellung gezeigt. Auch viele Alltagsgegenstände aus vergangenen Zeiten sind zu sehen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Erinnerungsort macht den Wandel in Waldram erlebbar

Von Susanne Hauck

Der "Erinnerungsort Badehaus" ist zwar ein kleines Museum. Was die Waldramer Bürgerinitiative geschaffen hat, kann man jedoch als große Leistung bezeichnen. Zum einen hat sie das historische Gebäude erfolgreich vor dem Abriss gerettet. Zum anderen ist die Ausstellung wirklich gelungen. Denn sie erlaubt es, sich anhand der modernen Präsentation in den Alltag der Lagerbewohner hineinzuversetzen. Die Macher haben nicht den Fehler gemacht, den Besucher mit einem Zuviel an Text zu erschlagen, sondern setzen auf viele Bilder, Originalstücke, Filmausschnitte und lassen immer wieder Zeitzeugen zu Wort kommen.

Die Dokumentations- und Begegnungsstätte ist ein Spiegel der Zeitgeschichte von der NS-Zeit bis in die Fünfzigerjahre. Der Besucher, der durch die Räume wandert, erlebt Historie wie im Zeitraffer: anfangs wohnten Zwangsarbeiter der Geretsrieder Munitionsfabriken in Föhrenwald, im Badehaus waren die Gemeinschaftsduschen untergebracht. 1945 führte der Todesmarsch der Dachauer KZ-Häftlinge daran vorbei, nach Kriegsende richteten die Amerikaner ein Camp für jüdische Holocaustüberlebende ein. Es war das am längsten existierende sogenannte Displaced-Persons-Camp nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, wie die Historikerin Sybille Krafft recherchiert hat. Von 1956 an wurden katholische kinderreiche Heimatvertriebene angesiedelt und der Ort in Waldram umbenannt.

Großformatige Bilder erzeugen die Illusion direkt dabei zu sein, Installationen machen die Geschehnisse lebendig. Alte Munitionskisten aus den Rüstungsbetrieben sind ebenso in den Räumen arrangiert wie das Original-Fluchtgepäck eines Waldramers der ersten Stunde. Die Ausstellung dockt auch eng an Wolfratshauser Geschichte an. So ist ein Brief von Anna Kubat ausgestellt, einer verschleppten ukrainischen Zwangsarbeiterin, die 2001 an die Stadt um Entschädigung schreibt. Noch 73 Jahre später ist dem Einheimischen Max Roderer die Erschütterung anzumerken, wenn er im Interview erzählt, wie der Todesmarsch an der Littig-Villa vorbeikam und die SS die Hunde auf entkräftete Menschen hetzte. Auch Isarkaufhaus-Gründer Otto-Ernst Holthaus teilt seine Erinnerungen. Die Macher haben auch seltene Bild- und Filmdokumente auf privaten Dachböden und in internationalen Archiven aufgetrieben. Ein Filmausschnitt zeigt General Eisenhower 1945 beim Besuch des DP-Camps Föhrenwald, die Bewohner stehen zur Begrüßung Spalier. Viele Relikte hätten sich auch in den Waldramer Häusern gefunden, berichtet Sybille Krafft, die Vorsitzende des Vereins "Bürger fürs Badehaus". So stehen in der Vitrine eine verrostete Colgate-Zahnpulverbüchse und alter Instantkaffee aus den Nachkriegsjahren. Im Raum der Waldramer Anfangsjahre erzählen Maria Mannes und Nachbarn, dass die letzten jüdischen Bewohner eigentlich gar nicht weg wollten, als sie mit Lastwagen davongefahren wurden. Sich noch intensiver auf die Lebensschicksale der Bewohner einlassen kann man im Dachgeschoss im "Wald der Erinnerung" mit seinen stilisierten Föhren. Von ganz oben geht es dann nach unten zum Herzstück des ehemaligen Badehauses, der Mikwe. Von dem einstigen jüdischen Ritualbad ist schon lange nichts mehr übrig, es ist ein kleiner geweißelter Raum. An die Stelle, wo einst wohl die Stufen hinabführten, wird ein Film auf den Boden projiziert.

Das Badehaus wurde seit den Sechzigerjahren von der Erzdiözese München und Freising für Wohnungen und Lager genutzt. Nachdem die letzten Bewohner 2011 ausgezogen waren, sollte es abgerissen werden. Sechs Jahre lang kämpfte der Verein "Bürger fürs Badehaus" um den Erhalt und um Gelder. 2015 überließ die Kirche das Badehaus dem Verein für eine Dokumentationsstätte. Die kostete samt Sanierung des Gebäudes 1,8 Millionen Euro; das Geld stammt aus Fördermitteln, Spenden und Eigenleistung.

Öffnungszeiten: Freitag 9 bis 16, Samstag und Sonntag 13 bis 17 Uhr. Eintritt: 5, ermäßigt 3 Euro

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