Weßling:Zwischen den Welten

Weßling: Mit Cembalo, Kontrabass und Flöte: das Ensemble mit Uta Sasgen (2. v. li.) beim Auftritt im Pfarrstadel Weßling.

Mit Cembalo, Kontrabass und Flöte: das Ensemble mit Uta Sasgen (2. v. li.) beim Auftritt im Pfarrstadel Weßling.

(Foto: Arlet Ulfers)

Acht Mitglieder des Orchesters vom Gärtnerplatztheater spielen in Weßling Musik von Carl Philipp Emanuel Bach, die an der Schwelle zum empfindsamen Stil steht

Von Reinhard Palmer, Weßling

William Boyce ist hierzulande kein häufig gespielter Komponist des 18. Jahrhunderts. Er war auch seinerzeit kein herausragender Meister dieser schillernden Epoche, obwohl sein Werk in Qualität und Umfang imposant daherkommt. Zugute muss man ihm vor allem halten, dass er sich Händels dominierendem Einfluss erfolgreich entzog und eine eigene Handschrift zu entwickeln vermochte.

Das Allegro der Sinfonie B-Dur erwies sich mit seinem beschwingten Wogen und der galanten, vergnüglichen Feierlichkeit geradezu ideal als Ouvertüre und stand exemplarisch für den spielfreudigen Stil des englischen Komponisten, dem das achtköpfige Kammerensemble aus den Reihen des Orchesters vom Münchner Gärtnerplatztheater einen schwungvollen Auftritt verschaffte. Im Fokus des vom Verein "Unser Dorf" veranstalteten Barockkonzerts "Zwischentöne" im Weßlinger Pfarrstadel sollte aber Carl Philipp Emanuel Bach an der Schwelle zum empfindsamen Stil stehen. Flötistin Uta Sasgen, in der Gegend heimisch und derzeit im Pfarrstadel mit einer Ausstellung ihrer Pastellmalerei vertreten, führte das Publikum mit fesselnden wie humorvollen Details durchs Programm.

Schon die Sonate c-Moll für zwei Violinen und Basso continuo führt die hartnäckig kolportierte Behauptung ad absurdum, programmatische Musik gebe es erst seit dem 19. Jahrhundert. Der musikalische Widerstreit eines Sanguinikers mit einem Melancholiker im Kopfsatz, hier von Ava de Araujo Madureira und Birgit Seifart ausgefochten, ist eine Szene, die den Ausdrucksraum in den Extremen auslotet. Um so packender kam der einhellig mit Verve ausgespielte zweite Satz, von Franz Lichtenstern (Violoncello) und Robert Schröter (Cembalo) im Continuo straff angetrieben.

Einen mehr oder weniger programmatischen Hintergrund bot auch Vivaldis Concerto g-Moll RV 104 mit dem Untertitel "La Notte" zum Abschluss des Konzerts. Mit Sasgen und Cornelius Rinderle (Fagott) bekamen die Streicher eine farbliche Anreicherung, die den vier musikalisch umgesetzten Schlafphasen reich variierte Traumeswirren bescherte und stark emotional grundierte Bilder hervorrief. Bis hin zum rasanten Sturmlauf im Schlussallegro zur typischpulsierenden Begleitstruktur à la Vivaldi.

Carl Philipp Emanuel Bachs spätbarocke Sinnenfreuden meldeten sich ausgeprägter in den beiden Concertos zu Wort, deren Wirkung von den solistischen Parts gesteigert wurde, zumal mit Dorothea Galler (Viola) und Andreas Riepl (Kontrabass) das begleitende Sextett gegenüber der c-Moll-Sonate an Substanzfülle zulegte. Das Concerto d-Moll WQ 22 hat nicht zuletzt einen so anspruchsvollen Flötensatz, weil Bach für die Aufführungen auf Johann Joachim Quantz sowie Friedrich den Großen bauen konnte.

Das Orchester hielt sich straffer und gab Sasgen das Geleit für ein melancholischeres melodiöses Spiel. Im langsamen Satz kehrte sich das Verhältnis um: Während die Streicher mit majestätischer Breite für Atmosphäre sorgten, konnte Sasgen ihren Flötengesang darüber blühen lassen. Mit Hell-Dunkel- sowie Hoch-Tief-Kontrasten an emotionalen Wirkungen reich, musste zur Steigerung im Schlusssatz schon ein Feuerwerk folgen. Sasgen feuerte es mit rasanter Virtuosität ab, während die Begleiter mit Temperament und erregtem Puls antrieben.

Eine solche Dramaturgie ist auch dem Concerto a-Moll WQ 170, ursprünglich in erster Linie fürs Violoncello, immanent, doch schon mit einer Tendenz zur Dramatik der Klassik. Cornelius Rinderle nahm sich des Werkes auf dem Fagott an, was der Komposition gegenüber der Originalbesetzung spielfreudige Leichtigkeit gab. Sogleich zu Beginn nach der energischen Streichereinleitung offenbarte sich der Unterschied. Aber auch hier bedachte Bach den Solopart in melodiösen Passagen mit mehr Melancholie.

Das ging mit dem Fagott stimmig auf, so auch entsprechend im mittleren Satz mit einem wunderbar lyrisch fließenden Gesang zu strafferen Streichern. Wie schon in den vorhergegangenen Kompositionen fanden im Schlusssatz Solist und Orchester eng zusammen, wirbelten temperamentvoll in schärfer geschnittener Rhythmik.

Dank Rinderles konzertanter Virtuosität und Bravour stand das Fagott dem Temperament des Violoncellos in der Originalbesetzung wohl kaum nach. Für den begeisterten Applaus am Konzertschluss gab es noch einmal Boyce.

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