Bischofssynode in Rom:Das vatikanische Paralleluniversum

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Vor elf Tagen versammelten sich die Bischöfe zur Heiligsprechung des Erzbischofs Óscar Romero auf dem Petersplatz. (Foto: AP)
  • Noch bis kommenden Samstag tagen in Rom Hunderte Bischöfe. Offizielles Thema der Synode ist: "Jugend, Glaube, Berufungsentscheidung".
  • Doch die derzeit wichtigsten Probleme der katholischen Kirche gehen die Bischöfe nicht an. Der Streit zwischen Reformern und Konservativen wird nicht offen ausgetragen.

Von Matthias Drobinski

Schon am Morgen drängen sich die Gläubigen, die zur Generalaudienz auf den Petersplatz wollen. Erschwerte Bedingungen für die Herren in den wehenden schwarzen Gewändern, die roten oder lila Käppis auf dem Kopf, die blaue Tasche voller Unterlagen in der Hand: Sie müssen sich durch die Pilgergruppen quetschen, um in den Vatikan zu kommen. Seit dem 3. Oktober füllt sich jeden Morgen außer sonntags der holzgetäfelte Saal über der Audienzhalle: Vorn sitzt der Papst, ihm gegenüber auf roten Polsterstühlen die Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe, 350 meist ältere Männer. In den hinteren Reihen sitzen 50 Berater, darunter 34 Menschen, die jünger sind als 30 Jahre. Es tagt die Bischofssynode, noch bis zum Samstag. Ihr Thema: "Jugend, Glaube, Berufungsentscheidung".

Gibt es gerade heißere Themen in der katholischen Kirche? Weltweit wird offenbar, wie viel sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche es in dieser Kirche gegeben hat; es drängt die Frage, ob und inwieweit die zölibatäre Lebensform der Priester und das Allmachtsdenken der Kleriker dazu beigetragen haben. Kaum ein junger Katholik hält sich noch an die Regeln der katholischen Sexualmoral, es gibt Streit über die Bewertung von Homosexualität, Frauen wollen stärker mitbestimmen. Es müsste hier Streit geben, was die Kirche ändern muss und was nicht, so wie 2015 und 2016, als auf zwei Familiensynoden Reformer und Bewahrer aufeinanderprallten.

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Doch diesmal fehlt der Streit: Die Reformer wissen nun um ihre Grenzen auch unter Papst Franziskus, die Bewahrer sparen sich den Kampfmodus. Inmitten der Kirchenkrise lassen die Synodenteilnehmer in nicht öffentlicher Sitzung Vier-Minuten-Statements über sich ergehen, untermalt von einer fromm-kitschigen Diashow. Es gibt den bewegenden Bericht eines afrikanischen Bischofs, wie sein Bistum ausblutet, weil so viele junge Menschen gehen. Ein amerikanischer Kardinal regt an, auch homosexuelle Partnerschaften anzuerkennen, aber das Kürzel LGBT zu meiden. Ein polnischer Hirte nennt das neue Marx-Denkmal in Trier ein Zeichen grassierender Gottlosigkeit. Das bleibt alles so stehen, ohne Debatte; Ärger gibt es nur, als bekannt wird, dass zwar künftig männliche Ordensobere Rederecht auf der Synode haben sollen, weibliche aber nicht. Eine eigene Synodenwelt.

Das Bild will Thomas Andonie so nicht stehen lassen. 28 Jahre ist er alt, der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) mit insgesamt 660 000 Mitgliedern. Andonie hat seit dem 3. Oktober Sitzung um Sitzung absolviert. Sein Statement war deutlich: Beim sexuellen Missbrauch liege "das Problem im System", die Kirche könne nicht weiter "fünfzig Prozent der Bevölkerung von der Leitung ausschließen"; die meisten Jugendlichen lehnten die kirchliche Sexualmoral ab. Es gab Empörung bei einigen Konservativen, "aber viele sind zu mir gekommen und haben mir gratuliert: Gut, dass Sie das so offen gesagt haben", sagt Andonie.

Das sind die kleinen Veränderungen bei der Synode: Es gibt nun solche Stimmen, und sie bekommen Applaus von den Beratern in den hinteren Reihen. Der ist nun zum ersten Mal erlaubt, mehr noch: Papst Franziskus kommt einmal eigens nach hinten und ermuntert die Beraterschar, weiter Lärm zu machen; überhaupt treffen die Synodalen einen lockeren Papst, der plaudert, zuhört, Fragen stellt. Laute Zustimmung gibt es, als der Münchner Kardinal Reinhard Marx mehr Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen fordert und dass der Missbrauchsskandal Konsequenzen für das Selbstverständnis der Kirchen haben müsse. Als dagegen der Kurienkardinal Robert Sarah erklärt, man solle "mutig das der katholischen Morallehre entsprechende christliche Ideal" vertreten, "statt es zu verwässern, um junge Menschen in den Schoß der Kirche zu locken" - da ist das Schweigen dröhnend.

Passagen über Lockerungen beim Zölibat werden fehlen

Doch was sagt das über die Mehrheitsverhältnisse bei den Bischöfen, die dann über das Abschlussdokument abstimmen, an dem noch bis Samstag gefeilt wird? Zur Annahme braucht es eine Zweidrittelmehrheit, das schließt zu gewagte Vorstöße aus. Es heißt, der Applaus sei groß gewesen, als der Entwurf im Plenum vorgestellt wurde. Es soll angeblich viel um Migration gehen, dann um die Lebensbegleitung von Jugendlichen und wie wichtig das Gewissen des Einzelnen sei, darum, dass der Ruf Jesu nicht nur an die Priester ginge.

Alles bedenkenswerte Themen - doch Passagen über Lockerungen beim Zölibat oder eine veränderte Sexuallehre werden fehlen, wenn das Dokument offengelegt wird. Nur den Wünschen der Katholiken in den westlichen Ländern zu folgen, hieße, die Kirchenspaltung zu riskieren, sagt ein Synodaler. Offen scheint auch, wie klar das Dokument Konsequenzen aus den Missbrauchsskandal anmahnen wird; die Wortmeldungen dazu sind immer seltener geworden. Bis zuletzt wird wohl um Formulierungen gerungen werden; es heißt, dass wohl eher die Konservativen versuchen werden, Änderungen in ihrem Sinne zu bewirken.

Am Mittwoch sitzt noch einmal Kardinal Marx in der Pressekonferenz. Er gehört zu den Vorwärtsdrängenden auf der Synode, ist getroffen und erschüttert vom Missbrauchsskandal. Auch sein mitreisender Amtsbruder Felix Genn aus Münster hat ein nachdenklich-selbstkritisches Statement gehalten, doch einig ist sich die deutsche Delegation nicht: Wenn Stefan Oster, der Bischof von Passau, von Freiheit redet, meint er die Freiheit, die Lehre der Kirche anzunehmen, wie sie ist - oder halt nicht. Marx sagt noch einmal, wie wichtig es sei, den Missbrauchsskandal ehrlich aufzuarbeiten. Er sagt auch: "Wir wären verrückt, wenn wir die Gaben von Frauen in der Kirche nicht nutzen würden". Dann ist der Kardinal neben ihm dran, Andrew Nkea Fuanya aus Kamerun. Bei ihm könnten die meisten jungen Leute nicht lesen und schreiben, sagt er, und was LGTB sei, wüssten sie schon gar nicht. So stehen sie nebeneinander, die Welten.

Man habe einander ernsthaft zugehört, heißt es in der Synode. Ob das genügt, junge Menschen zu überzeugen? Wird das der Brief tun, den der Papst an die Jugend schreiben will? Ein Teilnehmer sagt nüchtern: "Vielen wird das nicht reichen."

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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