Neues deutsches Kino:Roh und jung

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"Schwimmen" ist ein Autorenfilm über die Generation Smartphone. Der Juror Edgar Reitz lobte, Luzi Looses Debüt sei überraschend und erhellend. (Foto: Hofer Filmtage)

Die Hofer Filmtage feiern die Provinz. Luzie Looses "Schwimmen" gewinnt den neuen Goldpreis

Von Bernhard Blöchl, Hof

In der Provinz schlägt das Herz zuweilen höher, ist die Begeisterung für starke Geschichten größer als in den satten Metropolen. Hof ist keine Metropole, höchstens einmal im Jahr ein bisschen, wenn aus der fränkischen Stadt im Nordosten Bayerns "Home Of Films" wird, wie Wim Wenders die Filmtage einst geadelt hat. Dass hier nun, bei der 52. Ausgabe, die am Sonntag zu Ende ging, gleich mehrere Werke prämiert wurden, die aus abseitigeren Regionen stammen oder dort spielen, passt gut ins Bild. Die Hofer Filmtage haben ja den Ruf, Rohes dem Mainstream vorzuziehen. Als Bühne für den experimentierfreudigen Nachwuchs versteht denn auch Thorsten Schaumann sein Festival, das er seit 2017 als Nachfolger von Heinz Badewitz leitet und sanft modernisiert.

In der vermeintlichen Filmprovinz Mecklenburg-Vorpommern ist die Dreiecksgeschichte "Kahlschlag" entstanden, die von der Instabilität von Freundschaft und Liebe handelt. Max Gleschinski aus Rostock ist für sein Spielfilmdebüt mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino ausgezeichnet worden, dotiert mit 10 000 Euro. Eine lobende Erwähnung erhielt der Erstling von Henning Beckhoff aus Ennepetal. "Fünf Dinge, die ich nicht verstehe" ist eine Coming-of-Age-Studie am Rande des Ruhrgebiets. Geehrt wurde die Produktion für das beste Kostüm- und Szenenbild. Nach Niederbayern führt das mit dem Dokumentarfilmpreis prämierte Porträt "Raus" (7500 Euro). Der Münchner HFF-Absolvent Matthias Wilfert begleitet darin die eigenwillige und unangepasste Jenny, deren Mutter psychisch erkrankte und der nun das gleiche Schicksal droht.

Mit Spannung war die Premiere des Hofer Goldpreises erwartet worden. Die neue Auszeichnung für das beste Regiedebüt besteht aus einem Goldbarren im Wert von 35 000 Euro und der künstlerischen Beratung eines Mentors. Geehrt wurde die Berlinerin Luzie Loose für "Schwimmen", einen Film über die Smartphone-Jugend. Die Regisseurin, Absolventin der Filmakademie Baden-Württemberg, hat den Juror und künftigen Mentor Edgar Reitz am meisten überzeugt. "Der Blick der Autorin erkennt den psychischen Stress der Handy-Jugend und erzählt von neuen Formen individueller Schuld", heißt es in seiner Begründung. Zum Festival sagte der 85-Jährige: "Ein sehr starker Jahrgang auf hohem qualitativen Niveau bei den Debütfilmen."

Zum ersten Mal in Hof wurde der VGF-Nachwuchsproduzentenpreis überreicht. Die mit 60 000 Euro dotierte Auszeichnung ging an die Münchner Produzenten Trini Götze und David Armati Lechner für "Alles ist gut". Das Vergewaltigungs-Drama von Eva Trobisch hat bereits Preise auf dem Filmfest München und in Locarno gewonnen. Den Filmpreis der Stadt Hof bekam Alfred Holighaus, Präsident der Spitzenorganisation der Deutschen Filmwirtschaft, der nach dem plötzlichen Tod von Heinz Badewitz die Hofer Filmtage als einer von drei Kuratoren unterstützt hat.

Etwa 28 000 Besucher haben laut Veranstalter in den vergangenen sechs Tagen 140 Erstaufführungen gesehen. Gäste in Hof waren unter anderen der französische Filmemacher Barbet Schroeder und die deutsche Filmprominez Katja Riemann, Katharina Wackernagel, Peter Kurth und Kida Ramadan.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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