Plasberg zu Merkels Nachfolge:Der Moderator gibt, der Moderator nimmt

Robin Alexander und Annalena Baerbock bei "Hart aber fair"

Jau, Flüchtlinge! Welt-Reporter Robin Alexander und Grünen-Chefin Annalena Baerbock bei Hart aber fair.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Frank Plasberg wollte über Merkels Nachfolge diskutieren, seine Gäste wurden aber nur beim Thema Flüchtlinge kurz munter. Zeitweise musste man sich Sorgen machen, ob mancher Gast überhaupt noch Puls hat.

TV-Kritik von Hans Hoff

Es gibt ja dieses berühmte erste Treffen zweier Menschen, die sich vielleicht über irgendein Datingportal kennengelernt haben und bei der lang ersehnten Zusammenkunftspremiere feststellen müssen, dass sie sich in der realen Welt doch sehr wenig zu sagen haben. Sie ringen dann um Themen und halten mit viel Mühe ein bisschen Smalltalk aufrecht, schauen aber in Wahrheit immer wieder auf die Uhr, um zu prüfen, wann sie sich verabschieden dürfen, ohne unhöflich zu erscheinen. Man ist am falschen Platz, und Verlegenheit macht die Luft dick.

Es tritt also genau das Gefühl ein, das man am Montagabend bei Hart aber fair diagnostizieren konnte, nur mit dem Unterschied, dass dort statt zweier Menschen ganze fünf zusammenkamen und dass da ein Moderator war, der sich redlich mühte, den Gästen Wortbeiträge aus der Nase zu ziehen.

Aber so geht das manchmal, wenn die Themenlage eine unklare ist, obwohl doch eine deutliche Überschrift über der Sendung stand. "Merkels Teilrückzug: Was gerät jetzt noch ins Rutschen?", lautete die und sollte signalisieren, dass man in der Redaktion schwer auf Zack ist.

Neues Thema, alte Gästeliste

Am Montagmorgen hatte die Kanzlerin verkündet, dass sie nicht mehr für den CDU-Vorsitz kandidieren will. Bis dahin hieß das Thema noch: "Im Abwärtssog: Sind die Volksparteien am Ende?" Weil sich das nach dem Merkel-Knaller vermutlich überholt anfühlte, wurde flugs der Titel ausgetauscht. Die Gästeliste blieb allerdings so, wie sie bereits am Freitag, noch vor der Hessenwahl, verkündet worden war. Polit- und Fernsehprofis können zu jedem Thema was sagen. Dachte man wohl.

Natürlich wurde am Anfang gefragt, wen der Merkel-Move vom Morgen denn überrascht habe. Es entwickelte sich ganz kurz eine beinahe launige Plauderei. Es sei ein guter Tag für die CDU, urteilte Paul Ziemiak, der Bundesvorsitzende der Jungen Union, während Werner Hansch als Sportreporter-Urgestein die Lage in eine flotte Formel fasste. "Es ist wie beim Fernsehen auch. Menschen, die zu oft ihre Nase in die Mattscheibe halten, verbrennen", sagte er, und irgendwie erwartete man kurz, dass es im Sportreporter-Jargon, der ja immer häufiger die Wahlberichterstattung prägt, weitergehen würde.

Aber es ging erst einmal wenig weiter. Mehr oder weniger ziellos mäanderte das Gespräch, das selten ein solches war, sondern eher einer länglichen Abfragerei ähnelte. Es wäre sicherlich bald zum Erliegen gekommen, wenn sich Frank Plasberg nicht immer wieder um die Wiederbelebung verdient gemacht hätte.

Hat Ralf Stegner noch Puls?

Nach einer halben Stunde wurde aber auch bei ihm die Luft knapp, und er schwenkte mehr oder minder heimlich zurück zum ursprünglich am Freitag geplanten Thema mit dem drohenden Ende der Volksparteien. Doch auch das wollte nicht so recht zünden. Sichtlich müde saßen die Diskutanten herum, und zwischendrin hätte man gerne bei Ralf Stegner, dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, gefühlt, ob er noch Puls hat.

In dieser allgemeinen Müdigkeit erkannte Annalena Baerbock ihre Chance. Mit einem Hauch von Verve begann die Vorsitzende der Grünen eine Art Rede zu halten, stieß aber damit beim Moderator auf wenig Gegenliebe. Man redet halt nicht lang in einer Talkshow, weil dann die anderen auch gerne lang reden wollen. Ob sie was zu sagen haben oder nicht. Selbst wenn Plasberg eine Frage stellt, darf die Antwort nur fernsehgerecht kurz ausfallen, sonst wird der Gesprächsleiter hibbelig.

Jau, Flüchtlinge! - Seufzer der Erleichterung

Irgendwann zwischendrin witterte er dann ganz offensichtlich eine Schlagzeile und brachte die Show zurück in die über viele Monate ausgefahrene Standardspur. Er fragte Baerbock, ob die Grünen sich weiter sperren würden, wenn es darum gehe, die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer einzustufen. Jau, Flüchtlinge! Beinahe meinte man, Seufzer der Erleichterung zu vernehmen. Auf einmal waren alle wach, es ging prompt wild zu.

Plasberg erkannte immerhin, dass er den Geist, den er da leichtfertig aus der Flasche gelassen hat, irgendwie wieder einfangen muss. "Es ist schwer, eine politische Sendung zu machen, ohne das Thema zu besprechen", behauptete er dreist und seiner ganz eigenen Logik folgend, in der Aufmerksamkeit die einzig valide Währung ist. Und da er das Thema Flüchtlinge aufgeworfen habe, könne er es nun auch wieder beenden, sagte er.

Ja, so ist das in einer Talkshow. Der Moderator gibt, der Moderator nimmt.

Saturierte Wähler? Nicht bei den Grünen

Prompt verfielen alle wieder in eine Art Starre, die nur kurz aufgebrochen wurde, als der Journalist Robin Alexander die Grünen-Wähler als saturiert bezeichnete, was Baerbock natürlich nicht auf sich und ihren Wählern sitzen lassen wollte.

Natürlich wurden noch die möglichen Merkel-Nachfolger durchgehechelt, aber aufregende Erkenntnisse wollten sich auch dabei partout nicht einstellen. Wenn man einmal davon absah, dass Sportreporter Hansch allen Ernstes Christian Wulff ("ein riesenpolitisches Talent") ins Spiel brachte. Plasberg selbst sprach dann noch Friedrich Merz an, der lange weg vom politischen Fenster war. "Wäre das so, als ob Joschka Fischer bei den Grünen aktiviert würde?", wollte er von Grünen-Frau Baerbock wissen. Die stammelte, als habe man sie eben beim Tuscheln erwischt: "Äh, joah, jaa." Doofe Frage aber auch.

Am Schluss machte sich Erleichterung breit. Man hatte weitgehend unfallfrei gesprochen. Über irgendwas mit Politik, Parteien und Merkel. Wie lange die Kanzlerin noch im Amt bleibe, wollte Plasberg zum Abschied wissen. Die Antworten reichten von sechs Monate bis zum Ende der Legislaturperiode. Hätte man wissen können. Irgendwie.

75 Minuten waren da vorbei. Ein guter Zeitpunkt, um zu gehen, ohne unhöflich zu erscheinen. Puh, war das öde.

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