Terrorverdacht:Ein Stahlseil, ein Brief und viele Fragen

ICE-Anschlag - Polizisten suchen im Oktober 2018 eine ICE-Strecke ab

Spurensuche mit Streckensperrung: Polizisten fahnden am Mittwoch in einem Bereich zwischen Nürnberg und München nach Hinweisen.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Hat es auf einer Bahnstrecke in Mittelfranken tatsächlich einen islamistischen Anschlagsversuch gegeben? Ermittler durchsuchen jetzt den Gleisabschnitt, denn konkrete Hinweise gibt es kaum.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Nach dem versuchten Anschlag Anfang Oktober auf einen ICE in der Nähe von Nürnberg haben die Behörden die Sicherheitsvorkehrungen an Bahnhöfen und im Schienenverkehr verschärft. Nach wie vor ist allerdings unklar, ob die Tat einen islamistischen oder terroristischen Hintergrund hat. Im Zuge der Ermittlungen haben am Mittwoch etwa 150 Polizeibeamte zwei Stunden lang einen vier Kilometer langen Abschnitt der ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Nürnberg und München nach weiteren Hinweisen auf die Täter abgesucht.

Während der Aktion im Raum Allersberg im mittelfränkischen Landkreis Roth war die ICE-Strecke zwischen Nürnberg und Ingolstadt komplett gesperrt. Fernzüge wurden umgeleitet und im Regionalverkehr fuhren als Ersatz Busse. Einige Zugverbindungen wurden gestrichen. Nachdem ein Zeugenaufruf des Landeskriminalamtes (LKA) bislang auf wenig Resonanz stieß, wollen die Behörden nun unter anderem die Fahrgäste jenes ICE 821 ausfindig machen und befragen, der am 7. Oktober Ziel des versuchten Anschlages war.

Wie berichtet, hatten an dem Abend Unbekannte ein Stahlseil an zwei Betonpfosten befestigt und über die Schienen gespannt, sowie vermutlich Steine, Holz- und Eisenteile in das Gleisbett geworfen - und zwar in einem Abschnitt, auf der die Hochgeschwindigkeitszüge Richtung München auf bis zu 300 Stundenkilometer beschleunigen. Gegen 23.15 Uhr durchbrach der ICE 821 das Hindernis, ohne dass es zu einem Unglück kam. Erst am Endbahnhof in München bemerkte der Lokführer, der unterwegs ein verdächtiges Geräusch registriert hatte, einen leichten Schaden an der Scheibe des ICE-Triebkopfes und meldete diesen umgehend bahnintern weiter.

Warum die Deutsche Bahn nicht umgehend die Sicherheitsbehörden über den Zwischenfall informiert hat, ist ein Rätsel. Die zuständige Bundespolizei erfuhr erst am 24. Oktober davon, nachdem offenbar bei einer routinemäßigen Streckenkontrolle bei Allersberg die Reste des knapp einen Zentimeter dicken Stahlseils gefunden worden waren. Auf Nachfrage wollte die Bahn unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München keine Angaben zu den Abläufen machen. Einiges spricht dafür, dass die Tragweite nicht erkannt wurde und die zuständigen Bahn-Mitarbeiter bis zum Fund der Seilreste von einer harmlosen Ursache, nicht aber von einem gefährlichen Eingriff in den Schienenverkehr ausgingen.

Diese Verzögerung erschwert nun allerdings die Ermittlungen. So suchten die Beamten am Mittwoch sowohl im Gleisbett, als auch in den Böschungen auf beiden Seiten der ICE-Strecke auf einer Strecke von etwa zwei Kilometern vor und nach dem Tatort nach Spuren. Beispielsweise nach weiteren Fetzen des Drohbriefes in arabischer Sprache, den der oder die Täter am Tatort hinterlassen hatten. Witterung und Fahrtwind von etwa 70 Zügen täglich haben das zweiseitige Schreiben arg in Mitleidenschaft gezogen und seine Teile weit in der Umgebung verteilt.

In dem Drohbrief werden Anschläge auf das europäische Schienennetz angedroht, solange Europa die Terrororganisation "Isis" bekämpfe. Das Schreiben sei kein typischer, terroristischer Bekennerbrief, sagen Experten. Die Drohungen seien nicht konkret, man nehme sie aber ernst. Ein arabisches Graffito, das unweit des Tatortes an einem Betonpfeiler gefunden wurde, weist einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge auf den Twitter-Account eines "Isis"-Anhängers hin, der dort aber seit Dezember 2015 nichts mehr gepostet habe.

Bei der Suchaktion am Mittwoch wurden einige, von der Polizei nicht näher beschriebene Gegenstände sichergestellt, die nun genauer untersucht werden, etwa auf DNS-Spuren. Eine heiße Spur zu den Tätern haben die Ermittler noch nicht.

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