Elektromobilität:Groteske Zustände an den Strom-Tankstellen

Elektroauto an einer Stromtankstelle

Die großen Erdölkonzerne bereiten sich auf die Welt jenseits des Öls vor. Im Bild ein Elektroauto an einer Stromtankstelle.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)
  • Verschiedene Verbände appellieren in einem Forderungskatalog, die Zustände an den deutschen Elektro-Tankstellen zu verbessern.
  • Die Verbraucherschützer beklagen Preisunterschiede, falsche Leistungswerte und kaputte Ladesäulen.
  • Sie fordern eine zentrale Stelle des Bundes, die Informationen über Standorte oder Preise sammelt, ähnlich wie bei Kraftstoff-Tankstellen.

Von Markus Balser, Berlin

Mal eben zum Tanken an die Zapfsäule fahren - auch ohne ein Abo? Sofort sehen, was die Ladung kostet, ohne im Netz erst mal minutenlang zu recherchieren? Was für die Besitzer von Benzin- oder Dieselautos an der Tankstelle der Normalfall ist, gilt für Halter von Elektroautos noch lange nicht. Wer eine öffentliche Ladestation ansteuert, erlebt nach Einschätzung von Verbraucherschützern viel zu oft ein blaues Wunder. Die Preise weichen teils um einige 100 Prozent voneinander ab - ohne dass die Nutzer das sofort merken würden.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung schlägt ein ungewöhnliches Bündnis von Verbraucherschützern, Car-Sharing-Verbänden und Förderverbänden der Elektromobilität nun Alarm. In einem Forderungskatalog mahnen die Verbände faire Preise, deutlich mehr Transparenz, einheitliche Zahlungsmodelle an. Elektromobilität sei ein unverzichtbarer Bestandteil einer nachhaltigen Mobilität. Damit aber eine breite Masse an Verbrauchern auch wirklich Lust auf den Umstieg bekomme, "muss insbesondere die öffentliche Ladeinfrastruktur einfach und transparent zu nutzen sein", fordern die Verbraucherzentrale Bundesverband, der Bundesverband Car-Sharing und mehrere Interessenverbände für Elektromobilität. Das Papier soll an diesem Montag veröffentlicht werden. Dann kommt die nationale Plattform "Zukunft der Mobilität", ein neues Beratungsgremium der Bundesregierung, in Berlin zusammen.

Experten beklagen bislang einen regelrechten Wildwuchs an den Stromzapfsäulen. Bei seinem aktuellen jährlichen Vergleich stellte der Stromanbieter Lichtblick je nach Region und Anbieter Preisunterschiede von 300 Prozent fest. Dem Test zufolge kostete spontanes Laden ohne festen Vertrag bei EnBW 54,4 Cent pro Kilowattstunde, beim Regionalanbieter Mainova dagegen nur 13,3 Cent. Da mal pauschal pro Ladevorgang, mal nach Zeit und mal nach n Kilowattstunden abgerechnet werde, sei ein Preisvergleich oft kaum möglich. Erst bei den Monatsabrechnungen erkenne man die wahren Kosten.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband geht davon aus, dass die Zahl der Elektroautos in den kommenden Jahren in Deutschland deutlich steigt. Die Gesamtnutzungskosten für Autos mit unterschiedlichen Antriebsarten näherten sich an, heißt es in dem Papier. Elektrofahrzeuge könnten schon 2020 günstiger sein als Verbrenner. Um so wichtiger sei es, dass es an den Tankstellen fair zugehe. Dort sähen Verbraucher schon von Weitem, was sie ihre Tankfüllung pro Liter koste. E-Autofahrer fänden solche Informationen nur selten. Oft müssten sie zuerst eine App laden oder den Preis auf einer Webseite abfragen. Das sei vor allem beim spontanen Laden "besonders ärgerlich".

Die Verbraucherschützer decken teils groteske Zustände an Ladesäulen auf. So müssten Verbraucher bei Tarifen pro Tankvorgang auch dann zahlen, wenn aus technischen Gründen der Ladevorgang nach kurzer Zeit abbricht - "ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten". Zeitbasierte Tarife diskriminierten Verbraucher, deren Autos langsamer laden. Die Ladeleistung hänge zum Teil sogar von der Zahl der ladenden Autos an den Steckdosen ab. Manche Anbieter böten 22 Kilowatt Ladeleistung an ihrer Ladesäule an, die aber mit zwei Ladepunkten ausgestattet sei. Laden dort aber tatsächlich zwei Autos gleichzeitig, halbiere sich die Ladeleistung für jedes Fahrzeug, warnt das Papier. "In der gleichen Zeit wird ihnen also nur halb so viel Strom zur Verfügung gestellt", kritisieren die Verbände.

Die Verbände schlagen vor, eine zentrale Informationsstelle einzurichten

Der Druck auf die Politik wächst, sich einzuschalten. "Die Bundesregierung muss dem Tarif-Wirrwarr einen Riegel vorschieben", fordert Marion Jungbluth, Verkehrsexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands. "Nur so kann der Verbraucher von einem Umstieg überzeugt werden und die Verkehrswende gelingen." Ziel der Verbände ist ein vergleichbarer Preis. Dazu müsse das tatsächliche Produkt, also die Strommenge, wesentliche Grundlage des Preises sein, fordern sie in dem Papier. Zusätzliche Preisbestandteile, die das Park- beziehungsweise Ladeverhalten steuern, müssten transparent ausgewiesen werden. Ladesäulen würden zudem oft über einen längeren Zeitraum nicht repariert. Da es sich häufig um Ladeinfrastruktur handele, die mit Steuergeldern gefördert wurde, müssten Betreiber dazu verpflichtet werden, die Säule schnell zu reparieren oder einen Teil der Förderung zurückzuzahlen. Den Verbänden schwebt eine zentrale Stelle des Bundes vor, die Informationen über Standorte oder Preise sammelt. Als Vorbild gilt die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe, die Tankstellen überwacht.

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