Neue bayerische Abgeordnete:Dann dauert das Studium eben etwas länger

Florian Siekmann

Ist der jüngste Politiker im Landtag: Florian Siekmann.

(Foto: L. Mirgeler/dpa)

Der Grünen-Politiker Florian Siekmann ist neu ins bayerische Parlament eingezogen - und muss jetzt erst einmal aus dem Wohnheim ausziehen. Ein Parteikollege sucht derweil noch Mitarbeiter.

Von Wolfgang Görl

Wenn der 18. Bayerische Landtag an diesem Montag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt, hat Florian Siekmann gleich mal eine wichtige Aufgabe. Der 23-jährige Chemiestudent, der als Neuling für die Grünen im Parlament sitzt, ist der jüngste Abgeordnete des Gremiums, und als solcher schlüpft er gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Tim Pargent (25) für die ersten Stunden in die Rolle des Schriftführers.

Mit auf dem Podium wird der 81-jährige Helmut Markwort (FDP) sitzen. Der ehemalige Focus-Chefredakteur ist der Alterspräsident, und dieser eröffnet traditionsgemäß die konstituierende Sitzung. Siekmann und Pargent haben die Aufgabe, die Namen der Abgeordneten aufzurufen und die Beschlussfähigkeit des Parlaments festzustellen, ehe das ordentliche Präsidium gewählt wird. Um mit den Feinheiten des Protokolls vertraut zu sein, hat Siekmann bereits eine Art Einführungsseminar im Landtag absolviert.

Florian Siekmann ist jetzt Landtagsabgeordneter, er hat plötzlich ein politisches Amt, und dies bringt seine Lebensplanung doch ein wenig durcheinander - genauso übrigens ist es bei seinem Parteifreund Benjamin Adjei, der für viele überraschend das Direktmandat im Stimmkreis Moosach errungen hat. Siekmann wiederum lag im Stimmkreis Hadern zwar knapp hinter Georg Eisenreich von der CSU, aber sein Ergebnis war so gut, dass er über die Liste ins Parlament gelangte.

Ob er überrascht war, den Sprung ins Maximilianeum zu schaffen? "Ich bin bei der Aufstellung vor einem Jahr angetreten mit dem Wunsch und der Überzeugung, jungen Menschen im Landtag eine Stimme zu geben, aber nicht mit der Gewissheit, gewählt zu werden." Bei seinem Haustürwahlkampf im August und September habe er dann gemerkt, dass "die Leute Lust auf politische Veränderung und großes Interesse an unseren Konzepten haben". Am Wahlabend, als ein gutes Erststimmenergebnis abzeichnete, schwante ihm allmählich, dass es klappen könnte. Und tatsächlich: Siekmann hat es geschafft. "In den ersten zehn Sekunden war ich überwältigt, dann hat die Freude überwogen. Ich wusste ja, worauf ich mich eingelassen habe."

Aber was wird nun aus seinem Chemie-Studium? Siekmann ist im zweiten Mastersemester, den Bachelor hat der gebürtige Koblenzer bereits. Und er weiß mittlerweile, wie es weitergehen soll: "Ich werde das Studium fortsetzen, nur halt langsamer. Da muss ich jetzt sehen, wie sich das in den parlamentarischen Rhythmus eintakten lässt." Aller Voraussicht nach wird es etwas länger als geplant dauern, bis er seinen Master hat.

Eines jedoch will der junge Grünen-Politiker so rasch wie möglich über die Bühne bringen: die Suche nach einer neuen Wohnung. Bislang lebt Siekmann in einem Studentenwohnheim, aber weil er jetzt nicht mehr Vollzeit studiert und die Einkommensgrenze überschreitet, muss er ausziehen. "Das wird mir sehr schwer fallen, weil ich wirklich tolle Mitbewohnerinnen und Mitbewohner habe." Eine neue Behausung zu finden, ist in München stets ein Abenteuer. Andererseits hat Siekmann gute Karten: Landtagsabgeordnete erhalten monatlich knapp 8200 Euro Entschädigung, hinzu kommt eine Kostenpauschale von rund 3450 Euro - das dürfte reichen, um selbst im teuren München eine bezahlbare Wohnung zu finden.

"Ich bin nicht so gut vorbereitet wie viele andere"

Auch Benjamin Adjei, 28 Jahre alt, wird das Geld gut gebrauchen können, denn seinen Job als Data-Scientist bei einem Digital-Consulting-Unternehmen hat er infolge seines Wahltriumphs bereits kündigen müssen. Ihm war es ähnlich gegangen wie dem Parteifreund Siekmann: "Bei der Kandidaten-Aufstellung hat man wirklich noch gar nicht mit einem Mandat rechnen können, in den letzten Wochen vor der Wahl war es dann schon nicht mehr ganz aus der Luft gegriffen, zumindest über die Liste reinzukommen." Dennoch gibt er offen zu: "Ich bin nicht so gut vorbereitet wie viele andere."

Diese anderen Grünen-Politiker, die auf vermeintlich aussichtsreicheren Listenplätzen kandidierten, hätten sich beispielsweise schon im Vorfeld überlegt, wen sie als Mitarbeiter einstellen könnten - Adjei hat dies bisher noch nicht getan. Einerseits findet er es schade, dass er seinen Beruf, der ihm Spaß machte, auf den er "Bock" hatte, bis auf Weiteres aufs Eis legen muss; andererseits will Adjei sein Knowhow als IT-Experte nutzen, um sich im Landtag vorrangig um das Thema Digitalisierung zu kümmern. Aber ehe er sich in die eigentliche parlamentarische Arbeit stürzt, gilt es, einige Vorbereitungen zu treffen. Die Fraktion, der etliche Neulinge angehören, ist bereits drei Tage lang in Klausur gegangen, um die künftige Arbeit zu organisieren.

Adjei ist im Moment dabei, für das Mitarbeiterbudget, das ihm zur Verfügung steht, die richtigen Leute auszuwählen. "Eine Person hab ich schon, mit der zweiten Stelle bin ich noch am Schauen, aber da hab' ich schon ein paar Leute im Blick." Auch diese Sache ist neu für ihn: Arbeitgeber sein. Also muss er Bewerbungen sichten, Lebensläufe lesen, Gespräche führen und letztlich Personalentscheidungen treffen. Wer für einen Abgeordneten wie Adjei arbeitet, sollte in der Lage sein, ein Büro zu organisieren, Informationen zu Fachthemen zu liefern, Anträge verfassen und solche Sachen.

Und noch eines bleibt Adjei zu Beginn seiner Landtagskarriere nicht erspart: "Man muss alle möglichen Formulare ausfüllen, wie immer, wenn man den neuen Job wechselt."

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