NS-Raubkunst:Zu schön, um es zurückzugeben

NS-Raubkunst: Wassily Kandinskys „Gemälde mit Häusern“ gehörte der jüdischen Familie Lewenstein in Amsterdam. Doch in den besetzten Niederlanden gelangte es im Oktober 1940 auf eine Auktion. Dort kaufte es das Amsterdamer Stedelijk Museum, in dem es immer noch hängt.

Wassily Kandinskys „Gemälde mit Häusern“ gehörte der jüdischen Familie Lewenstein in Amsterdam. Doch in den besetzten Niederlanden gelangte es im Oktober 1940 auf eine Auktion. Dort kaufte es das Amsterdamer Stedelijk Museum, in dem es immer noch hängt.

(Foto: Getty Images)

Die niederländische Raubkunst-Kommission will ein Werk Kandinskys nicht restituieren. Ein ähnlicher Fall beschäftigt München.

Von Kia Vahland

München ist stolz auf seine klassische Moderne im Lenbachhaus. Sie trägt einiges bei zum Selbstverständnis der Stadt als avantgardistische und weltoffene Metropole. Ausgerechnet ein Schlüsselwerk Wassily Kandinskys in dem Museum aber, "Das bunte Leben" von 1907, könnte NS-Raubkunst sein. Das farbintensive, detailreiche Werk wurde im Herbst 1940 auf einer NS-Auktion im besetzten Amsterdam versteigert. Seit den Siebzigern gehört es der Bayerischen Landesbank und hängt als Leihgabe im Lenbachhaus. 2017 forderten Erben der ursprünglichen jüdischen Eigentümer das Werk zurück (SZ vom 4. März 2017).

Seither ist wenig geschehen. Nach einigem Hin und Her, Bedenken auf Seiten der Landesbank, einer Klagedrohung der Erbenvertreter, bekundeten beide Seiten, die Limbach-Kommission, die in Deutschland über NS-Raubkunst-Fragen befindet, möge sich des Falles annehmen. Dass die Kommission bisher noch nicht angerufen worden ist, erklärt sich wohl damit, dass die Akteure die Ereignissen in den Niederlanden abwarten wollten. Dort nämlich lag der für Raubkunst zuständigen Restitutiecommissie bereits Kandinskys "Bild mit Häusern" vor. Auch dieses Bild gehörte einst zur Sammlung der Familie Lewenstein in Amsterdam, und es endete wie "Das bunte Leben" auf derselben Auktion im Oktober 1940. Dieses Bild erstand nicht wie im Fall des "Bunten Lebens" ein Privatmann, sondern der damalige Direktor des Stedelijk Museums, für den Spottpreis von 176 Gulden. Seither ist Kandinskys "Bild mit Häusern" im Besitz des Museums.

Dort wird es wohl vorerst bleiben, denn die Kommission hat nun den Antrag der Erben abgelehnt. Im Gegensatz zu Deutschland sind in den Niederlanden Entscheidungen der Raubkunstkommission bindend. Die Begründung allerdings lässt mehr Fragen offen als sie beantwortet.

Zum Zeitpunkt der Auktion war die ursprüngliche Eigentümerin Hedwig Lewen-stein, geborene Weijermann, tot. Sie hatte ihren Besitz ihren Kindern Robert und Wilhelmine vererbt, die Holland bereits verlassen hatten. In Amsterdam hielt sich nur noch Roberts Frau Irma Klein auf. Das Paar war getrennt, aber noch nicht geschieden. Die deutsch-jüdische Schauspielerin war vor den Nazis aus Deutschland geflohen und bemühte sich, auch ihre Familie zu retten. Ihre Mutter lebte inzwischen bei ihr in Amsterdam.

Die Kommission vermutet aufgrund der Akten aus dem Scheidungsverfahren, Irma Klein habe das "Bild mit Häusern" freiwillig zur Auktion gegeben - in Absprache mit ihrem Nochgatten Robert. Insbesondere für dessen Einverständnis gibt es keine Anhaltspunkte. Trotzdem folgert die Kommission aus ihrer eigenen Mutmaßung, dass Irma Klein über das Bild alleine verfügen durfte und demnach heute lediglich ihre Erbin, nicht aber die Nachkommen der Lewenstein-Geschwister einen Anspruch auf das "Bild mit Häusern" erheben könnte. Die Erbin Kleins aber habe keine emotionale Bindung an das Bild, außerdem sei das Gemälde wichtig für das Stedelijk Museum: Also solle es dort bleiben.

Diese Argumentation ist so tendenziös, dass die Kommission damit ihre Glaubwürdigkeit als unabhängiges Gremium beschädigt. Selbst wenn ihre Mutmaßung sich bewahrheiten sollte, dass Klein das Werk im Oktober 1940 herausgegeben hat, so tat die Schauspielerin dies verfolgungsbedingt und nicht, weil sie durch die anstehende Scheidung in Geldnot geraten war. Und ihrem Mann und ihrer Schwägerin im Ausland waren sowieso die Hände gebunden, sie haben sicherlich von einem eventuellen Verkauf nichts gehabt. Indizien, die gegen eine Kooperation der Familie sprechen, übersieht die Kommission, darunter ist der Versuch einer Tante Roberts und Wilhelmines, nach dem Krieg "Das bunte Leben" für diese beiden Erben zurückzubekommen. Dieser Hinweis wird für die deutsche Limbach-Kommission noch wichtig werden, ebenso wie der Umstand, dass ein Zwischenhändler das heute in München befindliche Bild zu der Auktion 1940 eingeliefert hatte, in wessen Auftrag auch immer.

Der Vertreter der Anspruchssteller, James Palmer von der Kunstrecherchefirma Mondex, nennt die Begründung der Kommission "parteiisch". Er überlegt, den Entscheid vor einem niederländischen Gericht anzufechten. Der Sprecher der Bayerischen Landesbank dagegen sagt gegenüber der SZ, sein Haus werde die Empfehlung der Niederländer nun sorgfältig prüfen. Sie sei "sehr detailliert und sorgfältig ausgearbeitet". Beide Seiten begrüßen es, wenn die Limbach-Kommission sich des Münchner Falls demnächst annimmt.

Man darf gespannt sein, wie die Deutschen sich in dieser Geschichte verhalten werden. Die Rückforderungen der Gemälde Kandinskys erlauben nebenbei auch, die Arbeit der beiden Kommissionen zu vergleichen.

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