Schalke-Gegner Galatasaray:Seltsames Verständnis von Fairplay

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Nach dem Unentschieden im Derby liefern sich Spieler und Betreuer von Galatasaray und Fenerbahce eine Massenschlägerei. (Foto: AFP)
  • Galatasaray ist seit vier Pflichtspielen sieglos und sucht die Schuld für die Krise bei den Schiedsrichtern.
  • Nach dem Unentschieden im Derby gegen Fenerbahce liefern sich Spieler und Betreuer eine Massenschlägerei.
  • Der Verfall der Lira verschärft die finanziellen Nöte des Klubs.

Von Tobias Schächter

Am Wochenende stellte Galatasaray einen Text auf seine Homepage mit der Überschrift: "Wir wollen keine Richter, sondern Schiedsrichter". In diesem geißelt der amtierende türkische Fußballmeister angebliche Ungerechtigkeiten der Referees gegen sich. Seit vier Pflichtspielen ist Galatasaray sieglos, letzten Freitag verspielte die Elf im Derby gegen Fenerbahce eine 2:0-Führung und musste am Ende über ein 2:2 froh sein. Seit dieser Saison gibt es auch in der Türkei den Video-Assistenten, am Freitag entschied dessen Eingriff auf Elfmeter für Fener, den Jailson zum 1:2 (66.) nutzte. Zum zweiten Mal hintereinander war Baris Simsek als VAR-Referee bei einem Spiel von Galatasaray zugeteilt, Gala-Trainer Terim ätzte gegen Schiedsrichter und Video-Assistent und rechtfertigte mit deren vermeintlich schlechter Leistung auch die Jagdszenen zwischen den Spielern beider Teams nach dem Schlusspfiff.

Man muss wissen: Ablenkungsmanöver sind die Spezialität von Fatih Terim. Seit Wochen spielt seine Mannschaft schlecht, gegen Fenerbahce wollte sie den Vorsprung nur verteidigen. Am Ende ging es schief, also musste ein Sündenbock her. Ob mit oder ohne Video-Assistent ist das in der Türkei notorisch der Schiedsrichter. Und Derbys zwischen den Istanbuler Rivalen sind ohnehin immer aggressiv aufgeladen, oft kam es in der Vergangenheit zu Gewaltszenen. Aber am Freitag lieferten sich Spieler und Betreuer beider Teams nach dem Abpfiff eine Massenschlägerei, die an ein "Match" zweier Hooligangruppen erinnerte.

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Dass nur drei Spieler hinterher die Rote Karte sahen - Ndiaye (Galatasaray) sowie die Fener-Spieler Soldado und Jailson - ist erstaunlich. Im offiziellen Statement von Galatasaray heißt es, Schiedsrichter hätten für das Fairplay zu sorgen. Der Gewaltexzess, der offenbar Gala-Profi Younes Belhanda ausgelöst hatte, wurde als Reaktion auf die schwache Schiedsrichter-Leistung erklärt. Ein seltsames Verständnis von Fairplay wird da dokumentiert.

Ein Champions-League-Aus würde ernsthafte Schwierigkeiten bringen

Galatasaray befindet sich in einer spielerischen Krise, der Rückstand auf Tabellenführer Basaksehir beträgt nun vier Punkte. Und bei einer Niederlage beim FC Schalke an diesem Dienstag droht das Aus nach der Gruppenphase in der Champions-League. Derzeit liegen die Türken einen Zähler hinter Schalke (fünf Punkte) und Tabellenführer Porto (sieben). Das vorzeitige Abgeschnittensein von den Geldströmen der Königsklasse würde die existenziellen Nöte des Klubs verschärfen. Die türkischen Klubs bezahlen die Gehälter ihrer Spieler ebenso wie Bankkredite in Euro oder Dollar, generieren Einnahmen aber fast nur in Lira. Der Wert der heimischen Währung aber hat seit Jahresbeginn durch die Währungskrise im Vergleich zu Euro und Dollar rund 40 Prozent verloren.

Nun stellen die Klubs die Gehälter auf Lira um. Gerade erst verlängerte der 65 Jahre alte Terim seinen Vertrag bis 2021 - mit einer Option auf weitere drei Jahre! Der ewige Terim, zum vierten Mal bei Galatasaray, unterschrieb also einen Vertrag für die Ewigkeit. Nur bekommt er künftig statt 3,1 Millionen Euro 20 Millionen Lira pro Jahr. Auch die Spieler sollen bei der Umgestaltung ihrer laufenden Verträge von Euro auf Lira keine Einbußen hinnehmen, verspricht Terim. Allerdings gilt dieses jüngst von der Regierung verhängte Gesetz nur für die türkischen Spieler, nicht für die Ausländer.

Die glitzernde Fassade der Süperlig ist längst eingestürzt

Aktuell türmen sich die Verbindlichkeiten des Klubs auf sagenhafte 470 Millionen Euro, den Rivalen Fenerbahce (620 Millionen) und Besiktas (360 Millionen) geht es nicht besser. Das ruinöse Geschäftsmodell - Altstars aus dem Ausland für viel Geld zu kaufen und für viel weniger wieder abzugeben - führte bei Galatasaray seit dem Uefa-Pokal-Gewinn im Jahr 2000 zu einer negativen Transferbilanz von fast 175 Millionen Euro. Stars wie Lukas Podolski, Wesley Sneijder oder Didier Drogba verdienten am Bosporus Millionengehälter in Euro. Doch die glitzernde Fassade der Süperlig ist nicht erst seit der Währungskrise eingestürzt. Stars sucht man vergebens bei Galatasaray, der uruguayische Torwart Fernando Muslera (32) und der ehemalige Hoffenheimer Stürmer Eren Derdiyok (30) sind die prominentesten Kicker. Derdiyok aber ist oft verletzt.

Aktuell machen wieder Gerüchte um ausstehende Spielergehälter die Runde. Um zu überleben, musste Galatasaray in den letzten Jahren wertvolle Grundstücke verkaufen und bekam vom Staat Steuern in Höhe von 100 Millionen Euro erlassen. Die Financial Fairplay-Kontrolleure der Uefa kündigten jüngst erneut eine Prüfung an. Der Klub legte dagegen Beschwerde beim Sportgerichtshof Cas ein.

Trainer Terim hat sich in seinen neuen Vertrag übrigens eine Prämie von 75 Millionen Euro für den Gewinn der Königsklasse schreiben lassen, der Mann aus Adana denkt immer in großen Dimensionen. Dabei ist seine Laufbahn neben vielen Erfolgen, auch von vielen Skandalen geprägt. Zuletzt machte er sich als Nationaltrainer unmöglich, nachdem er sich in einen Streit seines Schwiegersohns mit einem Nachbarn handgreiflich eingemischt hatte. Terims Verhalten und aller anderen Protagonisten am Freitag nach dem Derby war erneut skandalös, zumal schon während der Halbzeit in den Kabinen kommuniziert wurde, dass ein 20 Jahre junger Fener-Fan einen Herzinfarkt erlitten hatte und später im Krankenhaus gestorben war.

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