Schulessen:Mit vier Cent ist es nicht getan

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Ein besseres Schulessen wollen alle. Über den Weg dorthin gibt es unterschiedliche Ansichten. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Den einen ist das Schulessen zu teuer, den anderen zu ungesund. Ernährungsministerin Klöckner meint, sie hätte die Lösung gefunden - aber ihre Rechnung geht nicht auf.

Kommentar von Larissa Holzki

Vier Cent sollen den Unterschied auf dem Teller machen: Mit dieser Aussage überrascht heute die Ernährungsministerin Julia Klöckner. Für nur vier Cent mehr pro Schüler, sagt sie, gibt es ein gesünderes Schulessen. Das ist zunächst mal eine gute Nachricht. Denn klar ist: Ein besseres Schulessen wollen alle. Und wer sein Kind in eine Ganztagsschule geben will oder muss, der muss auch davon ausgehen können, dass es dort satt und gut gestärkt wird. Allein: Für vier Cent mehr wird das nicht machbar sein.

Die Studie, die Klöckners Ministerium in Auftrag gegeben hat, knöpft sich das Totschlagargument in jedem Streit um das Schulessen vor. Wann immer sich Eltern über Kartoffelsalat aus dem Industrieeimer und fettige Pommes beschweren, kommt einer, der sagt: Für 3,50 Euro bekommt man eben kein Gourmetessen. 3,50 Euro kostet ein Schulessen durchschnittlich - und viel mehr darf es auch nicht sein, wenn sich die gesellschaftliche Spaltung in Arm und Reich, in gesund und ungesund ernährt nicht an der Kantinenschlange manifestieren soll.

Klöckners Antwort auf die Debatte ist also: Es geht doch. Vier Cent mehr, das scheint machbar. Man muss sich die Rechnung aber genauer ansehen. Das geht mit der Frage los, was ein gesundes Schulessen eigentlich ausmacht. Über dessen Qualität entscheiden in Deutschland die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ein Schulessen ist demnach gut, wenn es mindestens einmal in der Woche Kabeljau, Seelachs, Hering oder Makrele gibt. Auf dem Speiseplan sollen außerdem häufig Bohnen, Brokkoli, Zucchini, Wirsing und Weißkohl stehen. Und wenn schon Nudeln, dann wenigstens Vollkorn. Das klingt gesund. Ob die Kinder das essen werden, ist eine andere Frage.

Und damit kommt man zum nächsten Problem an Klöckners Rechnung. Kinder essen am liebsten, was sie von zu Hause kennen, was ihre Eltern mit Vorliebe essen und was ihnen ansprechend präsentiert wird. Nur weil es gesundes Essen gibt, ernähren sich Kinder nicht gesund. Geschmack entwickelt sich entlang positiver und negativer Erlebnisse. Der Weg von Fischstäbchen und Schnitzeln bei Mama zu Kabeljau und Wirsing in der Großkantine ist weit. Da liegen die Schokoriegel am Schulkiosk oder die Aufbackpizza vom Discounter auf dem Schulweg vielen Schülern näher. Von dieser Herausforderung steht in Klöckners Rechnung nichts.

Das sieht man, wenn man sich anschaut, wie der gesunde Speiseplan ermöglicht werden soll. In dem Papier fällt der Begriff der "Prozess-Effizienz". Das bedeutet: Personal einsparen, mehr Essen in kürzerer Zeit ausgeben. Das ignoriert, dass Essen eine Kulturfrage ist. Ein gesundes Essen lebt auch davon, wie gegessen wird. Dazu gehören Zeit, eine ansprechende Zubereitung und auch die Möglichkeit, sich das Menü selbst zusammenzustellen: Nur ein bisschen von dem Fisch zu probieren, dafür ein bisschen mehr Kartoffeln, bitte.

Wenn die Politik will, dass Eltern arbeiten und Kinder in die Ganztagsschule gehen, dann muss sie nicht nur gesundes Essen auf den Tisch stellen. Es muss auch die kulturellen Aufgaben der Familie mehr und mehr übernehmen. Das Essen ist ein solches Kulturgut. Das lässt sich mit vier Cent nicht aufwiegen. Und um es in den Worten von Frau Klöckner zu sagen: Das sollten uns unsere Kinder wert sein.

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