Kommentar:In einer anderen Liga

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So viel Verständnis der Deutsche Eishockey-Bund für Marco Sturm zeigt: Er hat nun ein Problem, das er zwar kommen sah. Er wähnte es aber in weiter Ferne.

Von Johannes Schnitzler

Warum verlässt Marco Sturm aus seinem bis 2022 laufenden Vertrag heraus die Eishockey-Nationalmannschaft, um als Co-Trainer zum Tabellenletzten der NHL zu wechseln? Auf diese spitze Frage gibt es mehrere Antwort-Möglichkeiten. Eine lautet: Ettore Messina. Der Trainer Messina gewann 2001 mit Bologna die Euroleague, den schillerndsten Wettbewerb im europäischen Basketball, 2006 und 2008 gelang ihm dasselbe mit ZSKA Moskau. 2014 wechselte der Italiener dann zu den San Antonio Spurs in die NBA - als Co-Trainer. Die Spurs spielen nun mal in der schillerndsten Basketball-Liga des Planeten.

Eine andere Antwort lautet: Uwe Koschinat. Als der Fußballtrainer Koschinat kürzlich den Drittligisten Fortuna Köln in Richtung Sandhausen verließ, musste er nicht einmal behaupten, dass für ihn ein Traum in Erfüllung geht. Sandhausen ist der Inbegriff des Modells Graue Maus, spielt aber eine Liga höher. Die Antwort lautet: So ist Profisport. Und was Sturm betrifft: Eishockey-Deutschland schillert seit Olympia zwar silbern. Aber die NHL ist die NHL.

So viel Verständnis der Deutsche Eishockey-Bund und sein Präsident Franz Reindl für Sturm zeigen: Sie haben nun ein Problem, das sie zwar kommen sahen. Sie wähnten es aber in weiter Ferne.

Seit Sonntagabend, als der DEB Sturms Weggang kommunizierte, diskutiert die interessierte Öffentlichkeit über seinen Nachfolger. Dass das deutsche Eishockey nach Jahren der Graumäusigkeit überhaupt wieder auf öffentliches Interesse stößt, ist dabei nur eines von Sturms Verdiensten. Der Neue müsse "eine Reputation haben", sagt Reindl; er soll die von Sturm verlangte Nachwuchsförderung weiterverfolgen; er soll deutsche NHL-Profis dafür begeistern, nach einer langen Saison noch eine WM dranzuhängen. Vor allem aber: Er muss verfügbar sein. Die üblichen Verdächtigen erfüllen diese Bedingungen nur bedingt. Einige sind vertraglich an Klubs gebunden (was, siehe oben, kein Ausschlusskriterium sein muss). Andere spielen bereits in einer anderen Liga wie der bislang einzige deutsche NHL-Cheftrainer Ralph Krueger, Präsident des Fußballklubs FC Southampton. Der Klub steht zwar nur auf Platz 16 der Premier League, mit 220 Millionen Euro Jahresumsatz aber in Europa unter den Top 20. Die Deutsche Eishockey Liga kommt insgesamt gerade auf die Hälfte.

In Pyeongchang lautete die Parole: Glaubt an Euch! Sturms Nachfolger muss diese Botschaft weiter tragen. Es ist, untypisch für diese Zeiten, die Hoffnung auf ein Weiter-so. Sturm sagt: "Das wird eine schwierige Aufgabe." Immerhin: Auch sie schillert wieder ein bisschen.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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