Demission von Jeff Sessions:Warum Trump seinen Justizminister zum Rücktritt zwingt

Die Russland-Affäre ist für den US-Präsidenten ein gewaltiges Problem. Trump hofft, dass sich das mit dem Neuen an der Spitze des Justizministeriums ändert. Zu Recht? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Sebastian Gierke

Die Stimmen bei den Kongresswahlen waren noch nicht alle ausgezählt, da griff der US-Präsident durch. Keine 24 Stunden nach dem Ende der Midterms entledigte Donald Trump sich seines Justizministers Jeff Sessions, zwang ihn zum Rücktritt. Eigentlich wollte Trump das schon vor den Zwischenwahlen machen, doch seine Berater überzeugten ihn, zu warten, um keine Wähler zu verschrecken.

Der erzwungene Rücktritt ist ein politisches Erdbeben. Vor allem die Auswirkungen auf die Russland-Ermittlungen von FBI-Sonderermittler Robert Mueller stehen jetzt im Fokus. Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Welche Rolle spielte Jeff Sessions für die Russland-Ermittlungen?

Justizminister Sessions hatte im März 2017 wegen Befangenheit selbst die Aufsicht über die Ermittlungen abgegeben. Anwälte des Justizministeriums hatten damals dazu geraten. Sessions' Rolle in Trumps Wahlkampagne hätte aus ihrer Sicht potenziell Interessenkonflikte zur Folge gehabt.

Trump hält Sessions' Verhalten bis heute für Verrat. Er hatte offensichtlich gehofft, dass Sessions ihm als Justizminister loyal dienen und ihn so vor Angriffen von außen schützen würde. Immer wieder erklärte Trump seither, Sessions hätte ihm vor seiner Ernennung sagen sollen, dass er sich von der Aufsicht über die Ermittlungen zurückziehen würde. Dann hätte er, Trump, ihn gar nicht zum Justizminister gemacht.

Sessions' Stellvertreter Rod Rosenstein übernahm die Aufsicht und machte Robert Mueller zum Sonderermittler. Trump geißelt die Untersuchungen Muellers regelmäßig als "Hexenjagd".

Wie ist die Lage bei den Mueller-Ermittlungen?

Robert Mueller untersucht seit Mai 2017 als Sonderermittler, inwieweit Russland Einfluss auf die Präsidentschaftswahl des Jahres 2016 genommen hat. Im Vordergrund steht dabei, ob Trumps Team oder der US-Präsident selbst mit Moskau kollaboriert haben.

Eine wichtige Rolle spielen beispielsweise E-Mails der Demokraten, die russische Hacker gestohlen und in der Absicht veröffentlicht haben, Trump im Wahlkampf zu helfen. Seither wurden unter anderem mehrere hochrangige Mitglieder von Trumps Wahlkampfteam wegen verschiedener Straftaten angeklagt und teilweise schuldig gesprochen: Der ehemalige Wahlkampfleiter Paul Manaford und sein Mitarbeiter Rick Gates, der Berater George Papadopoulos und Trumps ehemaliger Sicherheitsberater Michael Flynn. Alle kooperieren mit den Ermittlern des FBI. Außerdem wurden 25 russische Staatsbürger angeklagt.

Wann Mueller seinen Untersuchungsbericht veröffentlicht, ist unklar. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Ermittlungen ihrem Ende nähern. Mueller allerdings schweigt. In Washington wird mit großer Spannung erwartet, was genau er untersucht hat und vor allem, was er herausgefunden hat, wie substanziell die Enthüllungen sind und ob es zu Anklagen kommt. Trumps Sohn, Donald Trump Jr., soll beispielsweise Freunden gegenüber gesagt haben, er glaube, dass er selbst angeklagt werde. Und auch für den Präsidenten stellen die Ermittlungen eine große politische Gefahr dar.

Was bedeutet der Rauswurf Sessions' für die Ermittlungen?

Ohne Sessions als Justizminister wird es für Trump deutlich einfacher, die Russland-Ermittlungen abzukürzen oder einzuschränken. Trump installiert mit Matthew Whitaker kommissarisch einen Mann an der Spitze des Justizministeriums, der ihm gegenüber als loyal gilt. Das könnte ein erster Schritt sein, um der ihm so verhassten Untersuchung ganz den Riegel vorzuschieben. Rod Rosenstein hat bereits zugestimmt, die Aufsicht über die Ermittlungen an Whitaker zu übertragen. Damit kann Whitaker von Mueller und seinen Ermittlern für jeden Ermittlungsschritt Erklärungen verlangen. Und - falls er sie als nicht angemessen beurteilt - diese sogar verbieten. Zum Beispiel eine neue Anklage durch Mueller. Alle weiteren Untersuchungen wäre damit faktisch beendet.

Allerdings könnte Whitaker wohl nicht verhindern, dass bereits vorhandene Anklageschriften, die noch nicht öffentlich sind ("sealed indictments"), öffentlich werden und in Kraft treten.

Wie steht Whitaker zu den Russland-Ermittlungen?

Bevor Whitaker, bekennender Trump-Unterstützer, ins Justizministerium ging, hat er sich bereits mehrfach öffentlich zu den Russland-Ermittlungen geäußert. Er spekulierte damals, dass der Nachfolger von Sessions das Budget Muellers so deutlich kürzen könnte, dass "die Ermittlungen beinahe zum Stop kämen". Auch als US-Staatsanwalt hatte Whitaker immer wieder erklärt, dass die Ermittlungen deutlich reduziert oder ganz beendet werden sollten. Er verteidigte sogar Donald Trump Jr. und dessen Rolle bei einem für die Russland-Ermittlungen zentralen Treffen mit einer russischen, dem Kreml nahestehenden Anwältin im Trump Tower im Juni 2016:

Das persönliche Verhältnis zwischen Trump und Whitaker gilt als gut. Whitaker hatte Trump über Sachverhalte aus dem Justizministerium oft unterrichtet, weil der US-Präsident mit Sessions offenbar kaum mehr sprechen wollte.

Was bedeutet das politisch?

Sessions aus dem Amt zu drängen, ist ein aggressiver Zug, mit dem Trump einmal mehr ein politisches Erdbeben auslöst. Von einer drohenden Verfassungskrise ist die Rede. Die Demokraten warnen den Präsidenten in scharfen Worten davor, sich in die Russland-Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller einzumischen oder sie gar zu beenden. Es sei klar, dass der Präsident etwas zu verbergen habe, schreibt der Minority Leader der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, auf Twitter.

Durch die Übernahme der Mehrheit im Repräsentantenhaus bei den Midterms haben die Demokraten jetzt machtvolle Kontrollinstrumente in der Hand und werden versuchen, die Untersuchungen Muellers zu unterstützen. Die Untersuchung von Trumps Russland-Verbindungen haben für sie "hohe Priorität". Wenn die Mueller-Ermittlungen tatsächlich mit Hilfe der neuen Führung im Justizministerium und Trumps Druck eingestellt würden, könnten die Demokraten Mueller beispielsweise sofort in den Kongress rufen und ihm ermöglichen, dort über die Ergebnisse seiner Untersuchung auszusagen. Landesweit übertragen im Fernsehen.

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