Finanzbranche:EZB-Aufseher rügen Commerzbank

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Der Commerzbank droht das Leere oder eine Fusion. (Foto: Arne Dedert/dpa)
  • Die Commerzbank will spätestens 2020 wieder ausreichend profitabel sein, um zu überleben.
  • Die EZB-Bankenaufseher entdecken aber einige Mängel bei der Bank, die sie davon abhalten könnten, ihr Ziel zu erreichen.
  • Die Commerzbank sucht ihr Heil in Kampfkonditionen und versucht, mit steigenden Kundenzahlen, Bedenken zu zerstreuen.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Es ist erst zweieinhalb Jahre her, da schien für die Commerzbank mit einem Mal wieder alles möglich. Von einer "Neuerfindung der Bank" sprach Martin Zielke, als er im Mai 2016 die Führung übernahm und davon, das traditionsreiche Kreditinstitut nach Jahren der Dauerkrise in ein "digitales Technologieunternehmen" zu verwandeln. "Commerzbank 4.0" heißt die Strategie, die nicht nur mit dem Abbau von 9600 Stellen einhergeht, sondern auch mit einer kompletten Neuordnung des Firmen- und Privatkundengeschäfts. Spätestens 2020 soll die Bank, die immer noch zu 15 Prozent im Staatsbesitz ist, wieder ausreichend profitabel sein - nicht nur, weil es die Aktionäre erfreut, sondern vor allem, weil Deutschlands zweitgrößte Privatbank andernfalls wohl nicht dauerhaft eigenständig überleben kann.

Inzwischen jedoch wachsen die Zweifel, ob die Commerzbank diese Ziele noch stemmen kann, oder ob sie nicht vielmehr gefangen ist in einer Strategie, die ins Leere oder bestenfalls irgendwann in eine Zwangsfusion führt. Die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) haben jedenfalls nach SZ-Informationen große Bedenken bei der Strategie. Die Kontrolleure untersuchten jüngst in einer Sonderprüfung den Geschäftsplan der Commerzbank bis 2021 und entdeckten große Schwächen, heißt es in Aufsichtskreisen. Vor allem das Firmenkundengeschäft, ein wichtiger Ertragsbringer der Bank, bereitet der EZB dem Vernehmen nach Sorgen. Insgesamt halte man den Geschäftsplan für gewagt, die Bank riskiere langfristig ihre Profitabilität. Das Institut müsse dieses Problem nun angehen. Weder die EZB noch die Commerzbank wollten sich zu den Informationen äußern.

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Finanzvorstand Stephan Engels bemühte sich am Donnerstag, den Eindruck zu zerstreuen, die Strategie der Bank zahle sich nicht aus. Das bereinigte operative Ergebnis sei gestiegen, die Zahl der Kunden wachse beständig, sagte er bei der Vorstellung der Zahlen zum dritten Quartal. Doch macht die Bank mit ihnen auch ausreichend Geschäft? Ein Nachweis steht nach wie vor aus. Engels räumte vorsichtshalber ein, man werde 2020 nicht mehr ganz so viel Ertrag erreichen wie geplant. Ob das auch für den Gewinn gelte, werde man Anfang 2019 sehen. Das "Marktumfeld" sei zu schlecht, die Zinsen immer noch niedrig, der Brexit vor der Tür, der Handelskrieg nicht unbedingt hilfreich.

Wegen des harten Wettbewerbs sucht die Bank ihr Heil in Kampfkonditionen

Das alles ist zwar nicht von der Hand zu weisen, schließlich gilt der deutsche Bankenmarkt im europäischen Vergleich als besonders hart umkämpft. Allen voran Commerzbank und Deutsche Bank fallen im internationalen Vergleich daher immer weiter zurück - ganz gleich, ob mit Blick auf Börsenwert oder Renditen. Deswegen war in diesem Sommer bereits die Rede davon, dass sich beide Geldhäuser in der Not zusammenschließen sollten. Zudem müssen Europas Banken - anders als die Konkurrenz in den USA - auch noch Strafzinsen an die EZB zahlen, wenn sie überschüssige Liquidität nicht zur Kreditvergabe nutzen, sondern dort parken. Seit 2014 sind somit knapp 20 Milliarden Euro von den Instituten an die Zentralbank geflossen, wie der Bankenverband ausgerechnet hat. Und ein Ende dieser Praxis ist nicht abzusehen.

Andererseits kämpft die Commerzbank mit hausgemachten Problemen. Allen voran bei der Neuordnung der Sparten hakt es. Um Kunden besser bedienen zu können hatte Zielke die Mittelstandssparte, einst das Aushängeschild der Bank, zerschlagen, dabei das Investmentbanking mit dem Firmenkundengeschäft fusioniert und die Geschäftskunden den Privatkunden zugeordnet. Seither aber erodieren die Erträge im Firmenkundengeschäft. Immer wieder kam es bei der Verschiebung von Kunden zu Reibereien mit der Folge, dass sich einige Firmenkundenberater plötzlich um mehr Unternehmen kümmern mussten als geplant und verärgert waren. Außerdem mussten viele Mitarbeiter offenbar in der neuen Organisation erst ihre Rolle suchen. Bei der Bank heißt es, die Probleme seien behoben, die Neuordnung der Sparten abgeschlossen.

Wegen des harten Wettbewerbs sucht die Commerzbank inzwischen aber auch ganz unverhohlen ihr Heil in Kampfkonditionen, um mehr Kredite vergeben zu können. Analysten macht daher auch die niedrige Risikovorsorge der Bank Sorgen. In den ersten neun Monaten sind die neu gebildeten Rücklagen für schlechte Zeiten gegenüber dem Vorjahr um 44 Prozent auf nur noch 295 Millionen Euro gesunken, so niedrig waren sie selten. Sobald die Wirtschaft schwächelt, könnte aber schnell deutlich mehr Vorsorge nötig sein, dann wären Verluste programmiert. Felix Hufeld, Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, hatte erst unlängst gewarnt - freilich ohne die Commerzbank zu nennen -, es bereite ihm Sorgen, "dass einige Institute im Kreditgeschäft sehr aggressiv unterwegs sind und dabei offenbar teilweise ihre Kreditvergabestandards lockern".

Zu welchem Spielball der Märkte allerdings die Aktie der Commerzbank inzwischen geworden ist, zeigte am Donnerstag die Reaktion der Börse: Trotz der trüben Aussichten stieg der Kurs der Aktien, die seit Kurzem nur noch im mittleren Börsensegment MDax notiert sind, zeitweise um sechs Prozent.

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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