Szenario:Farbenrausch und Katzenjammer

Atelierausstellung Stockmannvilla Dachau

Ralf Hanrieders Atelier mit neuen Bildern und alten Freunden.

(Foto: Renate Scheigl)

Die Atelierausstellung in der Stockmann-Villa ist gut besucht

Von Gregor Schiegl, Dachau

Aus den großen Atelierfenstern der Stockmann-Villa strahlt warmes Licht. Unten im Erdgeschoss begrüßt Herbert F. Plahl seine Gäste. Er hat einiges zu tun, viele Hände sind zu schütteln, Wein und Häppchen anzubieten, und immer wieder wird er gebeten, doch etwas über seine Bilder zu erzählen, die mit ihren kraftvollen Farben ein eigenes, inneres Leuchten zeigen. Das Schöne, Eigenartige und Faszinierende an seinen Arbeiten ist ja, dass sie auf den ersten Blick farb- und formschön, aber völlig abstrakt sind. Bis sich aus den zarten Farbfeldern und dem Gewirr der Linien auf einmal Häuser und Straßen formen, Leinen mit bunten Wäschestücken und einem Gewimmel von Menschen unter einer staubverschleierten Sonne. Impressionen, die Plahl von seinen Reisen um die ganze Welt mitnimmt, aus China, Indien oder Spanien. Das Künstlerleben wirkt heiter und leicht auf die, die nur zu Besuch sind.

Es ist bereits Plahls 36. Atelierausstellung, als Künstler ist er etabliert, aber selbst für ihn ist dieser Tag mehr als nur ein geselliger Abend mit Kunstfreunden. "Dieser Tag entscheidet mit darüber, ob man im nächsten Jahr noch Kunst machen kann oder nicht", sagt Plahl. Existenzängste sind die ständigen Begleiter der Dachauer Künstler. Aber dieser Freitagabend verläuft nicht schlecht. Plahls Werke stoßen auf großes Interesse, auch bei Sammlern.

Seinem Kollegen Ralf Hanrieder im ersten Stock stattet ein Käufer gleich nach der Eröffnung einen Besuch ab, um sich das Gemälde mit dem feurigen Auge vor tiefblauem Hintergrund zu sichern, bevor es ihm ein anderer wegschnappt. Das Bild mit dem Titel "Retina" war in der SZ Dachau abgedruckt gewesen, das könnte auch eine Rolle gespielt haben. Hanrieder malt seit 25 Jahren Bilder, deren ästhetische Bausteine magische Quadrate sind. An einem großformatigen sonnenhell strahlenden Bild, das die ganze Wand des Ateliers einnimmt, hat er drei Monate lang gewerkelt. Andere würden dabei wahnsinnig werden, Hanrieder liebt diese Feinarbeit. "Für mich ist es wie Meditation." Und wenn man die durch kunstvoll geknüpfte und verdichtete Liniengespinste erzeugte Tiefenwirkung betrachtet, bekommt man selbst schon fast kosmische Gefühle. Oder auch heftig irritierende wie bei "Mushroom Light". Darin lässt Hanrieder grüne und rote Komplementärfarben so hart aufeinanderknallen, dass die Sehzäpfchen im Auge vor Reizüberflutung panisch zappeln. "Ich bin total geflasht!", sagt ein Besucher und lacht.

Bei Tadeusz Stupka ist es voll, selbst wenn nur wenige Leute da sind, weil sein Atelier so klein und zugestellt ist. In der Badewanne steht ein lebensgroßer Frauenakt, im Flur hängt ein sehr dynamisches Gemälde, das man erst mit etwas Abstand von der Türschwelle als originelles Remake von Leonardo da Vincis berühmtem "Abendmahl" identifizieren kann.

Großer Andrang herrscht auch bei der Fotografin Lilly Karsten unterm Dach. Viele Freunde sind gekommen, es herrscht Partyatmosphäre. An den Wänden hängen die Fotos, die sie auf ihren Reisen gemacht hat, Szenerien von unwirklicher Schönheit, der Mond strahlt wie eine Theaterleuchte auf den von Fähren belagerten Bodensee. Nur Lilly Karstens Katze ist unzufrieden. Mit Eulenaugen sitzt sie auf der Kommode und maunzt grantig. Habt ihr endlich alles gesehen, ja? Na, also! Raus hier!

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