Digitalministerin:Diese Frau ist die große Überraschung in Söders Kabinett

Judith Gerlach (CSU) in München

Judith Gerlach (CSU), Staatsministerium für Digitales, kommt zur ersten Sitzung des neuen bayerischen Kabinetts in die Staatskanzlei.

(Foto: dpa)

Jung, weiblich, digital: Die 33-jährige Judith Gerlach soll der lebende Beweis für einen Aufbruch im Kabinett sein. Und sie wird ein völlig neues Ministerium führen.

Von Lisa Schnell

Der Ministerpräsident war schon da, auch der CSU- Fraktionschef und der Finanzminister. Die wichtigen Herren haben schon gesprochen, die Kameras vor dem Fraktionszimmer der CSU aber stehen immer noch da. Die Journalisten warten ausnahmsweise nicht auf einen Mann über 50, sondern auf eine Frau, 33 Jahre alt. "Hierher, hierher", rufen die Kameraleute, als sie endlich ins Rampenlicht tritt.

Sonst verließ Judith Gerlach eher unbemerkt die Fraktionssitzung, im bayerischen Landtag sitzt sie in der sechsten Reihe. Am Montag aber zieht sie von ganz hinten nach ganz vorne um: auf die Regierungsbank. Gerlach ist Bayerns neue Ministerin für Digitales und die große Überraschung im Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder. Sie soll ihm als lebender Beweis dafür dienen, dass er eine "ganz bewusste Entscheidung für die Zukunft" getroffen hat, und den Aufbruch im Kabinett verkörpern: jung, weiblich, digital. Gerlach ist das jüngste Kabinettsmitglied, sie ist nicht nur als Einzige von der CSU neu im Kabinett, sondern wird auch ein völlig neues Ministerium führen. Bayern ist damit laut Söder das "erste und einzige Land" mit einem Digitalministerium. Gerlach soll nicht nur die digitalen Bereiche anderer Ressorts koordinieren, sondern erhält eigene Kompetenzen wie die digitale Verwaltung, Filmförderung oder den Gaming-Bereich.

Für was sie alles genau zuständig ist, weiß Gerlach noch nicht, als sie dem "Hierher" der Journalisten folgt. "Ehrlich gesagt ist das für mich schon eine ziemlich große Nummer, dass ich jetzt hier stehen darf", sagt sie. Der Anruf von Söder kam ebenso unerwartet wie kurzfristig. Falls sie nervös sein sollte, verbirgt Judith Gerlach es gut. Nur die Daumen ihrer vor dem Körper gefalteten Hände kann sie nicht stillhalten. Ansonsten antwortet sie ruhig, verhaspelt sich nicht, und das bei einem Thema, von dem sie bisher kaum Ahnung hat.

Digitalisierung sei nicht ihr "konkreter Spezialbereich", sagt Gerlach selbst. Sie arbeitete ein paar Monate als selbständige Rechtsanwältin im unterfränkischen Aschaffenburg, 2013 wurde sie über die Liste in den Landtag gewählt, als jüngste Abgeordnete. Gerlach kommt aus einer politischen Familie, ihr Großvater Paul Gerlach war 18 Jahre im Bundestag, sie selbst saß im Landtag im Sozial- und Europaausschuss. "Ich lese mich jetzt ein", sagt Gerlach. Zweifel, dass sie der neuen Aufgabe gewachsen ist, äußert dennoch kaum jemand. Sie gilt als eine, die mutig ist und anpackt, die ihren eigenen Kopf hat und eigene Ideen, durchsetzungsstark, selbstbewusst. So wird Gerlach von vielen beschrieben, etwa von Barbara Stamm, ehemalige Landtagspräsidentin und CSU-Vize. "Ich hab' der Judith bis jetzt noch nie einen Stress angesehen", sagt Stamm. Auch nicht, als sie gerade ihr zweites Kind bekommen hatte. Ihr Sohn Samuel ist zweieinhalb Jahre alt, Tochter Luise gerade mal acht Monate. Gerlach aber saß ein paar Monate nach der Geburt schon wieder im Landtag.

Ministeramt und Familie unter einen Hut zu bringen, das sieht sie als die größte persönliche Herausforderung an - und sagt gleich: "Ich denke, ich krieg' das gut hin." Ihr Mann ist in Elternzeit, während sie arbeitet. Gerlach hofft in ihrer neuen Position auch Vorbild sein zu können für andere Frauen in der CSU. "Die Partei muss sich Gedanken darüber machen, wie sie mehr Frauen an der Basis erreicht", sagt sie.

Ob es sie nervt, dass sie von allen auf ihr Geschlecht und ihr Alter angesprochen wird? Nein, sagt Gerlach und hängt ein Aber an: "Ich will nicht als Quotenfrau gesehen werden. Ich habe ordentliche Arbeit gemacht." Das scheint niemand zu bezweifeln. Einen Twitteraccount hat die neue Digitalministerin noch nicht. "Er hat mir ehrlich gesagt nicht gefehlt", sagt sie. Lieber sitze sie mit analogen Menschen am Biertisch zusammen. Jetzt allerdings überlegt sie, ob sie sich nicht doch einen zulegt.

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