Schickeria:"So war es wirklich"

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So sieht Marie Waldburg aus, wenn sie eine Lesung hält: Sie hört zu. Das kann sie so gut, dass ihr über Jahrzehnte alle gerne von sich erzählt haben. (Foto: Robert Haas)

Beleidigungen und Enthüllungen: Die legendäre Münchner Gesellschaftsreporterin Marie Waldburg stellt ein Buch vor über die Glitzerwelt der Promis und was sich da in 40 Jahren verändert hat.

Von Philipp Crone, München

Sie feierte mit Mick Jagger auf einer 126-Meter-Yacht mit Helikopterlandeplatz und U-Booten, auf dem Boot von Roman Abramowitsch oder auf dem von Aristoteles Onassis. Sie war jahrzehntelang auf der ganzen Welt eingeladen zu den begehrtesten Champagner-Festen. Nun steht Marie Waldburg, 70 Jahre alt und ein Lächeln wie ein Teenager, am Montagabend vor der Buchhandlung Moths an der Rumfordstraße und zückt ihr Handy. Wenn die berühmteste Society-Reporterin des Landes, 20 Jahre Abendzeitung, 18 Jahre Bunte, ihr Buch "Meistens diskret" vorstellt, erwartet man Enthüllungen und Einblicke. Und eine Antwort auf die Fragen: Wie bringt man Berühmtheiten dazu, etwas von sich preiszugeben? Und wie wird man Gesellschaftsreporterin? Das ist die Schuld des Mannes, der nun den Anruf von Waldburg entgegennimmt.

Waldburg sagt: "Michael, kommst du noch vorbei?" Michael, das ist der andere legendäre Münchner Gesellschaftsschreiber der Siebziger- und Achtzigerjahre, Michael Graeter, Vorbild für die Figur des Baby Schimmerlos in Helmut Dietls Serie "Kir Royal" und im wahren Leben der Vorgänger von Waldburg bei der Abendzeitung. Graeter sagt: "Ich komme."

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Etwa 50 Gäste warten in der Buchhandlung auf die Lesung von Waldburg, die nach einer Kindheit auf dem Land mit vielen Kirchgängen zur Journalistenschule in München kam und von dort zur Abendzeitung. Ihre ersten Geschichten waren über einen Selbstmord und ein Zugunglück, doch dann kam auch schon das erste Gesellschaftsereignis. Graeter war im Urlaub, Waldburg vertrat ihn, sie traf auf Leute wie August Everding, Bernd Eichinger oder Dietl, "lauter Originale gab es damals noch, das hat sich schon verändert".

Regina Moths, die Inhaberin der Buchhandlung, kommt zu Waldburg und sagt: "Ich höre es ja schon brummen." Sie meint Waldburgs Stimme, die man kaum besser beschreiben kann. Schon im Ton sind da Geheimnis und Geborgenheit vereint. Eine gute Mischung, um Gesprächspartner, und seien sie noch so berühmt, zum Reden zu bringen. An diesem Abend allerdings muss Waldburg von Moths zum Reden gebracht werden. Sie spricht davon, dass die Promis im Vergleich zu früher, im Rückblick auf vier Jahrzehnte, "viel diplomatischer, viel verbindlicher, viel glatter" geworden sind. Damals seien Abende noch überraschend gewesen, "heute gibt es die Uhren-Taufen auf der Maximilianstraße". In den Achtzigerjahren ging man in München auf Kostümpartys von Gunter Sachs, der als Dracula verkleidet war, sein Loft mal als Wald dekorierte und ein anderes Mal hunderte Kerzen aufstellte. "Die Feste waren großzügiger und die Gäste dankbarer." Nicht so abgebrüht wie heute, wo viele oft so wirken, als langweilten sie sich auf einer Veranstaltung und hätten das alles schon so oft gesehen und erlebt.

Waldburg lächelt ihr wunderbares Teenie-Lächeln und sagt: "Damals waren Spielerfrauen auch noch nicht wichtig." Damals, als Waldburg mittendrin war. Sie stellte Veronica Ferres Regisseur Dietl vor, schrieb über das Zusammenkommen der beiden und später über die Trennung, und oft waren es die Prominenten, die sagten: Wo ist heute die Waldburg? Da gingen sie dann hin. Wie Dietl das in "Kir Royal" darstellt, "so war es wirklich", sagt Waldburg. Und weil die zierliche Frau immer dezent schrieb, wurde sie stetig informiert. Die Menschen vertrauten ihr. Waldburg schildert ihre Aufgabe in ihrem Buch so: "Die Beschreibungen, wie andere feiern, leiden und lieben, sollten ein bisschen würzig und amüsant rüberkommen."

Waldburg erzählt von den Festen mit Elton John oder George Clooney, von Helmut Fischer, dem Monaco-Franze-Darsteller, der "in Wahrheit so schüchtern war", oder von Ernst August von Hannover, der ihr einmal ein "Fuck you" zuzischte, später aber zutraulich wurde. Von den Abenden, es müssen Tausende gewesen sein, an denen sie losging und dachte, dass der Empfang zwei Stunden dauert, "aber dann waren es wieder acht" - und die interessanten Dinge passieren eben immer am Ende, wenn die wenigsten noch ganz nüchtern sind.

Michael Graeter betritt den Buchladen, als Waldburg erzählt. Sein Markenzeichen ist nicht eine berührende Brummstimme wie bei Waldburg, sondern die kreischbunte Krawatte. Graeter wird von Waldburg begrüßt und schaltet sich gleich mal ins laufende Gespräch ein, quatscht selbst ein bisschen, und die Moderatorin Moths beginnt ebenfalls, immer mehr zu reden. Ab und zu brummt Waldburg noch, aber da ist längst klar, warum sie so erfolgreich war: Sie schafft ganz selbstverständlich eine Atmosphäre, in der die Leute von sich erzählen, ob sie wollen oder nicht.

Und dann spricht Marie Waldburg noch einmal, diesmal mit etwas lauterer Stimme, darüber, dass man in diesem Beruf immer "staunen können muss". Gesellschaftsreporter sei einfach "der tollste Job der Welt". Stimmt.

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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