Großbritannien:Einflussreicher Abgeordneter beantragt Misstrauensvotum gegen May

Lesezeit: 3 min

  • Ein führender konservativer Parlamentarier hat ein Misstrauensvotum gegen Premierministerin May beantragt. Zuvor hatte sie bereits ihren Brexit-Minister verloren, auch ihre Arbeitsministerin verlässt das Kabinett.
  • Dominic Raab tritt von seinem Amt zurück, weil er den vom Kabinett gebilligten Brexit-Vertragsentwurf nicht mittragen will - insbesondere die Passagen zum künftigen Status von Nordirland.
  • Die nach dem Brexit verbleibenden 27 EU-Staaten wollen auf einem Sondergipfel am 25. November darüber entscheiden, ob sie der Vereinbarung für einen britischen Austritt zustimmen.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, auch Deutschland müsse das 585 Seiten dicken Papier "analysieren". Sie äußerte sich aber prinzipiell zufrieden darüber, dass es eine Einigung gibt.

Theresa Mays Unterstützung in der eigenen Partei schwindet. Der einflussreiche Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg, wie May Mitglied der Konservativen Partei, beantragte ein Misstrauensvotum gegen die Premierministerin. Zuvor hatten britische Medien bereits gemeldet, mindestens 48 der 316 Abgeordneten der Konservativen im Unterhaus wollten einen entsprechenden Antrag unterstützen. Sie sind unzufrieden mit dem Entwurf für einen Brexit-Vertrag, den britische Unterhändler mit der EU ausgehandelt hatten.

Aus dem gleichen Grund war zuvor Brexit-Minister Dominic Raab zurückgetreten. Er könne die Vereinbarung zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU nicht mittragen, teilte er in einem Schreiben an Premierministerin Theresa May mit. Insbesondere billige er nicht die Passagen im Vertragsentwurf zum künftigen Status von Nordirland.

Sein Rücktrittsgesuch veröffentlichte Raab auf Twitter.

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Wenig später reichte auch Arbeitsministerin Esther McVey ihren Rücktritt ein. Der vorliegende Entwurf respektiere nicht den Wunsch des britischen Volkes, die Europäische Union zu verlassen, schrieb sie auf Twitter.

Bereits am Morgen hatte der für Nordirland zuständige Staatssekretär Shailesh Vara seinen Rücktritt aus Protest gegen Mays Brexit-Pläne erkärt. Die Frage, welche Regeln nach dem britischen Austritt an der Grenze zwischen Irland und Nordirland gelten sollen, war bis zuletzt eine der zentralen Streitfragen in den Verhandlungen mit der EU.

Anfang der Woche hatten sich die Unterhändler von Mays Regierung und der Europäischen Union nach Monaten intensiver Verhandlungen auf einen Vertragsentwurf für den Brexit geeinigt. Das britische Kabinett hatte diesem am Mittwochabend zunächst zugestimmt.

EU-Ratspräsident Donald Tusk berief daraufhin am Donnerstagmorgen, wie erwartet, einen Sondergipfel für den 25. November ein. Auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs wird es darum gehen, ob die EU-27 dem ausgehandelten Vertragsentwurf zustimmen. Auch das Europäische Parlament muss den Vertrag absegnen.

Am Donnerstagmittag hat May den Text mit einer kämpferischen Rede im Unterhaus vorgestellt, Mitte Dezember soll dort die entscheidende Abstimmung stattfinden.

Ob es der Vertragsentwurf durch das Parlament schafft, ist unklar. May hat nicht nur mit dem beantragten Misstrauensvotum zu kämpfen, sondern auch damit, dass die nordirische DUP, die bisher ihre Minderheitsregierung stützte, den Brexit-Plan ablehnen will. May aber gibt sich kämpferisch. Sie gehe weiterhin davon aus, dass sie das Land zum Zeitpunkt des Brexit führt, sagt ihr Sprecher.

Die nordirische Partei DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, steht dem Entwurf ebenfalls kritisch gegenüber. Der Brexit-Sprecher der Labour-Partei, Keir Starmer, signalisierte in der Fernsehsendung "Good Morning Britain", dass Premierministerin Theresa May wahrscheinlich nicht auf seine Partei zählen könne, um die Stimmen der Abgeordneten ihrer Konservativen Partei auszugleichen, die wohl dagegen stimmen werden. Eine Abgeordnete der Liberaldemokraten, Wera Hobhouse, hat bereits angekündigt, dass ihre Fraktion dagegen stimmen werde. Das ist nicht überraschend, die Libdems befürworten einen Verbleib in der EU.

Der Tory-Abgeordnete Mark Francois sagte im Parlament, es sei " mathematisch unmöglich, dieses Abkommen durch das Unterhaus zu bekommen". Nicht nur Labour, die Liberalen und die DUP hätten angekündigt dagegen zu stimmen, sondern auch "mehr als 80 Tory-Hinterbänkler".

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Einigung auf einen Vertragsentwurf und die Billigung durch das britische Kabinett begrüßt. Sie sei "sehr froh", dass es gelungen sei, "in langen und nicht ganz einfachen Verhandlungen einen Vorschlag zu unterbreiten", sagte Merkel am Donnerstag nach der Kabinettsklausur in Potsdam. Merkel sprache sich gegen weitere Verhandlungen der EU mit dem Vereinigten Königreich aus. Es liege ein Dokument auf dem Tisch. Die Frage nach einer Weiterverhandlung stelle sich derzeit daher nicht.

Jetzt gehe die Bundesregierung davon aus, dass der Entwurf in den britischen Gremien beraten werde. Deutschland und die anderen Mitgliedsländer der EU müssten "die vielen Seiten" des Entwurfs "auch erst mal analysieren". Der Vertragstext zum Brexit Ende März 2019 umfasst 585 Seiten.

Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier hat sich zufrieden mit dem Vertrag gezeigt. "Wir haben letztendlich eine gerechte und ausbalancierte Lösung gefunden", sagte Barnier am Donnerstag im EU-Parlament. Der Kompromiss beachte die Forderungen des Vereinigten Königreichs nach einem ungeteilten Zollraum. Gleichzeitig sehe er den Schutz der Verbraucher in der EU und des EU-Binnenmarkts vor. Man sei aber noch nicht am Ende des Weges.

© SZ.de/dpa/Reuters/AFP/bepe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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