Autoindustrie:Volkswagens neue Ära soll in Zwickau beginnen

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Bislang werkeln die VW-Mitarbeiter in Zwickau noch an Autos mit Verbrennungsmotoren. Das soll sich nun ändern. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Am Standort Zwickau will Volkswagen seine erste Elektroauto-Fabrik eröffnen. In einem Jahr sollen die ersten Wagen in Golf-Größe aus dem Werk rollen.
  • Der Umstieg zur Elektromobilität geht einher mit einer neuen Stufe der Automatisierung. 1700 Roboter sollen im Zwickauer Werk stehen.

Von Max Hägler, Zwickau

Zwickau - Der Ausbildungsleiter bei Volkswagen in Sachsen macht keinen Hehl aus den Herausforderungen: "Die Elektromobilität ist nicht ungefährlich", sagt Bernd Füsting, der hier im VW-Werk Zwickau an einem großen Umbruch mitarbeitet. Er schult die Leute, wie sie mit starkem Strom hantieren und die kaum löschbaren Brände von Batterien vermeiden. Es ist Pionierarbeit, denn diese Fabrik soll das Leitwerk von Volkswagen für die Elektromobilität werden - die erste Elektroautofabrik überhaupt des größten Autokonzerns der Welt. Eine Mammutaufgabe sei der Umbau im laufenden Betrieb, sagen sie, bis in genau einem Jahr die ersten Wagen in Golf-Größe aus dem Werk rollen. Und zwar nicht nur, was den Aufbau von Robotern und Maschinen anbelangt, die schon herumstehen, was allein 1,2 Milliarden Euro kostet.

Die Arbeitssicherheit muss neu gedacht werden. Es geht künftig nicht mehr um Getriebe und Kraftstoffschläuche, sondern um HV, um Hochvolt. Unten in den Autos, zwischen den Rädern werden die Batteriepacks gepackt sein - 400 Volt Spannung liegt da an, Lebensgefahr! In den Warnsymbolen müsse er die Leute schulen, sagt Füsting, und darin, wo sie hinfassen dürfen: Blau, ungefährlich, zwölf Volt. Rot, extrem gefährlich, 400 Volt. Viele hundert Arbeiter vom Band werden in den kommenden Wochen durch solche Trainings geschickt, lernen auch das richtige Stecker-Stecken, damit die Autos richtig lossummen. Überall hängen sie Defibrillatoren auf, falls doch etwas passiert, und üben, Stromopfer per Fanghaken vom Wagen zu ziehen. Sicher ist sicher. Es ist nur einer der neuen Aspekte die VW künftig beschäftigen.

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Der Konzern macht sich gerade auf in die Zukunft, oder wie es Thomas Ulbrich, Markenvorstand für Elektromobilität nennt: "Die E-Story beginnt, es ist eine neue Ära wie der erste Käfer oder erste Golf." Die Kapitel sind dabei vielfältig, das zeigt sich in dieser Woche: An diesem Freitag wollen die VW-Aufsichtsräte final entscheiden, dass auch die Werke Emden und Hannover künftig E-Autos bauen. Es gingen einige Debatten mit den Arbeitnehmervertretern voraus und auch mit dem Land Niedersachsen, das als VW-Miteigentümer um Jobs fürchtet. In der sogenannten "Planungsrunde" von VW wird am Freitagvormittag diskutiert werden, wie viel noch in Benzin und Diesel investiert wird. Es wird jedenfalls weniger. Ab dem Jahr 2025 sollen jährlich eine Million batterieelektrische Autos verkauft werden, von insgesamt zehn Millionen Fahrzeugen derzeit.

Man muss dazu den Autobau nicht komplett neu erfinden; immer noch sind vier Räder am Chassis befestigt. Aber in Zwickau wird der Aufwand klar. Auch die Rechnung ist dabei eine neue: Der ID, den sie hier nun bauen werden, und der den Arbeitsnamen Neo trägt, soll so viel kosten wie ein Diesel-Golf, den sie derzeit hier noch bauen. Aber von den etwa 25 000 Euro Verkaufspreis wird erst einmal kaum etwas hängen bleiben bei Volkswagen. Der Anlauf kostet viel Geld. Und vor allem die Batterie kostet Marge, sagt Ulbrich: 40 Prozent des Fahrzeugwertes macht dieses Bauteil aus, das aus teuren Chemikalien und Metallen besteht. Das ist der Grund, wieso sie in der Konzernzentrale, angeführt von Einkaufsvorstand Stefan Sommer, eine eigene Batteriezell-Produktion anstreben. Bis es soweit ist, greifen sie auf Batterien zurück, die LG Chem und Samsung in Ungarn und Polen für das Werk Zwickau fertigen - angeblich nicht mit Kohlestrom.

Der VW-Plan für Sachsen ist dabei klar: 100 000 Elektroautos der Marken Audi, Seat und Volkswagen sollen im Jahr 2020 gefertigt werden, zwei Jahre späten sollen es dann 330 000 sein. Es wäre nach der Tesla-Fabrik in Kalifornien das größte E-Auto-Werk der Welt - so denn die Kunden mitspielen werden. Denn das ist die große Unbekannte in dieser Vorausschau.

"Wir werden Elektromobilität aus der Nische führen", gibt sich Ulbrich überzeugt, und zeigt eine Folie, in der die Kurven steil nach oben zeigen, zumindest in Europa und China. Dort wird die Politik bald diejenigen Hersteller bestrafen, die weiter nur auf Verbrennermotoren setzen.

Wenn die Fertigung in Zwickau "hochgerampt" ist wie sie bei VW lautmalerisch sagen, mit englischer Aussprache, dann werden mehr und mehr andere Werke nachziehen, in Deutschland, aber auch in den USA. Dazu kommen die Elektroautowerke der Konzernschwestern. Porsche etwa baut in Stuttgart-Zuffenhausen gerade eine ganz neue Fabrik für einen batterieelektrischen Sportwagen. Von Ende 2019 an soll das E-Modell namens Taycan ausgeliefert werden. Außerdem werden immer mehr der alten Motorenwerke von da an neue Aufgaben zugewiesen bekommen; es wird in diesen Werken signifikant weniger Jobs geben: Ein Elektromotor ist nur ein Zehntel so komplex wie ein Diesel.

Zugleich halten in den Werken immer mehr Automaten Einzug. Auch das zeigt Zwickau: Elektromobilität geht einher mit einer neuen Stufe der Automatisierung. 1700 Roboter werden es in Zwickau sein, wenn die zwei Fertigungslinien fertig gestellt sind. Doch noch soll es deshalb keinen großen Stellenabbau geben. Bis zum Jahr 2025 gilt eine Beschäftigungssicherung. Wie das zusammengeht? Die 7700 Menschen sollen eng zusammenarbeiten mit den Kollegen aus Metall. Ganz große Roboter stehen schon bereit, mit Saugnäpfen zum Heben der Karosserie und kleine, die nur Teile reichen. Dadurch soll die Bauzeit eines Autos um ein Fünftel sinken; 1500 E-Wagen pro Tag sollen hier aus den Hallen rollen, statt bisher 1350 Wagen mit Diesel- oder Benzinantrieb.

Nicht alle in Zwickau sind davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Und so ist auch das ein Schulungspunkt: Das Selber-Fahren und damit Erfahren von Elektromobilität. Von Motivations und dem Change des Mindset reden die Manager. Einen Werbeslogan haben sie ausgeheckt, der dabei helfen soll: "Das neue Sechsisch", mit E. Hinten schrauben derweil die Arbeiter in VW-Kitteln Verbrennermotoren in den Golf. Noch.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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