Banking-App:Gutes tun mit Geld

Banking-App: "Die Leute haben keine Ahnung, was mit ihrem Geld passiert" - Start-up-Gründer Jakob Berndt.

"Die Leute haben keine Ahnung, was mit ihrem Geld passiert" - Start-up-Gründer Jakob Berndt.

(Foto: Jakob Berndt/Tomorros)

Start-up-Gründer Jakob Berndt will nachhaltiges Banking für die Massen anbieten. Ein ähnliches Projekt hat er erfolgreich gestemmt.

Von Max Ferstl, Berlin

Als Jakob Berndt seine vorletzte Firma gründete, schien die Idee wenig spektakulär: fair gehandelte Biolimonade, hmm. Biolimo gab es schon, Fair-Trade auch. Aber Berndt gefiel die Vorstellung, dass fünf Cent von jeder verkauften Flasche in Entwicklungsarbeit fließen. Limo trinken und dabei Gutes tun, wer könnte etwas dagegen haben? Berndt und seine beiden Mitgründer mischten eine ziemlich leckere Limo, füllten sie in schicke Flaschen und verkauften sie in Bars, in Unis, auf Festivals. Sie trafen den Geschmack und wohl auch den Zeitgeist. Seit 2009 hat Lemonaid mehr als drei Millionen Euro für Entwicklungshilfe erwirtschaftet.

Nun hat Jakob Berndt wieder eine Firma mit begründet. Und wieder scheint die Idee wenig innovativ zu sein. Das Hamburger Start-up Tomorrow bringt von diesem Freitag an eine Girokonto-App auf den Markt. Zudem verspricht es, das Geld ihrer Kunden nur in nachhaltige Projekte zu investieren. Banking-Apps gibt es seit Jahren. Nachhaltige Banken auch. Nur haben dort sehr wenige Menschen ein Konto. Aus Berndts Sicht sollte sich das ändern.

Zwar machten sich immer mehr Menschen Gedanken darüber, welches Fleisch sie kaufen oder wie viel Sprit ihr Auto verbraucht. Was die eigene Bank treibe, frage sich aber kaum jemand. So sieht Berndt das. "Banken sind eine Blackbox, kompliziert und intransparent." Dabei nutzten sie das Geld ihrer Kunden. Sie leihen es zum Beispiel einem örtlichen Sportverein, der ein neues Klubhaus plant. Aber sie investieren es auch in umstrittene Nahrungsmittelhersteller, in Energiekonzerne und - das hat eine Studie im März dieses Jahres belegt - nicht selten in Rüstungsfirmen, die Atomwaffen herstellen. "Ein überzeugter Vegetarier kann unwissend McDonald's unterstützen. Die Leute haben keine Ahnung, was mit ihrem Geld passiert", behauptet Berndt. Er findet jedoch: Sie sollten eine haben.

Aufklärungsarbeit wird in den kommenden Monaten ein zentraler Bestandteil von Berndts Alltag sein. Während seine beiden Mitgründer viel von Technik und Buchhaltung verstehen, soll Berndt nachhaltiges Banking aus der 0,5-Prozent-Nische zerren. Wie einst bei Lemonaid, wo er sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat. Berndt kann überzeugend reden. Vielleicht weil er nach dem Kulturwissenschaftsstudium ein paar Jahre in der Werbebranche gearbeitet hat. Vielleicht weil er sich erkennbar begeistert für das, was er tut. Berndt glaubt, dass es im sperrigen und seiner Meinung nach verdorbenen Banksektor einen "riesigen Hebel" gebe: "Wenn man Geld in die richtigen Bahnen lenkt, hilft man sehr vielen Menschen."

Tomorrow verspricht keine Unterstützung für Rüstungsunternehmen, für Massentierhaltung, für fossile Brennstoffe. Jedes Projekt werde zuerst auf seine ethische Sinnhaftigkeit überprüft, bevor es um wirtschaftliche Fragen gehe. Tomorrow-Geld könnte in den Windpark um die Ecke fließen, oder die Aufforstung des Regenwalds in Südamerika. Die Kunden sollen das in Echtzeit auf ihrem Smartphone überprüfen können.

"Das Geld soll Gutes tun", sagt Berndt, der lange genug dabei, um zu wissen, dass es auf die Frage, was gut sei, sehr unterschiedliche Antworten gibt. Ist der Windpark gut, weil er emissionsfreien Strom produziert. Oder schlecht, weil er die Route der Zugvögel stört? "Wir müssen und werden uns den Debatten stellen", sagt Berndt. Meistens sei aber nachvollziehbar, welches Projekt in der Bilanz positiv abschneidet. Wenn man sich zwischen einer Rüstungsfirma und dem Regenwald entscheiden müsste, würden viele den Regenwald nehmen.

Darauf setzen sie bei Tomorrow. Bis zu eine Millionen Kunden seien möglich, so die interne Rechnung. Zwar sind es aktuell nur 300 aus der Testphase, aber der Zeitpunkt sei günstig. Die Digitalisierung verändert die Branche. Während Banking-Apps wie N26 rasant wachsen, passen sich konventionellen Banken nur träge an. Und Nachhaltigkeit liegt ja ohnehin im Trend. Berndt glaubt: "Es gibt keinen Grund, warum es im Banking nicht so sein sollte."

Nur mit Geld auf dem Konto Gutes tun - wer könnte etwas dagegen haben? Das Vorhaben, zwei Nischenprodukte zu addieren, gleicht im Kern der Idee hinter Lemonaid. Statt einer hippen Limo gibt es nun also eine hippe App, in der sich binnen zehn Minuten ein normales Konto eröffnen lässt, wie Berndt verspricht. "Die Mission ist ziemlich ähnlich", sagt er. Auch wenn Mission natürlich etwas pathetisch klingt.

Eigentlich hatte Berndt nicht vor, Banker zu werden, so wie er ursprünglich kein Limo-Produzent sein wollte. Wie viele in der Start-up-Szene betrachtet er Firmen als "Mittel zum Zweck", wie einen Hobel, mit dem Tischler Überflüssiges entfernen. Oder das Holz glätten.

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